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Tierische Stimmakrobaten: Warum sprechen, wenn man jodeln kann?
Jodelkünste werden zumeist im Alpenraum verortet und in der Regel auch nur bei Menschen. Zu Unrecht, zeigt eine Studie zur Kommunikation von Affen in südamerikanischen Wäldern. Die schaffen sogar „Ultra-Jodler“.

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Gesang ohne Text und virtuose Wechsel zwischen Brust- und Kopfstimme sind Hauptmerkmale des Jodelns. Vielleicht ist die Gesangstechnik zufällig entstanden. Auch bei Menschen ohne Jodeldiplom schlägt die Stimme bei lauten Rufen bisweilen um.
Im Alpenraum diente Jodeln ursprünglich der Verständigung zwischen Menschen auf dem Berg und im Tal, vermutet man. Auch versprengte Kühe könnten darauf gehört haben. Nun berichten Forschende, dass auch nahe Verwandte des Menschen die Gesangstechnik nutzen, um sich auszudrücken.
Affen und Menschenaffen haben sogar anatomische Strukturen in ihrem Hals, deren genauer Nutzen bislang nicht geklärt war. Es sind Stimmmembranen, berichtet jetzt ein Forschungsteam um Jacob Dunn von der Anglia Ruskin University (ARU) in Cambridge. Wenn die Affen sie benutzen, überschlagen sich ihre Lautäußerungen wie die von Jodlern.

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„Dies könnte besonders bei Primaten wichtig sein, die ein komplexes Sozialleben führen und sich auf verschiedene Weise verständigen müssen“, sagt Dunn.
Das Team hat die Rufe verschiedener Arten von Affen in einem Wildtierreservat in Bolivien untersucht, darunter etwa Haubenkapuzineraffen (Sapajus apella) und, natürlich, Brüllaffen (Alouatta caraya). Außerdem werteten sie CT-Scans der Stimmmembranen aus und modellierten ihre Funktion im Computer.
Bei den süd- und mittelamerikanischen Neuweltaffen sind die Stimmmembranen besonders deutlich ausgeprägt. Menschen haben sie dagegen völlig verloren. Die Forschenden vermuten, dass sie sich entwickelt haben, weil sie das Rufrepertoire der Tiere bereichern. „Möglicherweise dienen sie dazu, Aufmerksamkeit zu erregen, die Rufe zu diversifizieren oder sich selbst zu identifizieren“, sagt Dunn.
„Es ist ein faszinierendes Beispiel dafür, wie die Natur die Vokalisierung von Tieren bereichert, obwohl sie keine Sprache haben“, sagt Co-Autor Christian Herbst von der Universität Wien. Die Anatomie des Kehlkopfes ermögliche es den Tieren komplizierte Vokalmuster hervorzubringen – ohne dass eine komplexe neuronale Steuerung durch das Gehirn notwendig ist.

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Die Vielfältigkeit der Rufe ist beachtlich. Menschliche Jodler springen mit dem Übergang von Brust- zu Kopfstimme meist nur eine Oktave. Affen schaffen mit dem Übergang von ihren Stimmlippen im Kehlkopf zu den Stimmmembranen bis zu drei. Die Forschenden nennen das „Ultra-Jodler“.
Menschliche Jodelkünste mögen gegenüber denen der Affen verblassen. Aber dass Menschen ohne die Stimmmembranen jodeln müssen, könnte auch etwas Gutes haben, vermuten die Forschenden: Möglicherweise sind sie im Laufe der Evolution verloren gegangen, um die Tonhöhenstabilität beim Singen und Sprechen zu fördern.
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