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Der Impfstoffkandidat würde bei Erfolg über Nasensprays verabreicht werden.

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Impfung über Nasenspray: Können nasale Lebendimpfstoffe die Pandemie beenden, Herr Wyler?

Berliner Forschende entwickeln einen Impfstoff, der Infektionen mit dem Coronavirus verhindern soll. Emanuel Wyler vom Max-Delbrück-Centrum erläutert seine Vorteile.

Herr Wyler, Sie entwickeln mit Kolleg:innen von der FU Berlin und der Charité einen Covid-19-Impfstoff, der in die Nase gesprüht werden soll. Funktionieren nasale Vakzine besser als mit Spritzen verabreichte?
Gespritzte Corona-Impfstoffe führen zu einer guten Antikörperantwort und sind auch effektiv gegen das Virus. Sie wirken aber systemisch, das heißt, dass die Antikörper vor allem im Blut zirkulieren. Dort erkennen sie das Virus aber erst, wenn es schon längst in den Körper eingedrungen ist. 

Um ein Atemwegsvirus schon früh abzufangen, braucht es eine lokale Immunität dort, wo das Virus ansetzt. Und das können nasale Impfstoffe besser, weil die Infektion in den Schleimhäuten der oberen Atemwege beginnt. Dort regen sie unter anderem die Bildung sogenannter IgA-Antikörper-Dimere an, die eine Infektion im Idealfall gar nicht erst zulassen.

Sie haben die Wirkung des Wirkstoffkandidaten an Hamstern getestet. Erfolgreich?
Wir konnten zum einen die grundsätzliche Wirksamkeit feststellen. Wurde der Impfstoff zwei Mal verabreicht, konnte sich das Virus in den Hamstern nicht mehr vermehren. Das Immungedächtnis wurde sehr gut angeregt und auch die Schleimhäute waren durch eine hohe Konzentration von Antikörpern sehr gut geschützt. Besser sogar als nach einer natürlichen Infektion. Auch die für den Geruchssinn verantwortlichen Nervenzellen wurden geschützt.

Daher hoffen wir, dass ein nasaler Impfstoff besser vor dem für Coronainfektionen typischen Geruchsverlust schützen könnte. Zum anderen haben wir die Wirksamkeit in Kombination mit einem zuvor in den Muskel gespritzten mRNA-Impfstoff verglichen. Dabei war die Kombination des nasalen Impfstoffs mit dem Biontech-Impfstoff wirksamer als die alleinige Gabe von zwei Dosen des mRNA-Impfstoffs. Das könnte einen nasalen Impfstoff besonders als Booster interessant machen.

Kann der Impfstoffkandidat Infektionen im Keim ersticken und die Pandemie so beenden?
Bei einer solchen sterilen Immunität wäre der Geimpfte selbst vollständig geschützt, würde keine Symptome entwickeln und könnte auch keine weiteren Mitmenschen anstecken. Eine lebenslange sterile Immunität werden wir mit nasalen Impfstoffen aber nicht erreichen, weil Antikörper in den Schleimhäuten nicht so langlebig sind. Wir hoffen aber, dass wir für drei oder fünf Jahre eine annähernde sterile Immunität erreichen und so Infektionen deutlich besser vermeiden können.

Emanuel Wyler forscht am Max-Delbrück-Centrum in Berlin.
Emanuel Wyler forscht am Max-Delbrück-Centrum in Berlin.

© Felix Petermann, MDC

Es gibt etwa gegen Masern Impfstoffe, die eine sterile Immunität erreichen. Warum ist es so schwierig, solche Vakzine zu entwickeln?
Masern vermehren sich in den Blutgefäßen. Im Blut ist es deutlich einfacher eine sterile Immunität zu erzielen, weil dort generell viel mehr Antikörper zirkulieren. Ein Virus, das im Blut ist, hat in der Regel keine Chance, länger unentdeckt zu bleiben. Schleimhäute, wie die der Nase, sind aber nicht so zugänglich für das Immunsystem. Gegen Atemwegsviren wird es deshalb kaum eine wirkliche lebenslange sterile Immunität geben können.

Sie testen einen Lebendimpfstoff, das heißt, es werden abgeschwächte, aber vermehrungsfähige Coronaviren geimpft. Wie verhindern Sie, dass es zu einer Infektion kommt?
Das ist etwas, das man bei Lebendimpfstoffen genau beobachten muss. Wir wissen beispielsweise von einem Lebendimpfstoff gegen Masern, dass es bei etwa fünf Prozent der Geimpften zu einer Infektion mit den Impfmasern kommt. Die Krankheitssymptome sind dann aber viel schwächer als bei einer echten Infektion. Dennoch eignen sich Lebendimpfstoffe deshalb nicht für Menschen mit einer Immunschwäche, beispielsweise nach einer Krebstherapie oder einer Organtransplantation.

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Der Lebendimpfstoff gegen Polio hat vereinzelt Verbreitungen der Impfviren verursacht. Wie groß ist die Gefahr bei den abgeschwächten Coronaviren?
Früher wurden abgeschwächte Lebendimpfstoffe quasi per Zufall im Labor herangezüchtet. Man hat also mitunter jahrelang auf Mutationen gewartet, die ein abgeschwächtes Virus hervorbrachten. Wir haben dagegen den genetischen Code gezielt und systematisch verändert. So wollen wir verhindern, dass abgeschwächte Impfviren in eine aggressivere Variante zurückmutieren.

Dazu haben wir das Erbgut von Sars-Cov-2 an 200 von den 30.000 vorhandenen Positionen verändert. Von diesen 200 müssten vielleicht 150 zurückmutieren, um eine Gefahr darzustellen. Zum Vergleich: Das wären mehr Mutationen als zwischen dem ursprünglichen Virus und Omikron. Es ist extrem unwahrscheinlich, dass das in einem einzigen Menschen passiert.

Bislang nutzen Deutsche Nasensprays häufig, um Erkältungen zu behandeln.
Bislang nutzen Deutsche Nasensprays häufig, um Erkältungen zu behandeln.

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Auch das US-Unternehmen Altimmune hatte mit dem Impfnasenspray „AdCOVID“ vielversprechende Tierversuche durchgeführt. Aber in der Phase-1-Studie haben viele menschliche Probanden nicht auf die Impfung angesprochen.
Altimmune hat bei seinem nasalen Impfstoff auf ein Adenovirus als Träger gesetzt. Es ist also ein Vektorimpfstoff, der wie beim Astrazeneca-Vakzin mit einem Trägervirus das Spike-Protein des Coronavirus in den Körper schleust. Das ist nur ein kleiner Teil des gesamten Erregers. In der Nase hat dieses Prinzip nicht funktioniert, vielleicht weil die Trägerviren die Nasenschleimhaut nicht gut überwinden können, oder weil das Immunsystem nicht genug aktiviert wird. Ein Lebendimpfstoff scheint das besser zu können.

Ihr Impfstoff muss sich noch in groß angelegten Studien mit Menschen als sicher und wirksam erweisen. Wann rechnen Sie mit einer Zulassung?
Der Impfstoff wird sicher noch nicht im nächsten Winter verfügbar sein. Wir gewinnen aber in jedem Fall wichtige Erkenntnisse für die Entwicklung nasaler Impfstoffe, die dann auch gegen andere Atemwegsviren eingesetzt werden könnten.

Gemeinsam mit der Schweizer Firma RocketVax bereiten wir nun die Phase-1-Studie am Menschen vor, die zum Jahreswechsel starten könnte. Anschließend bedarf es aber noch weiterer Studien. Weiter vorangekommen sind die Forscher der US-amerikanischen Firma Codagenix, die Ende des Jahres schon die Phase-3-Daten ihres nasalen Impfstoffs zeigen könnten. Damit wäre es zumindest möglich, dass Codagenix in der ersten Hälfte 2023 eine Marktzulassung bekommt.

Emanuel Wyler forscht am Berliner Max-Delbrück-Zentrum für molekulare Medizin in der Arbeitsgruppe RNA-Biologie und posttranscriptionale Regulation.

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