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Allein mit der Vielfalt. Drei Viertel der deutschen Lehrer haben der Iglu-Studie zufolge keine Helfer.

© Mike Wolff

Förderung in der Grundschule: Lob des Hilfslehrers

Bildungsforscher setzen auf Assistenten im Klassenraum, die Kinder individuell fördern. In England gibt es immer mehr von ihnen, in Deutschland sind sie selten. Vorreiter sind Bayern und Baden-Württemberg.

Fast ein Viertel der Grundschüler in Deutschland müsste im Lesen zusätzlich gefördert werden. Tatsächlich erhalten aber nur gut zehn Prozent der Viertklässler eine Leseförderung. Das hat wie berichtet die internationale Schulstudie Iglu 2011 ergeben, die im Dezember vergangenen Jahres veröffentlicht wurde. Lehrkräfte, die es mit 20 bis 25 Kindern zwischen acht und zehn Jahren aus Familien aus ganz unterschiedlichen sozialen Milieus und Bildungshintergründen zu tun haben, sind mit der individuellen Förderung oft überfordert.

Helfen könnten ihnen zusätzliche Leseexperten oder andere Hilfslehrkräfte, die sich einzelnen Schülern oder kleinen Gruppen widmen. Doch die gibt es in Deutschland zu selten, kritisieren die Iglu-Forscher. Fast 75 Prozent der Lehrer geben an, dass sie keine Hilfe von Fachspezialisten wie etwa Leseexperten bekommen; knapp 66 Prozent können nicht auf zusätzliche Hilfslehrkräfte zurückgreifen. Damit gehört Deutschland in der EU zu den Schlusslichtern.

Anderswo ist das Verhältnis umgekehrt: In England, Finnland, Malta und Portugal stehen in mehr als 70 Prozent der Fälle Hilfslehrer zur Verfügung. Von Lesehelfern und anderen Spezialisten wird in Finnland und Irland nahezu jede Lehrkraft unterstützt, in England und den Niederlanden sind es noch je drei Viertel.

Eine lange Tradition haben Hilfslehrer in England, ein teaching assistant kommt auf zwei reguläre Lehrkräfte. Eine pädagogische Ausbildung brauchen die Assistenten nicht. Die Position gilt vielmehr als idealer Job für nicht berufstätige Elternteile, die sich in der Schule ihrer Kinder engagieren wollen. Sie machen Förderangebote, helfen bei Projekttagen. Vorausgesetzt wird eine gute Schulbildung, ein polizeiliches Führungszeugnis und ehrenamtliche Erfahrungen im Schulbereich. Dann kann das Engagement zu einem guten Zubrot werden; Vollzeitkräfte verdienen umgerechnet bis zu 18 000 Euro im Jahr.

Umstritten ist allerdings, dass die teaching assistants, deren Zahl sich seit der Jahrtausendwende fast verdreifacht hat, mehr und mehr regulären Unterricht übernehmen. Darüber hinaus kürzte die Regierung 2010 Zuschüsse für die Weiterbildung der Assistenten, die dadurch höhere Qualifizierungslevel und eine bessere Bezahlung erreichen können.

Wie Förderlehrer in Bayern und Baden-Württemberg helfen

Mit Bayern und Baden-Württemberg gibt es in Deutschland immerhin zwei Länder, die größere Zahlen von Hilfslehrern in die Schulen bringen. Vorreiter ist Bayern, das seit 1970 Lehrerassistenten ausbildet. Aktuell sind 1600 „Förderlehrer“ an 2400 Grundschulen beschäftigt, heißt es aus dem Schulministerium. Sie unterrichten Kinder mit Förderbedarf in Lesen, Schreiben oder Rechnen in Kleingruppen außerhalb der Klasse. Den Beruf ergreifen können Realschulabgänger und Abiturienten nach einer dreijährigen Ausbildung an den beiden Staatsinstituten für Förderlehrer in Bayreuth und Freising. Bezahlt werden sie dann wie Sozialpädagogen.

Baden-Württemberg hat kürzlich seine seit 2008 im Modellversuch eingesetzten Pädagogischen Assistenten entfristet. 480 Kräfte, die Lehrer im Unterricht unterstützen und Kinder mit Lernproblemen einzeln oder in Gruppen in Deutsch und Mathematik fördern, sind in Grundschulen, Werkreal- und Hauptschulen tätig. Bewerben können sich ausgebildete Lehrer, betriebliche Ausbilder oder Sozialpädagogen. Entlohnt werden sie mit einem Einstiegsgehalt für Erzieher, wobei die meisten in Teilzeit arbeiten.

Eine Evaluation der Pädagogischen Assistenten an Grundschulen im Südwesten vom Februar 2012 zeigte, dass heute mehr Kinder in den Genuss einer größeren Zahl von Förderangeboten kommen, zusätzlich geförderte Schüler konnten ihre Leistungen in Deutsch und Mathematik verbessern, erklärt das Kultusministerium auf Anfrage. Die ganze Klasse profitiere von einer „Verbesserung der Lernatmo sphäre und des sozialen Miteinanders“, insgesamt steige die Motivation.

Berliner Pläne aus den Jahren 2004/2005, Schulassistenten einzuführen, sind dagegen im Sande verlaufen. Dieser Weg sollte Lehramsstudierenden mit einem dreijährigen Bachelorabschluss eröffnet werden. Die Idee, nach internationalem Vorbild Stellen für Pädagogische Assistenten zu schaffen, wurde schon vom damaligen Schulsenator Klaus Böger (SPD) nur halbherzig verfolgt und war auch unter den Unis mit Lehramtsstudiengängen umstritten. Doch ein anderes Projekt, das 2005 startete, ist in Berlin durchaus erfolgreich – die ehrenamtlichen Lesepaten. Mittlerweile engagieren sich über 2000 der geschulten Lesehelfer an 190 Schulen und 92 Kitas.

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