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Gruselig ist die Grabwespen-Brutfürsorge vor allem für Raupen.

© Professor Jeremy Field

Monsterfürsorglich: Grabwespenmütter vergessen nicht

Grabwespen fangen Raupen und verbuddeln sie als lebendigen Nahrungsvorrat für ihre Larven. Gruselig wie im Horrorfilm – und zugleich ein Musterbeispiel mütterlicher Fürsorge.

Patrick Eickemeier
Eine Kolumne von Patrick Eickemeier

Stand:

Die Anzahl meiner Kinder ist überschaubar: zwei. Dennoch kommt es regelmäßig zu lautstarken Beschwerden über die Qualität meiner väterlichen Fürsorge. Etwa, wenn ich vergessen habe, welches Kind letztes Mal einen Keks mehr bekommen hat als das andere, bevor die Packung leer war. Und wer deswegen dieses Mal Anspruch auf einen mehr hat.

Ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie es mit neun Kindern wäre.

Doch es gibt Wesen, genauer: Wespen, die das mit der gerechten, abgezählten und ausgewogenen Nahrungsversorgung so vieler Nachkommen locker meistern. Zumindest irren sie fast nie.

Jeremy Field von der britischen Universität Exeter beschreibt es so: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Miniaturgehirn eines Insekts zu bemerkenswert ausgeklügelten Planungsentscheidungen fähig ist.“

Ein Team um den Ökologen hat Grabwespen untersucht, die in Heidelandschaften leben. Die Weibchen graben Höhlen in den sandigen Boden und gehen dann auf Raupenjagd. Sie lähmen ihr Opfer per Stich, verfrachten es in die Höhle und legen ein Ei auf ihm ab. Die daraus schlüpfende Wespenlarve ernährt sich von der zunächst noch lebenden Raupe.

Die Wespenmutter legt weitere Höhlen an und kehrt erst zwei bis sieben Tage später zurück – eine Zeitspanne, in der ich sämtliche Keksverteilungen in unserem Haushalt sicher vergessen habe.

Will auch nur hungrige Mäuler stopfen: Die Brutfürsorge der mit Grabwespen verwandten Schlupfwespen inspirierte die Schöpfer der Alien-Filmreihe.

© imago images/Prod.DB/Twentieth Century Fox Film Corpo via www.imago-images.de

Bis zu acht Raupen bringen die Wespen zu jedem Kind, bis ihre Fürsorge endet und sich die Larve verpuppt – die menschliche Entsprechung sind hier wohl die WG-Zimmer, die meine Kinder vielleicht einmal beziehen und dann selbst Kekse einkaufen.

Das Team um Field berichtet im Fachjournal „Current Biology“, dass den Wespen kaum Fehler unterlaufen. Selbst wenn eine ihrer Larven stirbt, lassen sie sich nicht aus dem Konzept bringen. Sie legen ein neues Ei und stellen dieses Nest ans Ende der Fütterungsschlange – alles strikt in Altersabfolge. Diese würde übrigens nur die ältere Hälfte meiner Kinder als Verteilungsmuster akzeptieren.

Die Grabwespen ändern es nur, wenn eine Larve einmal eine besonders fette Raupe erhalten hat. Dann rutscht auch sie nach hinten. Field mutmaßt: „Sie können sich in einer Weise daran erinnern, wo, wann und womit sie ihre Jungen gefüttert haben, die selbst für menschliche Gehirne sehr anstrengend wäre.“

Ich kann das nur bestätigen.

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