
© Jakub Klucky
Unverhofft verwandt: Verheiratet mit der eigenen Schwester
Erbgutanalysen sind inzwischen so günstig, dass sie zu Weihnachten und Geburtstagen verschenkt werden. Mitunter fördert das unerwartete Verwandtschaftsverhältnisse zutage.

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Mal passiert es in einer Bar oder auf einer Party, mal im Büro, schon in der Schule oder auch erst im Altersheim: Zwei Menschen finden zueinander. Aber wo auch immer Liebe oder Lust zuschlägt, fast immer bleibt eine gewisse Unsicherheit, ein Restrisiko, über das sich im Eifer des Gefechts wohl kaum jemand Gedanken macht: Was, wenn der frisch aufgerissene Crush die eigene Cousine ist? Oder der Traummann, der viel Ähnlichkeit mit dem eigenen Vater hat, der Halbbruder oder gar Bruder ist?
In Zeiten, als es noch keine Erbguttests gab, flogen solche Verwandtschaftsverhältnisse so gut wie nie auf. Doch inzwischen bieten unzählige Firmen nicht nur erschwingliche Vaterschaftstests, sondern ganze Erbgut- und Verwandtschaftsanalysen an. Dabei stellen sie sogar den Kontakt her zu Kunden in ihren Datenbanken, deren Erbgut 12,5 Prozent (Cousins), zu 25 Prozent (Halbgeschwister) oder gar 50 Prozent (Geschwister) übereinstimmt.
Im US-Bundesstaat Connecticut entdeckte eine heute 40-Jährige infolge eines DNA-Tests bei der inzwischen bankrotten Firma 23andme, dass sie mindestens 22 Halbgeschwister hat, einer davon ihr Freund und Partner in der Highschool. Ein Reproduktionsmediziner hatte sich die Kosten einer Samenbank gespart und immer wieder sein eigenes Sperma verwendet, um ihrer Mutter und anderen Frauen der Region im Zuge einer künstlichen Befruchtung zu Kindern zu verhelfen. Dort ist nun die Wahrscheinlichkeit einer Beziehung unter eng Verwandten entsprechend erhöht. Regulierungen, die das verhindern, gibt es in den Staaten kaum.
In Großbritannien ließ ein Mann untersuchen, ob er seiner erkrankten Frau eine Niere spenden kann. Die Gewebeuntersuchung ergab eine ungewöhnlich hohe Übereinstimmung und ein anschließender DNA-Test zeigte, dass beide Geschwister sind. Das Paar, das zwei Kinder hat, war von der gleichen Mutter zu einer „verdeckten“ Adoption freigegeben worden, bei der die Nachkommen keine Informationen über die Eltern bekommen.
Trotz diverser Horrormythen sind Kinder aus derartigen ungewollt inzestuösen Partnerschaften nicht automatisch krank oder gar „erbkrank“. Sie leben lediglich mit einem etwas erhöhten Risiko, dass ihnen beide Eltern krankmachende Mutationen vererben können, die sich nicht auswirken würden, wenn sie von nur einem Elternteil vererbt werden. In isolierten Gesellschaften, etwa auf Inseln, in Tälern oder durch selbst gewählte Abgeschiedenheit wie bei den Amish, kommt es früher oder später zwangsläufig zu Partnerschaften zwischen nahen Verwandten wie Cousins und Cousinen, was zu einem statistisch erhöhten Vorkommen einiger Erbkrankheiten führt.
Der „Erbonkel“ – Geschichten rund um Gene, jedes Wochenende.
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