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Virologe zum Corona-Ursprung: „Ich bin äußerst skeptisch, dass der BND irgendetwas Sinnvolles gefunden hat.“
Warum hält der BND seine Erkenntnisse zum Ursprung von Sars-CoV-2 geheim? Der britische Forscher David Robertson fordert Transparenz – und zweifelt an der wissenschaftlichen Basis der Einschätzungen.
Stand:
Verfügt der Bundesnachrichtendienst über bislang unbekannte Informationen zum Corona-Ursprung, die die Theorie eines Laborunfalls stützen? Der britische Experte David Robertson glaubt nicht daran: „Ich bin äußerst skeptisch, dass der BND irgendetwas Sinnvolles zu diesem Thema gefunden hat. Aber falls doch, dann wäre es ein echtes Versagen, diese Erkenntnisse nicht mit der internationalen Gemeinschaft, der WHO und anderen zu teilen.“
Robertson ist Professor für Virusgenomik an der University of Glasgow. Mit seinen Aussagen bezieht er sich auf einen Bericht von „Zeit“ und „Süddeutscher Zeitung“, der am Mittwoch veröffentlicht wurde. Demnach kam der BND bereits zu Beginn der Pandemie aufgrund von teilweise unveröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten zu der Einschätzung, dass das Coronavirus durch einen Unfall in einem chinesischen Labor freigesetzt wurde.
Es wäre ein echtes Versagen, Erkenntnisse nicht mit der internationalen Gemeinschaft, der WHO und anderen zu teilen.
Allerdings ist völlig unklar, worin dieses Material besteht und wie der BND zu der Einschätzung kommt. Sie basiert offenbar auf der Expertise eines Sachgebietsleiters, der selbst Virologe ist. Doch wie gut war dessen Expertise?
„Die Entstehung und Entwicklung von Viren ist ein recht technisches Thema, sodass die Nachrichtendienste idealerweise mit Wissenschaftlern zusammenarbeiten sollten, die über das entsprechende Fachwissen verfügen“, sagt Robertson. Das sei notwendig, um sicherzustellen, dass sie die Daten verstehen und wissen, was daraus abgeleitet werden kann. Robertson selbst hat zahlreiche Studien zur Evolution von Coronaviren veröffentlicht und war an internationalen Forschungsarbeiten zur Entstehung von Sars-CoV-2 beteiligt.
Indizien aus Wuhan mit Laborthese schwer vereinbar
Die BND-Materialien wurden lange unter Verschluss gehalten und laut Medienberichten erst ab Dezember 2024 mit einigen ausgewählten Experten geteilt, darunter Christian Drosten und der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lars Schade. Inzwischen hat Drosten gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt, eine Einschätzung der BND-Daten sei ihm nicht möglich, da wesentliche Angaben wie Quelldaten nicht freigegeben worden seien.
Für David Robertson sprechen die öffentlich vorliegenden Erkenntnisse eindeutig für einen natürlichen Ursprung von Sars-CoV-2. „Insbesondere die epidemiologische Verbindung der frühen Covid-19-Fälle mit dem Tiermarkt in Wuhan ist sehr stark“, so der Forscher.
Man wisse, dass es dort lebende Tiere wie Marderhunde gegeben habe, die für dieses Virus empfänglich sind. Umweltproben von dem Markt aus dieser Zeit hätten Sars-CoV-2 enthalten. Zudem würden Analysen des Erbguts darauf hindeuten, dass das Virus gleich zweimal durch Mutationen den Sprung auf den Menschen geschafft haben muss – sogenannte Spillover-Ereignisse. Das lässt sich schwer mit der Theorie eines Laborunfalls vereinen.
„Zusammengenommen ergibt dies eine kohärente Geschichte, die das Auftreten von Sars-CoV-2 in ähnlicher Weise wie das erste Sars-Virus im Jahr 2002 belegt“, sagt Robertson. Es sei wirklich schwer zu erklären, wie all diese Verbindungen zu einem Markt für lebende Tiere bestehen können, wenn ein Labor die Quelle war. Zugleich gibt es nach Ansicht von Robertson keine genetischen Anomalien, die nicht durch natürliche Evolution hätten entstehen können.
Der Virologe sieht ein großes Risiko darin, die Forschung an Coronaviren fälschlicherweise für die Pandemie verantwortlich zu machen. Wenn Forschungsarbeiten zu Spillover-Risiken eingeschränkt würden, dann würde man das sehr reale Risiko von Viren durch den Handel mit lebenden Tieren nicht verstehen.
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