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Symbolbild zur Ausstellung „digitize!“ des Museums für Naturkunde Berlin.

© Museum für Naturkunde Berlin

Vor der Weltnaturkonferenz in Kanada: Naturwissen muss digital frei verfügbar sein

Der Direktor des Museums für Naturkunde Berlin appelliert an die Bundesregierung, im Vorfeld der Weltnaturkonferenz eine Schlüsselfrage zu klären.

Ein Kommentar von Johannes Vogel

Der Klimawandel beeinflusst, wie wir auf der Erde leben. Der Erhalt der Netze des Lebens und der Vielfalt des Lebens entscheidet, ob wir auf der Erde leben können. Ob wir uns diese Chance erhalten, das liegt in den Händen der Menschen, die auf der Weltnaturkonferenz im Dezember in Kanada verhandeln. Eine Umkehr ist möglich, so lautete jetzt die Videobotschaft von Bundeskanzler Olaf Scholz zum Treffen für eine naturverträgliche Welt im Rahmen der 77. UN-Generalversammlung.

Danke für diese starke Botschaft, aber ich füge hinzu: Es gibt auch keine Alternative. Wir haben nur diesen einen Planeten. Er ist unsere Heimat und verbindet alles Leben rund um den Globus, von den Tiefen des Ozeans bis zu den Lüften über den Bergspitzen.

Die Vielfalt der Natur ist für menschliches Leben unerlässlich. Das gilt für unsere Ernährung, für unsere Medizin, für unser körperliches wie seelisches Wohlbefinden. Die biologische Vielfalt ist ebenso unverzichtbar, um die vielfältigen Gefahren des Klimawandels zu bewältigen.

So sind Städte, die dank guter Böden und viel Grün Regen aufsaugen wie ein Schwamm und das Wasser bei Trockenheit etwa an Stadtbäume wieder abgeben, gewappnet für die häufiger auftretenden Extremwetterereignisse. Zugleich bieten sie mitten in den Städten grüne Oasen, die den Tieren ebenso wie der Atemluft und der Seele guttun.

Johannes Vogel, Generaldirektor des Berliner Museums für Naturkunde und Professor für Biodiversität und Wissenschaftsdialog an der Humboldt-Universität.
Johannes Vogel, Generaldirektor des Berliner Museums für Naturkunde und Professor für Biodiversität und Wissenschaftsdialog an der Humboldt-Universität.

© Christoph Soeder/dpa

Naturbasierte Lösungen sind der Schlüssel für die Tür in die planetare Zukunft. Dieser Schlüssel kann nur von Menschen unterschiedlichster Herkünfte gestaltet werden. Das ist unsere Erfahrung im Museum für Naturkunde Berlin. Und wir werden unsere Anstrengungen verstärken, um mit mehr Menschen aktiv ins Gespräch zu kommen. Beispielsweise in Forschungsvorhaben, an denen sie mitwirken, in Veranstaltungen, die sie mitgestalten, in Bildungsangeboten in Berlin, die mit Partner:innen realisiert werden – oder in nationalen und internationalen Netzwerken.

Unser Motto „Für Natur“ heißt auch: Wir werden unsere Werte neu denken müssen. In dem Punkt möchten wir unsere Regierung ermutigen, tiefer zu denken. Wir brauchen die Energie des offenen Miteinanders, um gemeinsam unsere Gesellschaften Für Natur zu verändern.

Infektionskrankheiten können durch ein zeitnahes Teilen von frei verfügbaren Daten der Erreger global verfolgt und bekämpft werden, Varianten schnell entdeckt werden.

Johannes Vogel

Und wir möchten den Kanzler ermutigen, ein aktiver Treiber eines wirksamen globalen Abkommens zum Schutz der Natur zu sein, das von der Konferenz in Kanada erwartet wird. Die Bundesregierung muss eine der Schlüsselfragen des Abkommens lösen, damit die Vielfalt des Lebens nachhaltig geschützt, überwacht und erforscht werden kann. Dann sprudelt die Natur als Quelle für naturbasierte Lösungen.

Es geht auch um digitale Werkzeuge. Die Daten kurzer Abschnitte des Erbgutes von Mikroorganismen, Pflanzen, Pilzen und Tieren, sogenannte Digitale Sequenz Informationen (DSI), sind in offen zugänglichen digitalen Datenbanken gespeichert. In diesen „digitalen Bibliotheken“ können Forschende stöbern. Wie wichtig der freie offene Zugang ist, hat sich erneut gerade in der Pandemie gezeigt.

Infektionskrankheiten können durch ein zeitnahes Teilen von frei verfügbaren Daten der Erreger global verfolgt und bekämpft werden, Varianten schnell entdeckt werden. Doch einige Länder drängen auf Zugangskontrollen und Bürokratie, eine schlimme Kombination, die freie und relevante Forschung um beispielsweise Covid zu bekämpfen, verhindern würde.

Zusätzlich werden die meisten Vorschläge, die derzeit auf dem Tisch liegen, die bestehenden Ungerechtigkeiten bei der Nutzung der Daten nicht verringern, sondern eher noch verstärken. Gerade weil diesen digitalen Werkzeugen eine wichtige Rolle für die Gesundheit der Menschheit und der nachhaltigen Entwicklung zukommt, muss der Zugang offen und frei bleiben. Ärmere Länder müssen gezielt unterstützt werden, damit sie mehr von der weltweiten Dateninfrastruktur profitieren können. Hier ist die Bundesregierung, ist der Kanzler gefragt.

Wir haben die Chance, wissensbasiert, in Demokratie und Freiheit eine gemeinsam eine lebenserhaltende Zivilisation aufzubauen. Nutzen wir sie!

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