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Schule im Coronamodus.

© REUTERS/Wolfgang Rattay

Was spricht gegen den Hybridunterricht?: Die wichtigsten Fragen und Antworten zu schärferen Schul-Maßnahmen

Die Länder haben neue Corona-Regeln für Schulen blockiert. Wie ist die Lage aktuell - und wie kann sie verbessert werden?

Wie es in den Schulen weitergeht – diese Frage hat zu heftigem Streit zwischen Bund und Ländern geführt. Der Bund wollte klare Verschärfungen: den Regelbetrieb aufheben und alle Klassen teilen, um das Ansteckungsrisiko zu reduzieren.

Als „unverhältnismäßig“ kritisiert das Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern. Jetzt soll es erst mal beim Regelbetrieb bleiben. Lehrer, Eltern und Schüler sind aber weiter alarmiert und verunsichert - denn viele Fragen sind offener denn je. Schon beim nächsten Treffen von Kanzlerin und Ministerpräsidenten soll das Thema wieder auf der Tagesordnung stehen.

Wie ist die Infektionslage an den Schulen?

In Berlin waren in der vergangenen Woche 16 .727 Schülerinnen und Schülerinnen in Quarantäne, das sind 3,7 Prozent der Schülerschaft. Das geht aus Zahlen der Kultusministerkonferenz (KMK) hervor, die dem Tagesspiegel vorliegen.

Die Bildungsverwaltung hat diese Zahlen bislang nie öffentlich genannt, allein der Bezirk Neukölln kommuniziert, wie viele Schüler in Quarantäne sind.

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Mit dem Coronavirus infiziert sind 1277 Schüler sowie 353 Lehrkräfte. Wie viele Berliner Lehrkräfte derzeit in Quarantäne sind, geht aus der Erhebung nicht hervor. „Teilschließungen“ – also das Schließen von einzelnen oder mehreren Klassen – gab es an 280 Schulen: Das betrifft mehr als ein Drittel aller Schulen in Berlin .

Bundesweit waren knapp 200.000 der insgesamt 8,33 Millionen Schülerinnen und Schüler in Quarantäne, außerdem rund 13.000 Lehrkräfte. Stichtag der Erhebung war der 12. November.

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Welche Bezirke sind besonders betroffen?

Im Groben spiegelt das Infektionsgeschehen an den Schulen das in der Stadt wider: Die Innenstadt ist mehr betroffen als Außenbezirke.

Auffällig ist, dass Neukölln an seinen Schulen das größte Problem hat: 100 Lerngruppen waren dort am Freitag an allgemeinbildenden Schulen geschlossen. Es folgen Mitte (82), Marzahn-Hellersdorf (70) und Reinickendorf (69). In Neukölln meldeten zwei Drittel der Schulen Infektionen, fast zehn Prozent der Schüler waren in Quarantäne. Am entspanntesten ist die Lage in Steglitz-Zehlendorf und in Lichtenberg mit 16 und 17 geschlossenen Lerngruppen.

Deutlich wird aus den Zahlen: Sekundarschulen und Grundschulen müssen doppelt so häufig Klassen nach Hause schicken wie Gymnasien. Das könnte den Schluss zulassen, dass Infektionen und Schließungen eher Schulen mit einem höheren Anteil von Kindern aus weniger privilegierten Familien treffen.

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Welche Maßnahmen könnten jetzt helfen?

Richtungspfeile auf dem Boden, damit Schüler sich auf den Fluren nicht zu nahe kommen, die Anschaffung von CO2-Messgeräten zur Feststellung ausreichender Lüftung, Maskenpflicht auf den Fluren und in den älteren Jahrgängen sowie getrennte feste Lerngruppen mit dem Verzicht auf Arbeitsgemeinschaften oder Wahlpflichtunterricht haben die Infektionsgefahr möglicherweise noch nicht ausreichend gesenkt. 

Berlin weitet deshalb jetzt die Maskenpflicht weiter aus. Zudem soll ab Mittwoch der Unterricht zeitversetzt beginnen, damit sich nicht alle Schüler und Schülerinnen früh morgens in den öffentlichen Verkehrsmitteln treffen.

Luftreinigungsgeräte können die Virenkonzentration vermindern – ihre flächendeckende Anschaffung ist aber nicht vorgesehen. Wirtschaftsminister Altmaier hat vorgeschlagen, Schulen könnten Räume in Gaststätten, Hotels und Kultureinrichtungen nutzen, um die Abstandsregeln besser einhalten zu können. Diskutiert wird auch, Nebenfächer zu streichen und ihre Lehrkräfte in Hauptfächern einzusetzen, um darin allen Schülern durchgehend Präsenzunterricht anzubieten.

Aus Angst vor Ansteckungen versuchen immer mehr Schulen, ihre Klassen zu halbieren und so für das gemeinsame Lernen mehr Platz und Abstand zu schaffen. So wollte die Reinhold-Burger- Schule in Pankow den Unterricht auf den Vor- und Nachmittag strecken, damit alle Schüler an jedem Tag zumindest 3,5 Stunden Präsenzunterricht haben. 

Der Rest sollte durch „schulisch angeleitetes Lernen zu Hause“ (saLzH) geleistet werden. Damit hatten Schulen im Frühjahr gute Erfahrungen gemacht. Dennoch verbot der Senat solche Konzepte, in Berlin wurden nur einige wenige Versuche genehmigt. Eine Erlaubnis bekam das Neuköllner Ernst-Abbe-Gymnasium, das wegen vieler Infektionen schon ganz geschlossen war.

Was spricht gegen den Hybrid-Unterricht?

Zu den Erfahrungen des großen Lockdowns im Frühjahr gehört, dass Schüler „verloren“ gingen: Sie lieferten keine Hausaufgaben mehr ab, auch die Sprachfertigkeiten ließen rapide nach. 

Die Kultusminister haben daraus gelernt, dass sie einen abermaligen Lockdown unbedingt vermeiden wollten. Selbst hybriden Unterricht lehnen sie ab, bei dem immer nur die Hälfte der Schüler in der Schule wäre.

Es hat sich auch gezeigt, dass mit Programmen wie den Lernbrücken und Sommerschulen nur ein Bruchteil des Versäumten aufzuholen ist. Die politische Angst, dass sich die soziale Schere durch die Reduzierung des Präsenzunterrichts weiter öffnet, ist so groß, dass selbst Schulen, die gute Hybrid-Konzepte vorlegten, dieser Weg verboten wurde. 

So untersagte auch Nordrhein-Westfalen der Stadt Solingen explizit, auf geteilte Klassen umzustellen – stattdessen wurden dort wie anderswo auch die Quarantänebestimmungen sogar gelockert.

Wie groß sind die Lernrückstände schon?

Welcher Stoff im Fernunterricht vermittelt wurde, haben Lehrkräfte nur teilweise dokumentiert. Und bei Weitem nicht alle Schulen haben den Lernstand nach den Sommerferien getestet. Bundesweit zusammengeführt wurden die Ergebnisse schon gar nicht, wie die KMK bestätigt.

Aus Brandenburg hieß es im Oktober, die meisten Schulen hätten „keine Probleme für das Erreichen der Bildungsziele angezeigt“. Eine Studie der Uni Oxford für die Niederlande zeigt allerdings: Bei Grundschülern, die im Frühjahr acht Wochen zu Hause unterrichtet wurden, entsprach der Lernverlust exakt diesem Zeitraum – besonders groß war er bei Kindern aus bildungsfernen Haushalten.

„Ich gehe davon aus, dass die Lage in Deutschland sogar noch schlechter ist“, sagt der Bildungsökonom Ludger Wößmann vom Ifo-Institut in München, denn der Stand der Digitalisierung sei hier geringer. Die Schulpolitik habe im Sommer eine klare Anweisung versäumt, sofort jeden Schüler online zu beschulen, der in Quarantäne muss – damit „wäre man jetzt besser auf weiträumige Schulschließungen vorbereitet“.

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