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Ein Gesundheitsmitarbeiter wird in Beni in der Demokratischen Republik Kongo dekontaminiert.

© REUTERS/Zohra Bensemra

Warnung per Push-Nachricht: Wie eine Smartphone-App aus Deutschland vor Ebola schützen soll

Wer früh behandelt wird, hat bessere Chancen die Krankheit zu überleben. Die „Ebolapp“ aus Leipzig soll Infizierte schneller aufspüren.

Meist beginnt es wie ein grippaler Infekt. Die Körpertemperatur ist leicht erhöht, die Glieder schmerzen, man fühlt sich elend. Innerhalb von Tagen können Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall dazu kommen. Wer sich bis dahin nicht in Behandlung begibt, bei dem entfaltet das Ebolavirus oft seine tödliche Wirkung.

Beim aktuellen Ausbruch im Osten der Demokratischen Republik Kongo sterben zwei von drei Menschen, die an der Seuche erkranken. Dabei gibt es mittlerweile nicht nur einen Impfstoff, sondern auch zwei Antikörper-Präparate, die derzeit erfolgreich getestet werden. Je eher die Patienten behandelt werden, desto größer sind ihre Chancen, Ebola zu überleben. Dazu könnte bald ein in Sachsen entwickeltes Smartphone-Programm beitragen. Die "Ebolapp" soll dabei helfen, Kontaktpersonen von Infizierten schneller ausfindig zu machen, sie zu warnen und dazu zu bringen, sich in Therapie zu begeben – und so Leben retten.

Die App erklärt auch, woran man die Krankheit erkennen kann.
Die App erklärt auch, woran man die Krankheit erkennen kann.

© Ebolapp.org

"Eines der größten Probleme bei einem Ausbruch ist, an die Menschen heranzukommen", sagt Thomas Grünewald, Leiter des Behandlungszentrums für hochansteckende Erkrankungen am Klinikum St. Georg in Leipzig. Der Mediziner hat die Entwicklung der App in den vergangenen fünf Jahren fachlich begleitet. Besonders schwierig sei die Lage, wenn die Infrastruktur schlecht ist und es zusätzliche Probleme wie die instabile politische Situation im Osten des Kongo gibt, wo immer noch Bürgerkrieg herrscht.

Zwar versuchen Mitarbeiter von Hilfsorganisationen vor Ort, mögliche Übertragungswege von Ebola nachzuvollziehen. Aber immer wieder werden sie mit Gewalt an ihrer Arbeit gehindert. Zudem sei die Bevölkerung oft misstrauisch, sagt Grünewald. "Viele denken, dass man ihnen bei Ebola sowieso nicht helfen kann." Dem könne man begegnen, wenn man eine sehr frühe Prävention anbiete: "Damit die Menschen sehen, dass das funktioniert."

Die Warnung kommt direkt auf den Bildschirm

Hier kommt die Ebolapp ins Spiel. Einmal auf dem Smartphone installiert, zeichnet sie auf , wo sich der Benutzer gerade befindet. Kommen sich zwei Personen nahe, die beide die App installiert haben, registriert die Software das per Bluetooth. Sobald sie sich für eine gewisse Zeit im Umkreis von fünf Metern aufhalten, wird diese Begegnung auf beiden Handys lokal gespeichert.

Begibt sich nun einer der Nutzer wegen Fieber oder anderen Symptomen zu einem Arzt, kann dieser – wenn er registriert ist – die Daten auslesen. Bestätigt der Mediziner, dass es sich um Ebola handelt, gibt er sein Okay, dass das Bewegungsprofil des Erkrankten pseudonymisiert an einen Server in Deutschland weitergeleitet wird. Dieser gleicht es mit den Daten derjenigen App-Nutzer ab, die dem Infizierten in den vergangenen Tagen nahe gekommen sind – und sich somit angesteckt haben könnten.

Eine Warnung kommt direkt auf den Bildschirm
Eine Warnung kommt direkt auf den Bildschirm

© Ebolapp.org

Sie bekommen dann automatisch eine Warnung auf ihr Smartphone, mit dem dringenden Hinweis, schnell einen Arzt aufzusuchen. "Je eher die Menschen geimpft werden, desto besser wirkt die Immunisierung", sagt Thomas Grünewald. Besonders gut sei der Effekt des – immer noch nicht offiziell zugelassenen – Impfstoffs in den ersten Tagen nach der Infektion.

"In Afrika hat fast jeder ein Smartphone"

Die Idee mit der App kam Michael Kölsch, Honorarkonsul der Republik Liberia in Leipzig, während der verheerenden Ebola-Epidemie in Westafrika 2014, bei der mehr als 11.000 Menschen starben. In Kooperation mit dem Verein Freunde Liberias war er damals unter den Ersten, die Ärzte aus Deutschland in die Region schickten. Und noch etwas fiel ihm ein: "Da in Afrika fast jeder ein Mobiltelefon hat, könnte man die Technik doch vielleicht dazu verwenden, möglichst frühzeitig Menschen zu warnen, die mit Infizierten in Kontakt gekommen sind", sagt Kölsch.

Der Infektiologe Thomas Grünewald.
Der Infektiologe Thomas Grünewald.

© Klinikum St. Georg gGmbH Leipzig

Damals glaubte er noch, man könne die Ebolapp so schnell entwickeln, dass man sie noch während des Ausbruchs in Westafrika einsetzen könnte. "Doch dann wurde mir bewusst, dass das ein Riesenprojekt ist", sagt Kölsch. Schnell fanden sich jedoch Unterstützer, die das Projekt mit Spenden finanzierten. Programmiert hat die Software eine Leipziger Firma, auch mit viel ehrenamtlichem Einsatz, wie der Chef Alexander Stinka sagt.

Nach fünf Jahren ist die App nun fast fertig. Ein erster Testlauf an der Leipziger Klinik von Thomas Grünewald sei erfolgreich verlaufen. Mit Hilfe von Pflegekräften und Ärzten, die die App installierten, untersuchten die Entwickler, ob die App erkennt, wenn sich andere Nutzer in der Nähe befinden. "Das hat zum Großteil sehr gut funktioniert", sagt Grünewald.

Nach dem Test soll die WHO von der App erfahren

Der wichtigste Test aber steht noch bevor. Anfang Dezember soll ein Team aus Leipzig nach Monrovia reisen, in die Hauptstadt Liberias. Am dortigen John F. Kennedy Medical Center soll die App ihren Nutzen beweisen. Testpersonen werden als Ärzte, Gesunde oder Kranke klassifiziert und gekennzeichnet. Im Verlauf der Testphase sollen sich die "Kranken" dann an unterschiedlichen Tagen als krank zu erkennen geben und sich bei den "Ärzten" melden.

Jeder Kontakt zwischen "Kranken" und "Gesunden" wird von Beobachtern schriftlich festgehalten: Wann, wo und wie lange hielten sich die Personen in unmittelbarer Nähe auf? Anschließend werden diese handschriftlichen Protokolle mit den Daten der App verglichen, die auf den Smartphones aller Testpersonen die ganze Zeit mitläuft. "Wir brauchen den Nachweis, dass durch die App mehr Kontaktpersonen gefunden werden als durch die analoge Aufzeichnung", sagt Grünewald.

Erst wenn der Test ausgewertet und veröffentlicht ist, wollen die Leipziger die Ebolapp der Weltgesundheitsorganisation WHO vorstellen. Nur so könne das Ziel erreicht werden, die App tatsächlich im Feld einzusetzen.

Michael Kölsch
Michael Kölsch

© Eric Kemnitz

Aber selbst wenn die App technisch tadellos funktioniert: Sie bringt nur einen Vorteil, wenn möglichst viele Menschen sie auf ihrem Handy installiert und im Hintergrund aktiviert haben. Zwar besitzt in vielen afrikanischen Staaten der überwiegende Teil der Bevölkerung ein Smartphone. Darauf verlassen, dass sie die App installieren, könne man sich aber nicht, sagt Grünewald. Deshalb hält er eine zentrale Installation der App – etwa durch die Mobilfunkunternehmen – für sinnvoll. So könnte sie standardmäßig auf jedes Handy aufgespielt werden. Das wiederum funktioniere aber nur, wenn es gelingt, Regierungen und Gesundheitsbehörden einzubeziehen. 

Für Liberia gibt es aufgrund der guten Kontakte von Michael Kölsch bereits eine Vereinbarung: Wenn die App fertig ist, soll der westafrikanische Staat sie kostenlos bekommen. Die Kosten für den Betrieb und die Verwaltung der App – vor allem die Registrierung der Ärzte – schätzt Kölsch auf etwa 200.000 Euro jährlich. Er ist zuversichtlich, dass es weitere finanzielle Unterstützung aus dem Bereich der internationalen Entwicklungszusammenarbeit geben wird. Auch Kölschs Kollege, der Honorarkonsul der Demokratischen Republik Kongo in Leipzig, hat bereits Interesse an der Ebolapp bekundet. Er könnte dann die Verbindung zu den Offiziellen im Land herstellen.

Wichtig wird am Ende jedoch sein, ob auch die Bevölkerung bereit ist, die App zu nutzen. Der Mediziner Grünewald hält das für möglich. Auch weil die Menschen in Afrika generell ein höheres Zutrauen in die mobile Kommunikation hätten. "Viele nutzen das Handy zum Beispiel, um Bankgeschäfte zu erledigen", sagt Grünewald. "So etwas hat dort eine ganz andere Akzeptanz als in Europa."

Ob das auch für die Ebolapp gilt, bleibt abzuwarten. Die Idee ist jedenfalls, dass das Programm nicht nur Personen warnt, die sich in der Nähe von Infizierten aufgehalten haben. Sie soll auch eine Art Infoportal für die Bevölkerung sein. So soll sie zum Beispiel in Wort und Bild erklären, wie Ebola verläuft, wie man Symptome erkennt, sich im Falle einer Erkrankung verhält und wo das nächste Krankenhaus ist: All diese Informationen stehen in verschiedenen Sprachen zur Verfügung und werden auf Wunsch auch vorgelesen, da viele Menschen Analphabeten sind.

Einsatz auch gegen andere Krankheiten möglich

Thomas Grünewald denkt indes schon weiter: "Wenn die App funktioniert, wäre sie eine Vorlage für andere Infektionskrankheiten, die wie Ebola viele Menschen in kurzer Zeit betreffen können." Etwa eine Grippe-Epidemie, das schwere Atemnotsyndrom SARS oder die Masern, an denen weltweit jedes Jahr mehr als 100.000 Menschen sterben. Auch in so einem Fall wäre es besonders wichtig, möglichst früh viele Kontaktpersonen auszumachen.

Funktioniert die Ebolapp zuverlässig, könnte sie sich aber erst einmal im Kongo beweisen. Angesichts dessen, dass der Ausbruch im Osten des Landes nach wie vor nicht unter Kontrolle ist und sich theoretisch auch auf die Nachbarstaaten Uganda und Ruanda ausbreiten könnte, können die Kräfte vor Ort jede Unterstützung gebrauchen.

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