
© Taylor Hermes
Wie übertrug sich die Pest?: Archäologen lösen an uraltem Schafszahn ein Rätsel aus der Bronzezeit
Schon Viehhirten in der Bronzezeit starben an der Pest. Doch mit Ratten, den üblichen Überträgern, hatten sie kaum Kontakt. Forscher konnten nun klären, warum sich diese trotzdem infizierten.
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Kürzlich erkrankte ein Camper in Kalifornien an der Pest. Vermutlich hatte ihn ein Floh gebissen, der das Bakterium wohl zuvor aus infizierten Wildtieren aufgenommen hatte. Vor 4000 Jahren spielten die blutsaugenden Insekten aber offenbar keine Rolle bei der Übertragung der Krankheit. Das fand nun ein Forschungsteam unter Berliner Führung heraus.
Stattdessen scheint zu dieser Zeit die Viehhaltung bei der Ausbreitung der Pest wichtiger gewesen zu sein. Das fand das internationale Team anhand eines Schafszahnes heraus, der die Jahrtausende im Boden der Siedlung „Arkaim“ überdauerte. Die bronzezeitliche Wohnanlage von Viehhirten liegt im heute russischen Teil der Uralsteppe.
Vorab gab es nur Spekulationen, inwieweit andere Arten an der Übertragung beteiligt sind.
Studienleiter Felix Key
Genome des Pesterregers Yersinia pestis seien bisher ausschließlich aus menschlichen archäologischen Funden rekonstruiert worden, sagt Studienleiter Felix Key. Er forscht am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie. „Vorab gab es nur Spekulationen, inwieweit andere Arten an der Übertragung beteiligt sind.“
Die Weidetiere könnten der Pest als „Brückenwirt“ gedient haben, schreiben er und seine Kollegen jetzt in der Fachzeitschrift „Cell“. Ihre genetischen Analysen zeigen: Der Erreger in Mensch und Schaf war extrem ähnlich – und gilt heute als ausgestorben.
Damit unterscheidet er sich auch von der Krankheit, die im 14. Jahrhundert ein Drittel der europäischen Bevölkerung auslöschte. Ratten hatten infizierte Flöhe in die Häuser der Menschen getragen und so eine der tödlichsten Epidemien der Menschheitsgeschichte ausgelöst. Diese Strategie des Mikroorganismus war so „erfolgreich“, dass die urtümliche Linie verdrängt wurde, spekuliert Key.
Der älteren Erreger-Variante fehlten vor allem die Gene, um im Floh zu überleben. Insbesondere das Gen namens „Ymt“, das das Bakterium im Flohdarm vor Verdauung schützt, ist im Genom der alten Stämme, die sich im Schafszahn fanden, nicht vorhanden. Erst später hat sich der Keim diese Eigenschaft von einer anderen Bakterienspezies geholt, erklärt Key. Von welcher, sei unbekannt.
Schafe knabbern an Kadavern
Auch die Angehörigen der Sintashta-Petrovka-Kultur, von deren Siedlung die Überreste des Schafes stammen, lebten von der Zucht von Nutztieren wie Schafen, Rindern und Pferden. Sie unterhielten keine Getreidelager, die Ratten und deren Flöhe angezogen hätten. Diese Infektionsquelle für die Pest war bei ihnen also nicht gegeben.
Vielleicht hatte sich das Vieh auf den Steppenweiden durch Kontakt mit toten Wildtieren angesteckt, vermuten die Forschenden. Heute sind Fälle von aus Zentralasien bekannt, wo Schafe an Kadavern verendeter Murmeltiere geleckt oder geknabbert haben und sich so mit der Pest infizierten. Von dort ist es dann nur ein kleiner Schritt zu den Menschen, die die Schafe schlachten und verzehren.

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Unbekannt ist weiterhin, welche Tierart vor Urzeiten den Erreger ursprünglich als „Reservoir“ in sich trugen und ans Nutzvieh weitergab. Key vermutet Nagetiere, die auch heute das Bakterium beherbergen. Es könnten laut den Wissenschaftlern auch Zugvögel gewesen sein, die das Bakterium über weite Strecken verbreiten konnten. Die bronzezeitliche Pest trat nämlich immer wieder in ganz Eurasien auf – von Westeuropa bis in die Mongolei.
Ungehobener genetischer Schatz
Die Suche nach Krankheitserregern in alten Tierresten steht noch am Anfang, sagt Key. Bisher lag der Fokus auf menschlichen Knochen – „im Interesse daran, die Geschichte des Menschen, sprich das menschliche Genom und das von unseren ausgestorbenen nahen Verwandten, den Neandertalern, besser zu verstehen“.

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Erst vor etwa zwei Jahren habe man damit begonnen, systematisch uralte Keime in Tierknochen zu analysieren. Ausgrabungen können Zehntausende solcher Gebeine zutage fördern. An Material mangelt es nicht: Fundstücke früherer Erkundungen warten in Archiven auf ihre weitere Untersuchung.
Dass in dem Zahn DNA-Stücke des Pestkeims gefunden wurden, nennt der Forscher einen Glücksfall. Einerseits seien nur gesunde Tiere geschlachtet worden, sagt Key. Anderseits wurden sie nicht bestattet: „Die Tiere, oft auch ganze Köpfe, wurden gekocht.“ Die Reste wurden nach dem Mahl oft in die Umgebung geworfen.
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