
© Frederic Schweizer/promo
„Ängste, Sorgen, viele Fragen“: Hier ist der Weihnachtsbrief einer Berliner Pfarrerin
Im Tagesspiegel schreibt die Chefin des evangelischen Johannesstifts ihre Weihnachtsansprache und erklärt, was diesen Spandauer Ort so besonders und wichtig macht und was 2026 geplant ist.
Stand:
Es ist eine kleine Tradition im Tagesspiegel: In der Weihnachtsausgabe des Spandau-Newsletters schreibt jedes Jahr eine Pfarrerin oder ein Pfarrer aus Spandau an die Leserinnen und Leser. In diesem Jahr konnte der Spandau-Newsletter Anne Hanhörster gewinnen. Sie ist seit 2020 die Pfarrerin und Stiftsvorsteherin im evangelischen Johannesstift in Berlin-Spandau.
Auf dem riesigen Gelände befinden sich neben der prächtigen Kirche auch ein großes Krankenhaus, ein guter Buchladen, viele Cafés, eine Gärtnerei, eine beliebte Schule, ein Schwimmbad, ein Hotel und auch Spandaus einzige Hochschule mit Mensa und Studenten-WGs.
Die Weihnachtsbrief 2025 der Pfarrerin
Ich liebe diesen Blick, wenn jemand zum ersten Mal das Johannesstift betritt. Meist bleibt die Person kurz stehen und staunt. Dann wird das Handy gezückt und ein Foto gemacht – weil das Johannesstift sofort in seinen Bann zieht.
Es strahlt eine besondere Atmosphäre aus mit seinen schönen alten Backsteinhäusern, dem Parkgelände mit den vielen Bäumen und mittendrin unsere Stiftskirche. Besonders jetzt vor Weihnachten bietet es einen malerischen Anblick.

© André Görke
Aus den Fenstern der Wohngruppen leuchten Sterne und Lichterketten, ein imposanter Weihnachtsbaum schmückt den Kirchplatz und jeden Tag brennt eine weitere Kerze am großen Adventskranz in der Kirche, der nicht 4, sondern ganze 25 Kerzen hat.
Im Café „Gartenlaube“ duftet es nach selbstgebackenen Keksen und frischem Kaffee. Im inklusiven CaféIN wird man liebevoll bewirtet von Menschen mit Assistenzbedarf. Geflüchtete aus der Ukraine kochen hier Spezialitäten aus der Heimat.
Die Jugendhilfe lädt an ihre kleine Hütte „Stifti“ vor der Stiftskirche ein zu warmem Punsch und Leckereien. Zum Taschenlampenkonzert im Rosengarten erwarten wir Groß und Klein und beim Christmas Rock der Kulturmolkerei im Festsaal hält es niemanden auf den Stühlen.
Unser Kinderchor sang zum Advent im Bundestag. Das konnten die Abgeordneten richtig gut gebrauchen.
Pfarrerin Anne Hanhörster
Manchmal könnte man meinen, das Johannesstift sei eine kleine, heile Welt. Täglich strömen die unterschiedlichsten Menschen herein zum Arbeiten, Lernen, um ihre Angehörigen zu besuchen, eine Hilfeleistung zu bekommen, ein Buch zu kaufen oder um etwas Ruhe zu finden. Sie kommen mit ihren Sorgen, Ängsten und Fragen zu uns.

© promo/ev. Johannesstift Berlin-Spandau
Und trotz aller Idylle und Besonderheit, wissen auch wir ganz gut, was die Gesellschaft umtreibt.
Aus diesem Grund strömen jeden Tag auch zahlreiche Menschen aus dem Johannesstift heraus und tragen ihre besonderen Fähigkeiten zu all jenen Menschen, die Zuwendung brauchen.
So zum Beispiel die Kolleginnen unseres Projekts LeNa, was für „Lebendige Nachbarschaft“ steht. Sie sorgen dafür, dass Ehrenamtliche ältere Menschen aus der Einsamkeit holen. Oder der ambulante Pflegedienst, der jeden Tag zahlreiche Personen mit Pflegebedarf in ihrem Zuhause versorgt. Unser Kinderchor, der, wie jedes Jahr, im Bundestag war und dort den Advent bei den Abgeordneten eingeläutet bzw. eingesungen hat. Konnten sie gerade richtig gut gebrauchen, hatten wir den Eindruck. Und noch viele andere mehr.
Klare Werte in der Gemeinschaft
Wir positionieren uns mit unseren Werten. Gerade jetzt in der Weihnachtszeit. Kinder sollen in geschützten Räumen groß werden, Geflüchtete eine Chance auf Bildung, Arbeit und ein gewaltfreies Leben bekommen. Einsame sollen Gemeinschaft erleben und Kranke bestmöglich medizinisch und pflegerisch versorgt werden. Wir fördern die Selbständigkeit durch inklusive Betriebe und ermöglichen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für jeden Menschen.
2025 – wir blicken zurück auf ein turbulentes Jahr mit Höhen und Tiefen. Im Juni blieb auch die kleine Welt des Johannesstifts von Sturmtief „Ziros“ nicht verschont und über 68 Bäume auf dem gesamten Gelände wurden zerstört. Das hat uns sehr traurig gemacht. Doch wie heißt es sprichwörtlich? „Nach jedem Sturm kommt ein Regenbogen.“
Und so konnten wir dank einer starken Gemeinde, die mit zahlreichen helfenden Händen fest zusammenhielt, schnell wieder zurück in den Alltag finden. Zurück in unsere besondere Welt mit all ihren bunten Veranstaltungen, wie zum Beispiel dem Erntedankfest, bei dem uns in diesem Jahr 24.000 Menschen besuchten.
Seit April lädt das barrierefreie CaféIN ein zum Verweilen oder Shoppen im kleinen Ableger VintageIN und im Herbst wurde das Wichernkrankenhaus um 44 Betten in der Alterstraumatologie und Palliativmedizin erweitert.

© André Görke
Doch das Jahresende steht nicht nur im Zeichen der Adventszeit, sondern wir feiern, wie jedes Jahr im Dezember, den internationalen Tag des Ehrenamts und damit all die großartigen Menschen, die mit Ihrem freiwilligen Engagement so viel bewegen. Die Auszeichnung unserer ehrenamtlichen Kollegin Regine mit der Spandauer Ehrennadel durch den Spandauer Bezirksbürgermeister Frank Bewig hat uns sehr gefreut.
Blick nach vorn – auch auf die Fußball-WM 2026
Zuversichtlich blicken wir auf das neue Jahr, denn Sie wissen ja: Nach der Weihnachtszeit ist vor der Weihnachtszeit. So möchte ich Ihnen im neuen Jahr neben unseren „Klassikern“, den Run of Spirit zu Pfingsten, das große Erntedankfest oder den Adventsmarkt auch ein paar neue Ideen ans Herz legen.
So freuen wir uns zu Jahresbeginn auf das große Oratorium „Elias“ in der Stiftskirche, wollen am internationalen Frauentag Frauen zu Wort kommen lassen und planen bereits Public Viewing Erlebnisse für die Fußball-WM im kommenden Sommer. Aber das ist erst der Anfang…
In diesem Sinne grüße ich Sie herzlich, wünsche Ihnen ein gesegnetes friedvolles Weihnachtsfest und ein gutes, gesundes Neues Jahr. Ihre Anne Hanhörster, Pfarrerin und Stiftsvorsteherin.
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