
© Dominik Lenze
„Abbruch auch nach Vergewaltigung nicht in Ordnung“: Rund 2200 Abtreibungsgegner gehen beim „Marsch für das Leben“ in Berlin auf die Straße
In Berlin und Köln findet am Samstag der „Marsch für das Leben“ statt. Tausende Abtreibungsgegner sind für die Kundgebungen angemeldet. Auch Gegendemonstranten waren unterwegs.
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In Berlin und Köln veranstalteten am Samstag Abtreibungsgegner wieder den „Marsch für das Leben“. Die Demonstrationen starteten an zentralen Plätzen beider Städte um 13 Uhr, in Berlin auf dem Washingtonplatz vor dem Hauptbahnhof. Wie die Polizei dem Tagesspiegel mitteilte, waren rund 2200 Menschen vor Ort, angemeldet waren 5000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Bei einem angemeldeten Gegenprotest kamen 220 Menschen zusammen. In Köln demonstrierten rund 1200 Abtreibungsgegner.
Um die Mittagszeit sammeln sich bereits einige hundert Teilnehmende auf dem Washingtonplatz. Es spielt eine Band, die ersten holen sich schon die bereitliegenden Demo-Schilder ab. Darauf zu lesen sind Slogans wie „Verantwortung statt Abtreibung“ oder „Mama ich liebe dich! Liebe mich auch!“, neben der Abbildung einer schwangeren Frau.

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Alexandra Maria Linder, Vorsitzende des Bundesverbands Lebensrecht (BVL), kommt gleich zu Beginn ihrer Rede auf die Causa der nicht zur Verfassungsrichterin gewählten Frauke Brosius-Gersdorf zu sprechen. Diese, so Linder, stelle „die Menschenwürde in Frage“. Die sogenannte Lebensrechtsbewegung hatte massiv gegen die Nominierung der Juristin für das Bundesverfassungsgericht mobilisiert. Nach Linder stellt ein Kinderarzt den Fall einer Mutter vor, die trotz aller Schwierigkeiten Vierlinge zur Welt gebracht hat. Es folgt der Apotheker Andreas Kersten, der davon berichtet, dass er die „Pille danach“ nicht mehr verkauft.
Eine weitere Rednerin spricht sich energisch dafür aus, dass ein Schwangerschaftsabbruch auch nach einer Vergewaltigung nicht in Ordnung sei. Es gebe keine Studien dazu, dass es Frauen schlecht gehe, wenn sie ein Kind austragen, das durch Vergewaltigung entstanden sei. „Dickes Dankeschön, Johanna“, lobte BVL-Vorsitzende Linder die Rede.

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An den Rand des Washingtonplatzes kommen hin und wieder kleine Gruppen, um die Kundgebung der Abtreibungsgegner zu stören. Als eine Gruppe ein Transparent auf der Fläche der Kundgebung entrollt, drängte die Polizei sie zur Seite.
Gläubige Christen und Unterstützung von der AfD
Viele der Teilnehmer an der „Marsch für das Leben“-Kundgebung begreifen sich als gläubige Christen: Es weht eine Jesus-Flagge, am Rande der Versammlung segnet ein Geistlicher einen Teilnehmer. Eine Gruppe orthodoxer Christen hat religiöse Abbildungen mitgebracht. „Wir wollen Präsenz zeigen, hauptsächlich gegen Abtreibung“, sagt einer von ihnen. Schwangerschaftsabbruch sei für „Mord“, erklärt der junge Mann – und zwar ab Befruchtung der Eizelle.

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Gegen 14 Uhr setzt sich der Marsch fürs Leben in Bewegung. Im Demonstrationszug befindet sich, so wie im vergangenen Jahr, die AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch. Schon nach den ersten Metern ruft eine kleine Gruppe Gegenprotestierende den Abtreibungsgegnern zu „My body, my choice, raise your voice“.

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Die große Gruppe von Gegendemonstranten setzt sich etwa zur selben Zeit vor dem Paul-Löbe-Haus in Bewegung. „Sexuelle Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht“ steht auf dem Front-Transparent und: „Leben und lieben ohne Bevormundung“.

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Auf Transparenten stehen Slogans wie „Vögeln gegen Fundis“, mit „Fundis“ sind fundamentalistische Christen gemeint. Andere haben sich mit lilafarbenen Kutten verkleidet. Kurzzeitig blockieren etwa 100 Menschen vom Gegenprotest die Zufahrt zur Rettungsstelle der Charité Berlin in der Luisenstraße. Der Polizei zufolge wollten sie eigentlich den „Marsch für das Leben“ blockieren. Nach mehreren Aufrufen der Polizei verließen sie die Stelle.

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Als Live-Act ist unter anderem die Rapperin Yung FSK18 aus Halle (Saale) vor Ort, die auch am Vortag zur Teilnahme an den Gegenprotest aufgerufen hat. „Niemand sollte ungewollt ein Kind austragen müssen“, sagte die Rapperin in einer Instagram-Story. Dass sogenannte Lebensschutz-Aktivisten denken, „sie könnten über unsere Körper bestimmen – das ist irre“, sagt sie.
Veranstalter des Marsches ist der Bundesverband Lebensrecht (BVL), ein Zusammenschluss von 15 Organisationen. In Berlin wurden eine Gegendemo mit 2000 Teilnehmern, in Köln eine mit 1000 Personen angemeldet.
Im Vorfeld hatte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, ein Grußwort an die Teilnehmer in Köln gerichtet. Zudem sollten in Berlin laut BVL hochrangige Vertreter der katholischen Kirche am „Marsch“ teilnehmen: Bischof Rudolf Voderholzer (Regensburg) und Weihbischof Matthias Heinrich (Berlin).

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Grußworte sandte unter anderem der umstrittene Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki. Dem Kirchenmann wird vorgeworfen, Missbrauchsfälle mindestens mangelhaft aufbereitet zu haben. Im Juli forderte ein Gremium der Deutschen Bischofskonferenz vom Papst Schritte gegen Woelki.
In der katholischen Kirche ist die Veranstaltung nicht unumstritten. So kritisiert der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) im Erzbistum Köln schon länger, dass sich auch rechtsextreme Aktivisten und Parteien daran beteiligten.
Auch evangelische Geistliche richten Grußworte aus: „Traurig, dass immer häufiger das Eintreten für das Lebensrecht von Ungeborenen als rechtsextrem verleumdet wird“, teilt Marco Meier mit, Direktor der Evangelischen Gesellschaft für Deutschland (EGfD). In dem Verbund sind vor allem Freikirchen organisiert. (mit KNA)
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