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Ausstellung über Opfer des Hamas-Überfalls eröffnet: „Die Werte des Nova-Festivals sind die Werte Berlins“
Zurückgelassene Rucksäcke, Schuhe, Videos der Gewalt: Eine Ausstellung in Berlin zum Jahrestag des Hamas-Angriffs am 7. Oktober zeigt die Schrecken auf dem Nova-Festival.
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Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, hat sich trotz Hoffnung auf eine Freilassung der israelischen Geiseln skeptisch zu den aktuellen Verhandlungen mit der islamistischen Terrororganisation gezeigt. „Erst mal bin ich optimistisch, aber bei der Hamas weiß man nie“, sagte Prosor am Sonntagabend dem Tagesspiegel am Rande der Eröffnung der Nova Music Festival-Gedenkausstellung im Flughafen Tempelhof.
Ausstellung rekonstruiert das Festival-Gelände
Die Ausstellung mit dem Titel „October 7, 06:29 AM – The Moment Music Stood Still“ rekonstruiert das Gelände des Nova-Festivals. Die Hamas überfiel das Festival am 7. Oktober 2023. Von den 3000 Besuchern wurden 411 ermordet, Hunderte verletzt und 44 nach Gaza verschleppt. Von den heute noch 48 in der Hand der Hamas befindlichen Geiseln wurden 14 direkt vom Festival entführt, darunter sind auch zwei Deutsche.

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Botschafter setzt auf Unterstützung von Merz
Mit Blick auf die Ausstellung sagte der Botschafter, es dürfe nicht vergessen werden, wer für alles verantwortlich sei – für die Massaker an Kindern und Frauen in Israel und die Geschehnisse in Gaza: nämlich die Hamas. „Der Krieg hätte längst zu Ende sein können, wenn die Geiseln frei gelassen worden wären“, sagte Prosor. Er setze auch auf die Unterstützung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU).
Die Hamas habe die Geiseln zwei Jahre lang gefangenen gehalten, grausam gefoltert oder verhungern lassen. Aber er hoffe dennoch, dass die Geiseln „endlich nach Hause kommen“. Es gebe durch die – auf Druck von US-Präsident Donald Trump begonnenen – Verhandlungen einen Plan, aber der müsse der Reihe nach abgearbeitet werden. „Erstens, die Geiseln kommen nach Hause. Zweitens, die Hamas kann nicht in Gaza bleiben, wenn wir etwas neu aufbauen möchten.“
Prosor sagte, er sei enttäuscht, dass sich Juden in Deutschland nicht mehr sicher fühlen und dass jüdische Einrichtungen massiv geschützt werden müssen. „Die deutsch-israelischen Beziehungen stehen derzeit vor einer der größten Zerreißproben ihre Geschichte“, sagte Prosor. Nach dem 7. Oktober habe sich gezeigt, was es bedeutet, „wenn die Kultur schwankt“. Es habe kein Aufschrei in weiten Teilen der deutschen Kultur gegeben, „sondern Funkstille, ein ohrenbetäubendes Schweigen, lauter als jede Geste der Solidarität“.
Wegner will, dass viele Berliner die Ausstellung besuchen
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sagte, wie die Menschen in Berlin wollten die Besucher des Nova-Festivals feiern. „Die Werte des Nova-Festivals sind Werte, für die auch Berlin steht“, sagte Wegner. Er wünsche sich, dass viele Berlinerinnen und Berliner die Ausstellung anschauen. „Man kann nicht verstehen, was am 7. Oktober 2023 bei diesem Festival passiert ist“, sagte der CDU-Politiker. „Aber vielleicht können wir verstehen, was in den vergangenen zwei Jahren passiert ist.“

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Es dürfe nicht vergessen werden, dass das von den Hamas-Terroristen verübte Massaker für die Geschehnisse der vergangenen zwei Jahre verantwortlich sei. Weltweit sei eine Zunahme des Antisemitismus zu beobachten. Auch er selbst gerate unter Druck, weil er die israelische Flagge vor dem Roten Rathaus gehisst habe, sagte Wegner. „Sie wird so lange hängen, bis die letzte israelische Geisel frei ist“, sagte Wegner. Berlin sei die Stadt der Freiheit, der Vielfalt, der Weltoffenheit und der Internationalität. „Was nicht zu unserer Stadt passt, das ist Hass, Hetze und Antisemitismus“, sagte Wegner.
Bundesbildungsministerin: „Wir dürfen nicht gleichgültig werden“
Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) sagte, der 7. Oktober 2023 sei durch unmenschlichen Terror ein Wendepunkt in der Geschichte. Es war der größte Angriff auf Juden seit der Schoah, live per Stream verbreitet und sichtbar für die ganze Welt. „Wir dürfen nicht gleichgültig werden dafür“, sagte Prien.
„Ausstellungen wie die Nova Exhibition helfen uns, das Unsagbare zu verarbeiten – sie lassen uns trauern, erinnern und zugleich hoffen“, sagte Prien. „We will dance again – das ist mehr als ein Motto. Es ist ein Versprechen auf Leben, Menschlichkeit und die Kraft der Kultur, selbst aus tiefstem Schmerz neue Hoffnung zu schöpfen.“
Zur Ausstellungseröffnung waren zahlreiche geladene Gäste gekommen, darunter das Schauspielerpaar Andrea Sawatzki und Christian Berkel, der Musikmanager und frühere Kultursenator Joe Chialo (CDU) und seine Amtsnachfolgerin Sarah Wedl-Wilson. Von den Grünen war unter anderem Co-Bundeschefin Franziska Brantner gekommen, aber auch zahlreiche Berliner CDU-Politiker wie Parlamentspräsidentin Cornelia Seibeld und Fraktionschef Dirk Stettner. Von der Berliner SPD war lediglich Innenstaatssekretär Christian Hochgrebe gekommen.
Musiker Hermlin skeptisch
Der Berliner Musiker Andrej Hermlin kritisierte am Rande die Entwicklung in Deutschland und die propalästinensischen Proteste: „In unserem Land gibt es viele, die diese Mörder als Freiheitskämpfer bejubeln. Ein elendes Gesindel ist das.“ Es sei richtig, dass Leute festgenommen werden, die auf der Straße gingen und Sieg Heil riefen. Das sei allen klar. „Aber wenn Leute für die Vernichtung der Juden auf den Straßen von Berlin brüllen, ist das auch nicht akzeptabel.“
Hermlin sagte, er glaube nicht, dass Menschen mit der Ausstellung erreicht werden könnten, die antisemitisch und gegen Israel seien. „Sie hassen die Juden, es ist immer wieder der gleiche Wahn. Man kann sie weder emotional noch mit Argumenten erreichen“, sagte Hermlin. „Die Ausstellung ist für jene da, die ohnehin mit Israel und den Juden fühlen.“
Der Musiker, der bis 2023 Mitglied der Linkspartei war, kritisierte eine zunehmende Cancel-Culture und Boycott-Aktionen in der Kulturszene gegen Künstler, die mit den Geiseln der Hamas solidarisch sind. Hermlin sprach von „Kultur-Stalinisten“. Es gebe einen sehr einfachen, stalinistischen Ansatz in der Kultur- und Kunstszene: „Wir haben recht und wer nicht mit uns ist, unser Vokabular ist benutzt, ist der Feind und er muss zerstört werden.“ Viele andere würden schweigen.
Gaza-Krieg mit vielen zivilen Opfern
Auf das Massaker der Hamas 2023 folgte der Gaza-Krieg, den Israel mit dem erklärten Ziel führte, die Geiseln zu befreien und die Hamas zu vernichten. Seit Kriegsbeginn wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 66.000 Palästinenser im Gazastreifen getötet.
Zuletzt wuchs die internationale Kritik am israelischen Vorgehen im Gazastreifen und am Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung. Momentan wird um die Umsetzung eines US-Friedensplans gerungen. (mit dpa)
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