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Man dürfe nicht in der Krise sparen, sagte Saleh. Deshalb hinterfragt er die geplante Schulden-Sondertilgung.

© dpa/Carsten Koall

Update

Berlin in der Energiekrise: SPD-Chef Saleh will Härtefallfonds aufstocken

Knapp eine Milliarde für Berliner, denen die Energiekosten zu hoch werden, will Raed Saleh – und dafür weniger Schulden tilgen. Die Linke reagiert überrascht.

Berlins SPD-Landes- und Fraktionschef Raed Saleh will den Härtefallfonds zur Entlastung der Bürger von steigenden Energiekosten um mehr als eine halbe Milliarde Euro aufstocken. Dafür solle der bisher mit 380 Millionen Euro bestückte Härtefallfonds des Landes aufgestockt werden, sagte Saleh der „Berliner Morgenpost“ (Sonntag). Finanziert werden soll dies, indem das Land weniger Schulden tilgt.

Man dürfe nicht in der Krise sparen, sagte Saleh. „Deshalb fordere ich, dass wir über die geplante Schulden-Sondertilgung in Höhe von 540 Millionen Euro reden. Wir können es uns gerade nicht leisten, die Sondertilgung vorzunehmen. Wir brauchen das Geld, damit die Menschen überleben können und nicht ihre Wohnung verlieren aufgrund zu hoher Nebenkostenabrechnungen.“ Es gelte zu verhindern, dass Menschen unverschuldet in Armut abrutschten.

Das Abgeordnetenhaus habe den Härtefallfonds im Umfang von 380 Millionen Euro für steigende Energieausgaben bereits beschlossen. Er hinterfrage die Sondertilgung und schließe nicht aus, „dass wir weitere Geldquellen dafür erschließen“, sagte Saleh.

Der Linke-Fraktionsvorsitzende Carsten Schatz reagierte überrascht auf die Ankündigung Salehs. „Offensichtlich hat Herr Saleh das Vertrauen in die Bundesregierung verloren“, sagte er dem Tagesspiegel. Die Idee, die Schuldentilgung zugunsten des Härtefallfonds auszusetzen, sei in der rot-grün-roten Koalition schon länger abgesprochen gewesen. „Das haben wir uns ausdrücklich offengehalten und besprochen für den Fall, dass das Geld nicht reicht“, sagte Schatz.

Verabredet sei jedoch gewesen, dass mit den Mitteln nur das aufgefangen werde, was der Bund nicht an Hilfe für die Bürger leiste. „Wenn der Bund uns im Regen stehen lässt, müssen wir eigene Schritte gehen. Es ist daher ganz wichtig, dass sich die Bundesregierung jetzt schnell Gedanken macht. Im Herbst ist es dafür zu spät.“

Gegen den Plan, die Schuldentilgung zugunsten des Härtefallfonds auszusetzen, sprach sich FDP-Haushaltspolitikerin Sibylle Meister aus. „Wir haben für Corona mehr als sieben Milliarden Euro Schulden aufgenommen, die müssen wir tilgen.“ Zwar werde man Entlastungen für die Bürger durch den Härtefallfonds brauchen, dafür müsse die Koalition jedoch gucken, „wo wir an anderer Stelle etwas einsparen können“, sagte Meister. Auch sie verwies darauf, dass zunächst klar sein müsse, welche Unterstützung die Bürger vom Bund erhielten.

Wirtschaftssenator mahnt zum Energiesparen

Berlins Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos) mahnte unterdessen zum Energiesparen - auch beim Senat. Hintergrund sind die stark gestiegenen Preise vor allem für Erdgas. Wegen des Ukraine-Kriegs hat die Europäische Union Energiesanktionen gegen Russland beschlossen, Russland wiederum hat die Zufuhr von Erdgas über die Ostseeleitung Nord Stream 1 gedrosselt. Ersatz ist auf dem Weltmarkt schwer zu bekommen und vor allem teuer. Die Mehrkosten könnten in den nächsten Monaten bei den Verbraucher:innen ankommen.

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Schwarz sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Die öffentliche Hand muss genauso am Energieregler drehen wie der Privathaushalt oder das Unternehmen. Das ist nicht nice to have, sondern ziemlicher Ernst.“ Der Berliner Senat habe eine Taskforce eingerichtet und gehe beim Energiesparen systematisch vor.

Bis August wolle man in allen Senatsverwaltungen sehen, wie mindestens weitere zehn Prozent eingespart werden könnten. „Dabei kann es sich etwa um Einsparungen bei der Beleuchtung, Heizung oder Warmwassernutzung in den Bürogebäuden handeln.“

Wirtschaft schlägt Alarm

Alarm schlägt auch die Berliner Wirtschaft. Dabei geht es um die Regel, dass bei einem von der Bundesregierung erklärten Gasnotstand vorrangig Privathaushalte versorgt werden und Unternehmen womöglich nicht. „Wir müssen darüber diskutieren, ob wir Jobs gefährden oder ob wir Komfort aufgeben“, sagte IHK-Präsident Sebastian Stietzel der „Berliner Morgenpost“.

„Wenn Sie die Berliner fragen, ob sie es in ihrer Wohnung lieber zwei Grad kälter hätten oder ihren Arbeitsplatz verlieren wollen, sollte die Entscheidung eindeutig sein.“ Stietzel fügte hinzu: „Die derzeitige Ausrichtung, zunächst bei der Wirtschaft den Gashahn zuzudrehen, ist sicher nicht die ausgewogenste und nicht die richtige in dieser Frage.“ (mit dpa)

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