
© dpa/Britta Pedersen
Berliner „House of Cards“: Die Hauptstadt-SPD steckt tief in der Krise – doch es gibt einen Ausweg
Aufs ewige Regieren hat die Partei keine Lust mehr und stürzt sich in interne Machtkämpfe. Wenn sie sich nicht neu erfindet, droht der Abstieg zur Funktionspartei.

Stand:
Die SPD bröckelt wie Berlins marode Brücken. Weil sie immer auf dem gleichen Fundament steht: der Macht des Mitmachens. Seit 36 Jahren regiert die SPD ununterbrochen mit und wird dabei unverkennbar immer unerkennbarer – selbst die eigene Partei hat darauf keine Lust mehr.
Die SPD muss eine neue Brücke bauen zu den Menschen.
Tagesspiegel-Autor Robert Ide
Regelmäßig straft die eher linke Basis die pragmatische Parteispitze ab. Hinzu kommen verletzte Eitelkeiten nach jahrelangen Machtkämpfen. Die ehemaligen Regierenden Bürgermeister Michael Müller und Franziska Giffey, der mächtige Fraktionschef Raed Saleh, jetzt die Parteichefs Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini – sie alle wurden bei Abstimmungen der Parteibasis regelrecht gedemütigt. Die Spaltung sitzt tief.
___
Der Kommentar von Robert Ide zum Nachhören:
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Der Frust über schlechter werdende Wahlergebnisse entlädt sich nun bei den Aufstellungen für die Wahlen – weil es immer weniger sichere Plätze zu vergeben gibt. Wirtschaftssenatorin Giffey bekam keinen Platz auf der Liste ihres Kreisverbands Neukölln. Hikel spürte im gleichen Bezirk nicht genug Rückhalt als Bezirksbürgermeister und warf hin.
Wie absurd die Rangeleien sind, zeigt das fast Soap-Opera-artige Geklüngel um Nicola Böcker-Giannini. Sie wollte sich in Reinickendorf einen Listenplatz sichern und scheiterte. Zur Erinnerung: Innensenatorin Iris Spranger hatte Böcker-Giannini als Staatssekretärin vor zwei Jahren hochkant aus ihrer Verwaltung geworfen. Nun holte gegen sie ausgerechnet Laurence Stroedter den Listenplatz. Sie ist Tochter des langjährigen Kreisvorstands Jörg Stroedter, der seit einigen Jahren mit Spranger liiert ist. Spranger leitete gar die Sitzung, hielt sich aber zumindest bei diesem Wahlgang heraus. Berliner House of Cards.
Nun muss Spitzenkandidat Steffen Krach alles alleine richten. Der Hannoveraner wurde jüngst mit 100 Prozent gewählt – bei der SPD nach dem entgleisten Martin-Schulz-Zug eigentlich kein gutes Omen. Womöglich ist Krach bisher beliebt, weil er in Berlin kein Amt innehat. Sein Problem ist sowieso ein anderes: Hier kennt ihn bisher kaum jemand.
Die SPD hat nach dem internen Desaster nur noch eine Chance, wenn der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) bis zu den Wahlen noch einen großen Fehler macht und sich gleichzeitig die Linke über den Antisemitismus in ihren Reihen zerlegt. Wahrscheinlicher ist, dass die SPD bald nur noch Stimmenbeschafferin für eine schwarz-grüne oder eine links-grüne Koalition wird. Das wäre eine reine Funktionsrolle wie es in Thüringen oder Sachsen schon der Fall ist.
Das Beste für Berlins SPD wäre die Opposition; ein neuer Raum für frische Köpfe ohne alte Verletzungen. Dann könnte sich die Partei mal überlegen, wofür sie politisch stehen will, außer für kostenlose Kitaplätze. Die SPD muss mit einem neuen inhaltlichen Fundament eine neue Brücke bauen zu den Menschen. Und dann mit neuen Leuten hinübergehen.
Jeden Donnerstag ab 6 Uhr kommentiert Robert Ide stadtpolitische Themen bei Simone Panteleit und Team im Berliner Rundfunk 91.4. Im Tagesspiegel finden Sie den Kommentar zum Nachlesen und Nachhören.
- Berlin kommentiert
- Franziska Giffey
- Iris Spranger
- Michael Müller
- Neukölln
- Raed Saleh
- Reinickendorf
- SPD
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: