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Die Initiative „Bauwende für Berlin – ökologisch und sozial“ fordert, auf Abrisse möglichst zu verzichten.

© imago images/Frank Sorge

Abgeordnetenhaus berät Schutz von Wohnhäusern: Könnte Berlins Senat Wohnungs- und Klimakrise gleichzeitig lösen?

Der Berliner Senat behauptet, die meisten Forderungen der Volksinitiative zur Bauwende bereits umzusetzen. Derweil sympathisieren Linke und der Mieterverein mit Hausbesetzungen. Die CDU ist empört.

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Zunehmend im Stich gelassen fühlten sich die Menschen bei Klima- und bei Wohnungskrise, das ist die Diagnose der Volksinitiative „Bauwende für Berlin – ökologisch und sozial“. „Immer mehr Menschen in der Stadt sind skeptisch, dass Neubau ihre Probleme lösen kann, weil Neubau meist zu sehr teurem Wohnraum führt“, meint Gerrit Naber, der Sprecher der Initiative, am Montag im Abgeordnetenhaus. Auch wenn es im politischen Diskurs so erscheine, als spiele die Klimakrise keine Rolle für die Menschen: Studien zeigten das genaue Gegenteil. „Wir bauen und wir reißen ab, als wäre es Lego und nicht Lebensraum“, fasst Naber zusammen.

Vergangenes Jahr hat die Initiative 34.985 Unterschriften für ihre Anliegen gesammelt. Nun wurden die Vorschläge, die auf den Erhalt und die bessere Nutzung von Bestandsgebäuden abzielen, statt vor allem auf Neubau zu setzen, im Abgeordnetenhaus debattiert, in einer gemeinsamen Sitzung von gleich drei Ausschüssen: dem Stadtentwicklungs-, dem Umwelt-Ausschuss und dem Ausschuss für Arbeit und Soziales.

Warum sollte man Klima- und Wohnraumkrise als gemeinsames Paket verhandeln? Weil Wohnraum in Berlin notorisch knapp ist, aber der Bausektor weltweit für etwa 40 Prozent der CO₂-Emissionen verantwortlich ist. Derweil stehen in Berlin laut Mikrozensus etwa 40.000 Wohnungen leer, außerdem 1,5 Millionen Quadratmeter Büroflächen. Wenn man diese Flächen für eine Wohnnutzung aktivieren könnte, hätte man vergleichsweise schnell neue Wohnungen und könnte gleichzeitig vermeiden, das Klima durch vermeidbaren Neubau weiter zu strapazieren, so die Initiative.

Kommt eine Taskforce Wohnungskataster?

Um Abriss und Leerstand von bestehendem Wohnraum zu vermeiden, fordert die Initiative ein digitales Kataster, das die Potenziale von Bestandsgebäuden erfasst. Über Daten der Berliner Stadtreinigung (BSR), Stromnetz Berlin und Berliner Energie und Wärme sei es eigentlich bereits jetzt möglich, die Nutzungsintensität von Gebäuden zu erfassen, erklärte die Präsidentin der Architektenkammer Theresa Keilhacker. Auch bei den Bezirken lägen etliche relevante Daten, die aber alle nicht ausreichend digitalisiert seien. Leerstand werde daher nicht genug sanktioniert.

Genau wie Mieterverein-Geschäftsführer Sebastian Bartels fordert sie eine Taskforce aus Senat und Bezirken für ein Bestandsregister. „Wir haben Daten, die nicht personenbezogen sind, die könnten jetzt schon ohne Probleme mit dem Datenschutz veröffentlicht werden“, so Bartels. Das könne man sehr schnell umsetzen.

Weitere Vorschläge der Initiative: Der Hebesatz für die Grundsteuer soll bei mutwilligem Leerstand angehoben werden. Möblierte Wohnungen sollen genehmigungspflichtig werden. Bebauungspläne könnten ein fixes CO₂-Budget für Neubauten bekommen. In Paderborn wird letzteres offenbar schon praktiziert. Außerdem will die Initiative Dachgeschossaufstockungen komplett genehmigungsfrei machen. Dabei verweist sie auf Bremen und Niedersachsen, wo das bereits der aktuelle Stand der Bauordnung sei.

Genehmigungsfrei aufstocken, ja oder nein?

Auch die Bauordnung von Berlin sei in den letzten zwei Jahren zweimal verändert worden, widerspricht Bausenator Christian Gaebler (SPD): „Insofern müssen Sie gar nicht nach Niedersachsen oder Bremen schauen. Schauen Sie einfach in die Bauordnung von Berlin. Das sind nämlich diese Regelungen auch schon drin, was Vereinfachung im Bestand angeht.“ Ob die Aufstockungen in Berlin tatsächlich auch komplett genehmigungsfrei sind, sagt er allerdings nicht.

Wir gehen davon aus, dass da bis Mitte nächsten Jahres auf die Grundlagen geschaffen sind, auf denen wir dann auch aufsetzen können.

Bausenator Christian Gaebler (SPD) zum Wohnungskataster

Tatsächlich sei der Senat schon in vielen Punkten „in gleicher Richtung unterwegs“ wie die Initiative, behauptet Gaebler. Substantiellen Nachbesserungsbedarf sieht er offenbar nicht. So sei Berlin bei seiner aktuellen Klimabilanz im Soll und die landeseigenen Wohnungsunternehmen seien ohnehin dabei, ökologisch und nachhaltig zu bauen.

In puncto Wohnungskataster verweist er auf den Bund: „Wir gehen davon aus, dass da bis Mitte nächsten Jahres auf die Grundlagen geschaffen sind, auf denen wir dann auch aufsetzen können.“ Aktuell fehle die Rechtsgrundlage für ein flächendeckendes Gebäude-, Mieten- und Wohnkataster.

Mit der Volksinitiative muss sich nun das Abgeordnetenhaus beschäftigen.

© Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Ist der Senat tatsächlich in der gleichen Richtung unterwegs wie die Bauwende-Initiative? Der Grünen-Abgeordnete Julian Schwarze meint: „Es stimmt, dass Vieles eingeleitet wurde, aber es wird nicht vorangetrieben. Genaue Zeitpläne wären dringend notwendig.“ Schwarze schlägt einen „Runden Tisch Bauwende“ vor, analog zum „Runden Tisch Liegenschaftspolitik“, bei dem im regelmäßigen Abstand der Fortschritt bei der Bauwende evaluiert werden könnte.

Wenn nicht beschlagnahmt wird, dann werden sich die Häuser eben genommen, was will man dagegen sagen.

Sebastian Bartels, Geschäftsführer vom Berliner Mieterverein

Die Linken-Abgeordnete Katalin Gennburg wirft, etwas polemischer, ein, man müsse doch endlich wieder Hausbesetzungen entkriminalisieren, woraufhin der CDU-Kollege Ersin Nas sie zurechtweist, das sei ja geradezu ein Aufruf zu Straftaten: „Ich glaube, das ist nicht die Absicht der Initiative, Straftaten zu entkriminalisieren.“

„Wir können als Mieterverein nicht zu Hausbesetzungen aufrufen“, antwortet daraufhin Sebastian Bartels. „Aber: Wenn nicht beschlagnahmt wird, dann werden sich die Häuser eben genommen, was will man dagegen sagen.“ Der Staat müsse leerstehende Häuser und Wohnungen beschlagnahmen können und treuhänderisch verwalten. In Belgien sei das bereits Praxis. Berlin müsse ins Risiko gehen und endlich einmal das Treuhändermodell anwenden: „Die Verwaltungsgerichte werden dann schon sagen, was man noch verbessern kann.“

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