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Bausenator spricht von „Marktversagen“: Angebotsmieten in Berlin mit fast 16 Euro pro Quadratmeter auf Allzeithoch
Während die Berliner Bevölkerung wieder leicht wächst, brechen Baufertigstellungen und Baugenehmigungen ein. Auch die Zahl der Sozialwohnungen nimmt ab.
Stand:
Die Angebotsmieten in Berlin sind erneut deutlich gestiegen im Vergleich zum Vorjahr: Im Jahr 2024 lagen sie bei 15,74 Euro pro Quadratmeter und damit 1,75 Euro pro Quadratmeter beziehungsweise 12,5 Prozent höher als 2023.
Das geht aus dem Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin (IBB) für das Jahr 2024 vor, den die Bank am Freitag vorstellte. Die Angebotsmieten liegen damit auf dem höchsten Wert seit Beginn der Auswertungen im Jahr 2012.
„Wir sind mit unter acht Euro in den Bestandsmieten weit, weit, weit unter allen anderen Großstädten“, sagt der Vorstandsvorsitzende der IBB, Hinrich Holm. Die Mieten, die auf Online-Portalen inseriert werden, liegen in Berlin nun allerdings mehr als doppelt so hoch wie die Bestandsmieten. In den anderen deutschen Metropolen wird bei Wohnungsangeboten eher eineinhalbmal so viel wie bei Bestandsverträgen gefordert.
Holm schlussfolgert: „Eine Bewegung aus den Bestandswohnungen in neue Wohnungen werden wir nicht sehen und das ist eines der Spezifika, die Berlin hat.“ Das werde auch noch eine Zeit so bleiben. „Da wir eine Stadt sind, die wachsen will, ist das für uns eine Herausforderung.“
Selbst wenn wir jetzt verordnen würden, dass Mietpreise im Neubau ein bestimmtes Maß nicht überschreiten dürfen, dann würde niemand mehr bauen, weil er es aktuell nicht finanziert bekommen würde.
Christian Gaebler (SPD), Bausenator
2023 gab es wieder einen leichten Bevölkerungszuwachs in Berlin: Mit 26.951 beziehungsweise 0,7 Prozent mehr Menschen mit Erstwohnsitz in Berlin hat die Entwicklung nach den Schwankungen der vergangenen Jahre wieder ein Niveau ähnlich wie vor der Pandemie erreicht.
Zu wenig Bewegung im Wohnungsmarkt, hohe Angebotsmieten, die die Menschen vom Umzug abhalten, dabei ein steigender Bedarf an Wohnungen: Deutet das auf ein Marktversagen hin? „Das mit dem Marktversagen ist schon richtig“, meint Christian Gaebler, SPD-Bausenator, weist aber auch auf die äußeren Rahmenbedingungen hin, die das Bauen erheblich verteuert haben: die Baukostensteigerungen und die Zinsentwicklungen.
„Selbst wenn wir jetzt verordnen würden, dass Mietpreise im Neubau ein bestimmtes Maß nicht überschreiten dürfen, dann würde niemand mehr bauen, weil er es aktuell nicht finanziert bekommen würde“, sagte Gaebler.
Trotzdem gilt für ihn: „Wichtig ist, dass die Zahl der Wohnungen insgesamt steigt. Wir müssen alle Hebel in Bewegung setzen, um das realisieren zu können.“ Die Subvention des Bauens über die Förderung für den sozialen Wohnungsbau sei aktuell ein „treibender Faktor, dass überhaupt noch gebaut wird.“
Gaebler hofft auf Verlängerung der Mietpreisbremse
Solange der Wohnungsmarkt nicht im Gleichgewicht sei, brauche es außerdem guten Mieterschutz, forderte Gaebler – unter anderem in Form der Verlängerung der Mietpreisbremse, die allerdings auf Bundesebene beschlossen werden müsste.
Ist eine Verlängerung unter einer unionsgeführten Bundesregierung realistisch? „Ich glaube, es ist inzwischen in weiten Teilen des Bundesgebietes angekommen, dass Mieten nicht beliebig steigen dürfen und dass man dort ein Regulativ braucht“, meint der Senator. Betroffen seien auch Städte in CDU-geführten Bundesländern: „Insofern glaube ich, dass CDU und SPD sich in dieser Frage eher einigen können, als es mit einer etwas marktradikalisierten FDP der Fall war.“
In den Jahren 2023 und 2024 sind die Angebotsmieten insgesamt stärker angestiegen als im Zeitraum von 2015 bis 2022. Damals legte die mittlere Angebotsmiete im gesamten Zeitraum um lediglich 3,04 Euro pro Quadratmeter zu, in den Jahren 2023 und 2024 waren es insgesamt 4,20 Euro pro Quadratmeter.
Die Angebotsmieten in der Innenstadt betrugen 20 Euro pro Quadratmeter und mehr. In den Außenbezirken stieg die Angebotsmiete auf 12,94 Euro pro Quadratmeter. Die Anzahl der Inserate auf Onlineportalen nahm im Jahr 2024 um 32,8 Prozent zu, auf etwa 31.852 Inserate.
Mieterverein fordert besseren Schutz von günstigem Wohnraum
Der IBB-Wohnungsmarktbericht zeige eindrücklich, „dass Berlin den sozialen Kipppunkt bereits überschritten hat“, kommentiert der Berliner Mieterverein. Über 100.000 Menschen seien in den vergangenen zehn Jahren an den Stadtrand gezogen, viele davon seien aus der Innenstadt verdrängt worden. „Der Berliner Senat ist gut beraten, nicht nur auf die Neubau-Karte zu setzen, sondern dem Schutz noch preisgünstiger Wohnungen ebenso große Priorität einzuräumen“, forderte Wibke Werner, Geschäftsführerin des Mietervereins. „So schnell kann gar nicht gebaut werden, wie täglich günstige Wohnungen vom Markt verschwinden.“
Für Haushalte mit geringeren Einkommen würden die hohen Angebotsmieten faktisch einen Umzugsstopp bedeuten, ein Wohnungswechsel sei kaum noch möglich. Der Berliner Mieterverein fordert daher ein umfassendes wohnungspolitisches Maßnahmenpaket, mit bezahlbarem Wohnungsneubau ebenso wie einer effektiven Mietenregulierung, sowie ein umfassendes Sozialprogramm zur besseren Wohnraumverteilung.
Deutlich zugenommen haben die Angebote von Eigentumswohnungen: Die Zahl der Inserate stieg um 3242 Inserate auf 28.841 an. Dabei sanken die Angebotskaufpreise für Eigentumswohnungen im Jahr 2024 leicht, nämlich um ein Prozent. Der Quadratmeter kostete nun 5690 Euro.
Allerdings sanken die Angebotspreise im Neubau deutlich, nämlich auf 7700 Euro pro Quadratmeter, und blieben im Bestand mit 5338 Euro pro Quadratmeter stabil.
Weniger Baugenehmigungen und Fertigstellungen
Sowohl die Anzahl der Baufertigstellungen als auch die Anzahl der Baugenehmigungen haben im Jahr 2023 abgenommen: Während im Jahr 2022 noch 16.968 Wohnungen genehmigt wurden, wurden 2023 nur Genehmigungen für 15.902 Wohnungen erteilt. Die Zahl der Fertigstellungen fiel im Jahr 2023 auf 15.965 und lag damit 7,8 Prozent niedriger als im Vorjahr.
Auch der Bestand an Sozialwohnungen hat weiter abgenommen, da etliche Wohnungen aus der Sozialbindung gefallen sind. 2023 gab es noch 114.140 mietpreis- und belegungsgebundene Wohnungen. 2024 hat die IBB Förderungen für 5188 zu bauende Sozialwohnungen genehmigt, was einen Rekordwert darstellt. Der Wert überschreitet auch erstmals das Ziel der Koalition, jährlich die Förderung von 5000 Wohnungen zu genehmigen. Das Fördervolumen umfasst mehr als 1,3 Milliarden Euro.
Die Aufteilungen von Mehrfamilienhäusern in Wohneigentum nahm im Jahr 2023 deutlich ab: Mit 4487 war es der niedrigste Wert der letzten zehn Jahre. 2022 wurden noch 12.636 Wohnungen mehr in Eigentum aufgeteilt.
Erstmals seit 2014 wurden außerdem mehr bereits aufgeteilte Wohnungen verkauft, nämlich 8156, als neue Aufteilungen genehmigt wurden. Laut IBB zeigen die niedrigen Zahlen bei neuen Aufteilungen die Wirksamkeit der stadtweiten Genehmigungspflicht für Aufteilungen, die seit 2021 gilt.
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