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Bei den Spezialkräften sind Nachtsichtgeräte und andere High-Tech-Geräte bereits im Einsatz. Doch das reguläre Heer der Bundeswehr nutzt häufig veraltete Technologie.

© Aleksey Kashmar

Spezialhersteller prägen neue Verteidigungslandschaft: Berlins Rüstungs-Start-ups setzen auf Innovation statt Geschoss

Berlin liefert keine Geschosse, aber Hightech für die Streitkräfte. Start-ups entwickeln Drohnen, Satelliten und Cyber-Systeme für militärische Anwendungen.

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Berlin ist kein klassischer Standort der Rüstungsindustrie. Im Gegensatz zu Bayern oder Baden-Württemberg gibt es hier nur wenige Hersteller von Waffensystemen oder Fahrzeugen. Dennoch existiert in der Hauptstadt ein wachsendes Segment von Firmen, die Produkte entwickeln, die sowohl für zivile als auch militärische Nutzung geeignet sind – sogenannte Dual-Use-Technologien. Start-ups und Mittelständler haben sich auf Künstliche Intelligenz (KI) und unbemannte Luftfahrtsysteme spezialisiert.

Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) betont das Potenzial der Hauptstadt: „Verteidigung findet heute nicht nur auf dem Schlachtfeld statt, sondern auch im Cyberraum. Da hat Berlin ein riesiges Potenzial.“ Unternehmen entwickelten inzwischen Produkte gegen Fake News und Cyberattacken, unterstützt von der Investitionsbank Berlin und Berlin Partner. „Wir müssen offen sein“, sagt Giffey. „Die Hauptstadt darf angesichts der Sicherheitslage nicht so tun, als hätte man mit der Herausforderung nichts zu tun.“

Verteidigung findet heute nicht nur auf dem Schlachtfeld statt, sondern auch im Cyberraum. Da hat Berlin ein riesiges Potenzial.

Franziska Giffey (SPD), Wirtschaftssenatorin

Werke für Panzer, Haubitzen oder Artilleriemunition wird es in Berlin wohl auch in Zukunft nicht geben: „Geschossmaterial hat in einer dicht besiedelten Großstadt nichts zu suchen“, meint Stefan Franzke, Geschäftsführer der Wirtschaftsfördergesellschaft Berlin Partner.

Deshalb siedeln sich Munitions- und Waffenhersteller eher in Flächenländern an. Allerdings betreut die Wirtschaftsförderung rund 100 Dual-Use-Unternehmen in der Hauptstadt.

Von Berlin in den Weltraum

Ein Schwerpunkt liegt laut Franzke auf der Raumfahrt: Die Technische Universität Berlin gilt als Vorreiter bei Kleinsatelliten, zahlreiche Unternehmen in ihrem Umfeld fertigen Satelliten oder Teile und transportieren sie in den Orbit – für Klima- und Umweltbeobachtung, aber auch Grenzsicherung oder Truppenüberwachung.

Die Kampfdrohne Virtus des Herstellers Stark kann horizontal starten und landen. In Zukunft erhält sie einen neuen Sprengkopf von TDW.

© Stark

Zu den reinen Rüstungsunternehmen zählt hingegen Stark. Das Start-up testet seine bewaffnete Drohne Virtus unter Gefechtsbedingungen in der Ukraine. Das unbemannte System trägt bis zu fünf Kilogramm Sprengstoff über eine Distanz von 40 Kilometern.

Stark übernahm kürzlich das Navigations-Start-up Pleno, baut derzeit eine Produktionsstätte in Swindon (Vereinigtes Königreich) auf und entwickelt gemeinsam mit dem Spezialhersteller TDW einen neuen Gefechtskopf für die Drohne. Die Serienfertigung soll 2027 beginnen.

Auch Rheinmetall expandiert in Berlin: Die Tochterfirma Rheinmetall Waffen Munitions GmbH fertigt in Wedding Teile für Artilleriemunition. Die eigentliche Munition entsteht dann jedoch an einem anderen Standort in Niedersachsen.

Bis Juli hieß das Unternehmen noch Pierburg und stellte Autoteile her. Doch inzwischen ist die Nachfrage nach Munition gestiegen. Die Geschäftsführung schaffte neue Maschinen an und richtete die Produktion komplett neu aus. 350 Menschen arbeiten dort, eine Erweiterung der Belegschaft ist in Planung. Der Betriebsrat und die Gewerkschaft Verdi unterstützten die Neuausrichtung.

Von zivilen Drohnen hin zu militärischen Systemen

Das Berliner Unternehmen Germandrones hat sich derweil vom zivilen Drohnenbauer zum Anbieter militärisch nutzbarer Systeme entwickelt. Die Senkrechtstarter-Drohne Songbird fliegt bis zu zwei Stunden und rund 100 Kilometer außerhalb der Sichtweite, mit Sensoren für Kartierung, Inspektion und Sicherheitsaufgaben.

Neben Polizei und Bundeswehr beliefert das Unternehmen inzwischen auch das ukrainische Verteidigungsministerium. Eine Produktionshalle wurde im ehemaligen Flughafen Tegel angemietet.

Präziser Schuss

Andres Industries aus Lichtenberg ist ein Spezialist für Wärmebild- und Vorsatzgeräte, die auf Handwaffen und an Helmen befestigt werden. Sie erleichtern Soldaten das Erkennen und Bekämpfen von Zielen.

Das Wärmebild-Vorsatzgerät PumIR des Berliner Herstellers Andres Industries kann auf den Gewehren von Präzisionsschützen montiert werden.

© Andres Industries

Zwar stellt Andres Industries grundsätzlich auch Wärmebildgeräte für Jäger und andere zivile Anwender her, doch inzwischen steht die Belieferung europäischer Streitkräfte im Zentrum. Nach Tagesspiegel-Informationen wird Andres Industries in naher Zukunft auch die Bundeswehr beliefern.

Ein wichtiger Player im Berliner Umland ist zudem Rolls-Royce in Dahlewitz, der Spezialhersteller fertigt Triebwerke für die zivile und militärische Luftfahrt. In Lübben in Brandenburg produziert außerdem Diehl Defense Munitionsteile für die Bundeswehr.

Die Bundeswehr möchte die Zusammenarbeit mit Start-ups weiter ausbauen. Seit 2017 betreibt sie den Cyber Innovation Hub in Charlottenburg. Dort arbeiten etwa 50 Soldaten und Zivilisten, die technologische Bedarfe ermitteln und Start-ups für militärische Anwendungen gewinnen.

Der Hub sieht sich als digitale Innovationsschmiede der Streitkräfte und kooperiert eng mit der Berliner Wirtschaftsförderung, um Unternehmen den Einstieg in den Rüstungsmarkt zu erleichtern.

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