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Internationales Congress Centrum ICC in der Dämmerung. Anlass: 200 Jahre Messe Berlin am 29. September 2022

© Kevin P. Hoffmann

Feiern unterm Funkturm : Festakt für 200 Jahre Messe Berlin

Im Jahr 1822 veranstalteten Preußens Beamte erstmals eine Leistungsschau für Gewerbetreibende in Berlin. Nicht nur daran wurde am Donnerstag erinnert.

Stand:

Der Start der Messe Berlin vor 200 Jahren sei sicher nicht ganz einfach gewesen, vermutete Franziska Giffey (SPD) am Donnerstagabend in ihrer Rede im „Palais unterm Funkturm“. Es habe ja weder Autos noch moderne Kommunikationsmittel gegeben in jenem Oktober 1822 bei der ersten „Preußischen Gewerbeausstellung“. Die Leistungsschau der lokalen Wirtschaft lockte damals für mehrere Wochen Besucher in die Klosterstraße in Mitte, einen Steinwurf vom heutigen Roten Rathaus entfernt, von dem aus Giffey die Stadt regiert.

So viel hat sich seither geändert: Seit gut 120 Jahren lädt die Stadt Berlin Gewerbetreibende aus Preußen, Deutschland und der Welt in der Regel nach Charlottenburg, was damals vor den Toren Berlins lag. Das heutige Messegelände unterm Funkturm wird seit den 1920er Jahren stetig entwickelt.

Auf der Leinwand zeigen die Gastgeber ein Foto von Ludwig Erhard, Vater des „Wirtschaftswunders“ und Bundeskanzler von 1963 bis 1966.

© Kevin P. Hoffmann

An diesem Ort gab es immer wieder Sternstunden aus der Wirtschaft, Wissenschaft, Politik - und nicht zuletzt der Unterhaltung. Die Gastgeber warfen am Donnerstag Fotos und Filmschnipsel aus mindestens 100 Jahren auf eine riesige Leinwand im Palais: Impressionen von Albert Einstein, Ludwig Erhard, Willy Brandt bis Boris Becker und Günther Jauch. Männer, die hier glänzten und so „Berliner Köpfe“ genannt werden, egal woher sie stammen. Frauen standen damals allenfalls schmückend zur Seite, so wirkt es.

Mittlerweile aber sagt eine Frau, wo’s langgeht: Giffey berichtet, dass sie in ihren erst neun Monaten seit Beginn ihrer Amtszeit bereits zwölf mal auf dem Gelände gewesen sei: „Wir könnten eine kleine Dependance der Senatskanzlei hier aufmachen.“ Die Messe habe auch ihren Anteil am erstaunliche Tourismus-Comeback Berlins nach den Lockdowns der Corona-Zeit, attestiert die Regierende Bürgermeisterin. Berlin liege bei Hotelbuchungen heute auf Platz zwei hinter Barcelona und vor New York.

Franziska Giffey (SPD) beim Grußwort bei der Messe Berlin.

© Kevin P. Hoffmann

Giffey dankte dem Team der Messe rund um Vorstandschef Martin Ecknig für das Erreichte, formulierte auf der Bühne vor rund 250 Gästen aber auch einen „Anspruch, den wir für die Zukunft haben“: Es müsse gelingen, Leitmessen hierher zu bekommen. Ob das gelingt oder Berlin womöglich sogar prestigeträchtige Schauen wie die Funkausstellung Ifa an andere Standorte verliert, wird - wie berichtet - derzeit intensiv verhandelt.

Unabhängig vom Ausgang solcher Gespräche ist offensichtlich, dass die Messe Berlin, seit 200 Jahren Instrument der lokalen Wirtschaftsförderung, schon bessere Zeiten erlebt hat. Viele Gründe dafür kann das Messe-Management nicht beeinflussen: Die Corona-Pandemie hat gewaltig große Löcher in den Etat gerissen, da viele Messen und Kongresse seit 2020 abgesagt werden mussten. Das angrenzende Kongresszentrum ICC steht wegen Asbest-Verseuchung seit nunmehr achteinhalb Jahren leer - wenn nicht kurzfristig ein paar Tausend Geflüchtete, Impfwillige oder Kulturinteressierte die Ruhe stören. Die Messe muss den Bau teuer heizen und lüften.

Und jeder Messe-Gast, der es wagt, zu Fuß die nördlichen Eingänge des Geländes anzusteuern, landet schnell in der Unterführung, der Passerelle unter der Neuen Kantstaße. Dort können Besucher nochmal besonders intensiv nachempfinden, wie es wohl gerochen haben mag vor 200 Jahren an so einem belebten Marktflecken - ohne Kanalisation.

Der Duft der großen Stadt: Die Passerelle unter der Neuen Kantstraße führt zum ICC und den Nord-Eingang der Messe.

© Kevin P. Hoffmann

Die Messe werde weiter Unterstützung brauchen, solle sie ihre Aufgaben weiter erfüllen, machte Messechef Ecknig deutlich - ohne aber die anwesenden Senatsmitglieder Giffey (SPD), Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) und Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos) persönlich zu adressieren: „Erfüllt unser Messegelände noch die Anforderungen an die Zukunft?“, fragte er rhetorisch. „Verfügen wir über die Infrastruktur, dass Tausende Besucher zwischen Sommergarten und CityCube gewaltige Datenmengen hin- und herschicken können?“

Der Auftrag an die Messe sei heute derselbe wie vor 200 Jahren, sagte Ecknig: „Schaffen wir einen Ort, wo Menschen zusammenkommen und Innovationen sichtbar werden“. Das Messegeschäft sei zunehmend stark von der Technologie getrieben und auch die Themen änderten sich. Ecknig nannte Stichworte wie NFT (Non-Fungible Token, eine Blockchain-Technologie, die verwendet werden kann, um die Einzigartigkeit von Kunstwerke zu belegen), das Hochgeschwindigkeitsverkehrssystem Hyperloop und elektronische Spiele - Games - als Themen, mit denen sich die Messe verstärkt beschäftigen müsse.

Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos) im Interview mit Moderator Thomas Heinze.

© Kevin P. Hoffmann

Als dann aber Zukunftsforscherin Johanna Pirker auf der Bühne erste konkrete Einblicke in diese Technologien von Morgen gab, wurde es unruhig unter dem 32 Meter hohen Dach des Palais. Es schien, dass die meisten Gäste doch lieber zurückblicken wollten in die guten alten Zeiten, von denen dann auch Berlins ehemalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) und Michael Müller (SPD) ein paar Anekdoten berichten durften.

Für Heiterkeit sorgte Giffeys Beobachtung von der Funkausstellung Ifa vor wenigen Wochen. „Wir sind von der sprechenden Waschmaschine nicht mehr weit entfernt“, sei ihr Eindruck. Bei ihren Besuchen habe sie mittlerweile gelernt, manchmal bekomme man „Lösungen für technische Probleme angeboten, von denen man noch gar nicht wusste, das man sie hat“.

Giffey, Schwarz und Co waren schon wieder losgefahren als Schauspielerin und Moderatorin Annabell Mandeng, die gemeinsam mit Schauspiel-Kollegen Thomas Heinze durch den Abend geführt hatte, die Tanzfläche im Funkeln der Scheinwerfer eröffneten. Leider blieben sie dort weitgehend allein.

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