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Das Flugabwehrsystem Arrow 3 soll der Frühwarnung und der Bekämpfung von anfliegenden ballistischen Flugkörpern außerhalb der Erdatmosphäre dienen. Die Bundeswehr hat es als Reaktion auf die Bedrohung durch Russland beschafft.

© dpa/Jan Woitas

Israelischer General bei Konferenz in Berlin: So könnte Deutschland schneller verteidigungsfähig werden

Der Berliner Senat wirbt für die Hauptstadt als Standort für die Verteidigungsindustrie. Ein früherer Chef der israelischen Luftwaffe und heutiger Investor stellt auf einer Konferenz einen Teil dieser Strategie infrage.

Stand:

Israelische Unternehmerinnen und Unternehmer suchen seit dem Waffenstillstand in Nahost wieder verstärkt den Austausch mit der deutschen Start-up-Szene. Bei der Fachkonferenz „Mind The Tech“ am Mittwoch im Hilton am Berliner Gendarmenmarkt war die Verteidigungswirtschaft ein Schwerpunkt. Berlin könne ein wichtiger Standort sein, sagte ein ranghoher Ex-Militär dem Tagesspiegel, doch bezüglich der Strategie des Senats äußerte er sich skeptisch.

Der israelische Botschafter Ron Prosor betonte, Deutschland sei Israels wichtigster Handelspartner und „der Mittelstand ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft“. In den spezialisierten, oft kaum sichtbaren Hidden Champions liege ein enormes Potenzial für Partnerschaften.

Flugabwehr aus Israel

Dass diese Worte ausgerechnet am Tag der Inbetriebnahme des Flugabwehrsystems Arrow 3 fielen, verlieh der Konferenz zusätzliche Schwere. Das System, gemeinsam von Israel und den USA entwickelt und nun erstmals exportiert, bildet künftig die oberste Schicht der deutschen Luftverteidigung.

Start einer Rakete des Raketenabwehrsystems Arrow 3 in Israel. Das System ist jetzt auch in Deutschland in Betrieb.

© picture alliance/dpa/israelisches Verteidigungsministerium

Vom Fliegerhorst Holzdorf an der Grenze von Brandenburg und Sachsen-Anhalt aus soll es fortan ballistische Raketen in etwa 100 Kilometern Höhe zerstören können und ergänzt die bestehenden Systeme Patriot und IRIS-T SLM. Für Deutschland bedeutet die Stationierung des Systems eine deutliche Verbesserung der Frühwarn- und Schutzfähigkeit – und ein Signal für die sicherheitspolitische Verflechtung mit Israel.

Prosor hob die Geschwindigkeit der Lieferung hervor. Trotz des Krieges gegen die Hamas seien nur zwei Jahre zwischen Vertrag und Aktivierung vergangen. Für ihn ist das ein Beleg für die „Resilienz der israelischen Wirtschaft und Gesellschaft“ – und ein Hinweis darauf, wie belastbar die industrielle Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern sein könne.

Die praktische Umsetzung dieser Kooperation beschäftigt Generalmajor Amikam Norkin, der von 2017 bis 2022 die israelische Luftwaffe führte und danach den Risikokapitalgeber Ace Capital mitgründete.

Nun richtet Norkin den Blick auf die deutsche Start-up-Landschaft. „Aufgrund der geopolitischen Spannungen erhöhen viele Staaten ihre Verteidigungsbudgets“, sagte er. Regierungen wünschten sich mehr Innovation, und die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten zwängen die Branche zu schneller Weiterentwicklung.

Generalmajor Amikam Norkin führte von 2017 bis 2022 die israelische Luftwaffe. Nach seinem Dienstzeitende gründete er den Risikokapitalgeber Ace Capital mit, der in Unternehmen der Verteidigungsindustrie investiert.

© Amikam Norkin

Ace Capital investiere deshalb in junge Firmen aus Verteidigung, Luft- und Raumfahrt, deren Technologien sich noch in frühen Entwicklungsphasen befinden. Europa, sagt er, werde für israelische Hersteller zunehmend zu einem strategischen Markt.

Deutschland kann das Tor zu europäischen Märkten werden.

Amikam Norkin, Gründer von Ace Capital

„Deutschland kann das Tor zu europäischen Märkten werden“, sagte er. Während deutsche Unternehmen besondere Expertise in der industriellen Fertigung und Skalierung hätten, verfüge Israel über Hunderte agiler Start-ups, die Innovation auf Grundlage „kampferprobter Technologie“ hervorbringen.

In der Verbindung beider Stärken liege erhebliches Potenzial für die europäische Verteidigungsbranche. Mit der richtigen Hilfe aus Israel könne Deutschland seine strategischen Ziele in fünf Jahren erreichen, meinte er, nicht, wie geplant, bis 2035.

Fokus statt Zweigleisigkeit

Obwohl Bayern mit München als Schwerpunktregion gilt, sieht Norkin Spielraum für weitere Standorte. Berlin habe mit seinem geplanten Def-Tech-Programm sehr gute Chancen.

Doch bei einem Punkt der Berliner Strategie bleibt der Generalmajor skeptisch: dem starken Fokus auf Dual-Use-Technologien. In Deutschland wie bei vielen Investorinnen und Investoren gilt es inzwischen als Voraussetzung, dass junge Firmen gleichzeitig zivile und militärische Märkte adressieren.

Gerade am Anfang sollte sich ein Start-up auf einen Markt fokussieren.

Amikam Norkin, Ex-Generalmajor der israelischen Luftwaffe und Investor

Norkin hält das für einen Fehler: „Gerade am Anfang sollte sich ein Start-up auf einen Markt fokussieren.“ Erst wenn ein System im Verteidigungsmarkt etabliert sei und die komplexe Regulatorik durchlaufen habe, könne man über zivile Ableger nachdenken. Der Weg könne auch umgekehrt funktionieren, entscheidend sei die klare Priorisierung.

„Um in den Verteidigungsmarkt einzutreten, muss man die Regulierung verstehen, die Abläufe, Bürokratie, Kultur und Bedürfnisse.“ Diese Lernprozesse ließen sich nicht einfach auf zivile Märkte übertragen. Dual Use sei sinnvoll, aber erst in späteren Entwicklungsphasen.

Deutschland, meinte Norkin, sei für israelische Firmen nicht nur ein attraktiver Markt, sondern ein geopolitischer Multiplikator: Gelinge ein Verkauf an die Bundeswehr, erhöhe das die Chancen in anderen Nato-Staaten erheblich.

In Bezug auf Arrow 3 sagte er: „Europa muss seine Luftverteidigungsfähigkeiten ausbauen. Deutschland hat die richtige Entscheidung getroffen, mit einem strategischen System wie der Arrow zu beginnen.“

Nun müssten weitere Ebenen hinzukommen: Radare, Satelliten, zusätzliche Schutzschichten. So könne der Schutz schrittweise auf andere Regionen Europas ausgeweitet werden. „Die deutsche Nation kann andere Staaten unterstützen, das hat große Bedeutung auf der geopolitischen Ebene.“

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