
© Kevin P. Hoffmann
„Konflikt mit der Neutralität besteht nicht“: Berliner Gerichtsgebäude hissen Regenbogenflaggen
Zum Christopher Street Day zeigen Berliner Gerichte mit Flaggen ihre Solidarität mit der queeren Szene. Das ist nach neuer Rechtslage möglich. Doch nicht alle machen mit.
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Vor dem Familiengericht am Halleschen Ufer in Berlin-Kreuzberg hängen entweder keine Flaggen oder die des Landes Berlin und der Europäischen Union. Am Donnerstag wurden die drei Fahnenmasten mit Regenbogenflaggen geschmückt, eine davon in der moderneren Variante, der Progress-Pride-Flag, die auch transgeschlechtliche und nichtbinäre Menschen sowie Menschen diverser Hautfarben (People of Colour) würdigt.
Der Anlass ist der Christopher Street Day, der am Samstag in Berlin mit einer großen Parade der queeren Community gefeiert wird. Das Familiengericht, das zum Amtsgericht Kreuzberg gehört, war laut dem Onlinemagazin queer.de im vergangenen Jahr das erste deutsche Gericht, das sich „mit einer Flaggenhissaktion zur Gleichbehandlung queerer Menschen“ bekannte.
Vorausgegangen war ein Erlass der Berliner Innensenatorin Spranger (SPD) „zum Setzen der Regenbogenflagge an allen Gebäuden und Gebäudeteilen, die von Dienststellen und sonstigen Einrichtungen des Landes Berlin genutzt werden“. Dieser Erlass wurde nach Angaben der Justizpressestelle im April 2024 erneut erteilt, für den Zeitraum vom 15. bis 28. Juli, mit Ausnahme des 20. Juli, dem Jahrestag des Attentats auf Adolf Hitler 1944.
2022 hatte Innenminiserin Nancy Faeser (SPD) das Hissen der Regenbogenflagge vor Bundesbehörden in einem begrenzten Zeitraum erlaubt und damit ein jahrelanges Hin und Her um das Zeigen von Regenbogenflaggen beendet. Kritik daran kam vor allem von der AfD und einzelnen Politikern von CDU und FDP.
Regenbogenflaggen werden zumindest in konservativen Kreisen als politisches Statement gegen ein traditionelles Gesellschaftsbild verstanden, in dessen Mittelpunkt die Familie steht. Ist die Verpflichtung zur politischen Neutralität von Gerichten und Richtern damit also verletzt?

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Gerichtssprecherin Julia Önel weist das zurück: „Mit der Regenbogenbeflaggung setzen die Amtsgerichte Lichtenberg, Kreuzberg und Schöneberg ein Zeichen für Vielfalt und Toleranz in einer weltoffenen Stadt gegenüber allen Menschen, nicht lediglich gegenüber einzelnen Gruppen. Damit wird das dem Grundgesetz zugrunde liegende Prinzip zum Ausdruck gebracht, wonach alle Menschen gleichermaßen einen respektvollen Umgang verdienen. Ein Konflikt mit der Neutralität bzw. der Unabhängigkeit der Justiz besteht insoweit nicht.“
Entschieden über die Beflaggung mit Regenbogenfarben werde „von den jeweiligen Gerichtsleitungen“. Die übrigen Berliner Amtsgerichte haben sich offenbar gegen das Hissen entschieden. Auch am größten Berliner Gerichtspalast, dem Kriminalgericht Moabit, und am Landgericht in der Littenstraße werden nach Angaben der Pressestelle keine Regenbogenflaggen aufgezogen, weil die Gebäude zu den Amtsgerichten Tiergarten beziehungsweise Mitte gehören.
Vor dem Berliner Sozialgericht an der Invalidenstraße wird dagegen „am Tag des öffentlichen Begehens des Christopher Street Days (...) die Regenbogenflagge wehen, um damit ein Zeichen für Diversität und geschlechtliche Vielfalt in unserer Stadt zu setzen“, wie Gerichtssprecher Marcus Howe auf Anfrage mitteilt.
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