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Die Sänger:innen des Chores treten nur mit Maske auf – aus Angst vor Verfolgung.

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Aus Angst vor Verfolgung maskiert: Belarussischer „Volny Chor“ tritt im Berliner Ex-Stasi-Gefängnis auf

Der „Volny Chor“ ist in Belarus verboten. Einige Mitglieder wurden bereits verhaftet. Im November tritt die Gruppe in Berlin-Hohenschönhausen und Potsdam auf.

Sie singen über das, was viele in ihrem Heimatland verschweigen oder nicht wahrhaben wollen: Die manipulierten Wahlen in Belarus 2020 und die Diktatur von Machthaber Alexander Lukaschenko. Sie schmettern Chansons über Unterdrückung, Gewalt, Gefängnis, Grausamkeit und erzwungene Emigration. Der „Volny Chor“, was übersetzt „freier Chor“ bedeutet, gründete sich im Sommer 2020 und wurde zum Symbol des friedlichen Protestes in Belarus.

Dort wurde der Chor zur „feindlichen Organisation“ erklärt, einige Mitglieder wurden bei Razzien verhaftet, die meisten flüchteten ins Exil. Ihre Konzerte geben die rund 150 Sänger:innen mit Masken, um anonym zu bleiben und sich vor Verfolgung zu schützen. Konzerte des „Volny Chors“ sind Demonstrationen für Freiheit und Demokratie. Seit mehr als zwei Jahren kämpft diese Bewegung für das Recht, frei und offen zu sprechen und ihre Gedanken zu äußern.

Das Lukaschenko-Regime will das belarussische Volk in das richtige und das falsche, in das eigene und das andere Volk einteilen.

Galina Kazimirovskaya, Chorleiterin

Es ist nicht nur ein Chor, sondern eine musikalische, soziale und politische Bewegung, die Menschen aus verschiedenen Berufen zusammenbringt: nicht nur Musiker:innen und Sänger:innen, sondern auch Ingenieur:innen, Wirtschaftswissenschaftler:innen, Lehrer:innen, Künstler:innen und viele andere.

Singen für die Demokratie: der belarussische Volny Chor.
Singen für die Demokratie: der belarussische Volny Chor.

© privat

Am 9. November 2022 – 33 Jahre nach dem Mauerfall und 84 Jahre nach den Novemberpogromen – gibt der „Volny Chor“ ein Konzert in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Auf dem Gelände der ehemaligen zentralen Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR in Berlin-Lichtenberg wurde ein Museum zur Geschichte der DDR und ihrem Sicherheitsapparat eingerichtet. Früher wurden dort politische Gefangene inhaftiert. Heute besucht fast eine halbe Million Menschen jährlich die Gedenkstätte.

Die Gedenkstätte wolle mit dem Auftritt ein Zeichen der Solidarität setzen mit den Oppositionsbewegungen, mit den Opfern von Diktatur und Repression und gegen staatlichen Terror in autokratisch regierten Staaten, wie Helge Heidemeyer, Direktor der Gedenkstätte, mitteilt.

Bei den Konzerten tritt einzig Chorleiterin Galina Kazimirovskaya ohne Maske auf. „Das Lukaschenko-Regime will das belarussische Volk in das richtige und das falsche, in das eigene und das andere Volk einteilen“, sagt sie dem Tagesspiegel. „Leider kennen wir viele historische Beispiele, bei denen die Spaltung von Menschen zu Tragödien führte: die Teilung von Ost- und Westdeutschland, Nord- und Südkorea. Die Situation, in der eine Nation nach dem Willen der Behörden zum Feind der anderen wurde. Wir wollen nicht zulassen, dass eine solche Situation in Belarus eintritt.“

Yachnaya sieht Belarus als Teil der europäischen Gemeinschaft und möchte die Europäer:innen mit der Kultur ihres Landes vertraut machen. Der Chor hat es sich zudem zum Ziel gesetzt, die belarussische Sprache und Kultur zu bewahren und weiterzuentwickeln. „Zurzeit werden Belarussen, die ihre Muttersprache verwenden, als Extremisten behandelt“, sagt Yachnay. „Aber wir lassen uns unsere Sprache nicht verbieten und Musik ist für alle da.“ Bereits 2021 gab es Konzerte in Berlin, unter anderem am Brandenburger Tor.

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Aus Lichtenberg berichtet Robert Klages in dieser Woche außerdem über folgende Themen:

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