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Teilnehmer einer rechtsextremen Demonstration im Juni in Berlin.

© dpa/Manuel Genolet

„Als ob hier Schlägertrupps durch die Straßen ziehen“: Bezirkspolitik in Berlin-Lichtenberg streitet über rechte Gewalt

Lichtenberg beschließt einen Runden Tisch gegen Neonazi-Gewalt. Das BSW will lieber Wachschutz an Schulen. Die CDU-Fraktion sieht den Ruf des Bezirks bedroht.

Stand:

Eine Frau verfolgt drei Kinder in Neu-Hohenschönhausen bis in den Hausflur, beleidigt sie rassistisch, stößt ein Mädchen mit dem Kopf gegen die Wand. Ein Mann versucht die Wohnung seines Nachbarn anzuzünden, aus rassistischen Motiven, wie er laut Polizei offen zugab. Tatort: wieder Neu-Hohenschönhausen.

Ein 63-Jähriger wird am Ostkreuz bespuckt, rassistisch beleidigt und verprügelt. Eine vermummte Neonazi-Truppe verprügelt einen Fahrgast in der S-Bahn zwischen Friedrichsfelde und Lichtenberg. Ein Schüler berichtet, wie ihn mutmaßlich gleichaltrige Neonazis durch die Straßen von Wartenberg jagten. Der junge Linken-Politiker Lasko Schleunung wurde schon mehrfach niedergeschlagen, der Staatsschutz ermittelt.

Es ist eine unvollständige Aufzählung rechtsextremer Attacken aus dem letzten Jahr in Berlin-Lichtenberg. Die anhaltende Gewalt beschäftigt auch die Bezirkspolitik: Der Antrag „Für ein antifaschistisches und demokratisches Lichtenberg“ wurde am Donnerstag in der Bezirksverordnetenversammlung beschlossen, gegen die Stimmen von CDU, AfD und BSW. Grünen, Linke und SPD fordern die Einrichtung eines Runden Tisches für den besonders betroffenen Ortsteil Hohenschönhausen.

Junge Rechtsextreme auf einer Demonstration am Berliner Ostkreuz.

© dpa/Fabian Sommer

Zu Beginn der Sitzung richtete Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU) das Wort an den anwesenden Lasko Schleunung: „Ich möchte im Namen des Bezirksamts deutlich unsere Solidarität mit dir bekunden. Anschläge, wie in deinem Fall von Rechtsextremisten, sind nicht hinzunehmen. Behalte den Kopf oben“, so Schaefer. Ebenso verurteilte er linksextreme Angriffe, wie zuletzt mutmaßlich auf einen Amazon-Standort in Lichtenberg.

In der Debatte betonte Schaefer, es gebe eine „wache Zivilgesellschaft“ in Hohenschönhausen. „Meine Befürchtung ist, dass Rechtsextreme diesen Ort nutzen, um einen Mythos zu schaffen“, sagte er. Dies müsse man verhindern.

Als ob hier Schlägertrupps durch die Straßen ziehen.

CDU-Fraktionschef Benjamin Hudler über rechte Gewalt in Berlin-Lichtenberg

Die CDU-Fraktion lehnte den Antrag entschieden ab. Fraktionschef Benjamin Hudler zeigte sich „erschrocken, was für ein Narrativ über unsere Heimat erzählt wird. Als ob hier Schlägertrupps durch die Straßen ziehen“. Gewalt sei abzulehnen, dafür gebe es das staatliche Gewaltmonopol. Die geforderten Maßnahmen würden dem entsprechen, „was das Bezirksamt schon macht, weil wir in einem wunderbaren Bezirk leben“, so Hudler.

Sondersitzung zu rechter Gewalt

Natürlich sei Lichtenberg ein schöner Bezirk, „aber wir haben hier Probleme“, sagte die SPD-Verordnete Anne Meyer. Der bezirkliche Arbeitskreis Demokratie und Toleranz habe nicht grundlos noch für Juli eine Sondersitzung einberufen. „Hauptthema wird sein: rechte Gewalt in Hohenschönhausen“, so Meyer.

BSW-Fraktionschef Norman Wolf kritisierte den Antrag als politisch motiviert. Seine Fraktion schlug stattdessen vor, Wachschutz an Lichtenberger Schulen einzurichten. Dem schloss sich die AfD an: Der Antrag von Grünen, Linken und SPD lese sich „wie ein Konvolut von Verdächtigen“, meinte der AfD-Verordnete Wolfgang Hennig. Die BSW-Forderung nach Schul-Securitys ziele hingegen „auf das Wesentliche“.

Akteure aus dem Ortsteil vernetzen

Antje Schiwatschev (Linke) riss nach Wolfs Redebeitrag der Geduldsfaden: „Es geht um steigende rechtsextremistische Übergriffe“, sagte sie gerichtet an ihren Ex-Genossen. „Ich verstehe nicht, wo sie gelandet sind. Es erschreckt mich ehrlich gesagt“, so Schiwatschev. Der Antrag sei „kein Symbol, sondern Ausdruck konkreter Verantwortung“, sagte die Grünen-Verordnete Leonie Köhler. An dem geforderten Runden Tisch sollen sich Akteure aus dem Ortsteil vernetzen, vor allem soll der Austausch mit Jugendfreizeiteinrichtungen intensiviert werden.

Am Samstag wollen junge Neonazis wieder durch den Berliner Osten laufen, in Lichtenbergs Nachbarbezirk Marzahn-Hellersdorf. Die Schlägergruppe „Deutsche Jugend voran“ mobilisiert zu einer Demo gegen den Marzahn Pride.

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