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Himmlische Aussichten über Berlin.

© dpa

Hobbyflieger entdecken die Hauptstadt: Nach dem TXL-Aus knattern die Cessna-Motoren über Berlin

Der Flughafen Tegel ist zwar dicht – doch plötzlich kreisen immer mehr kleine Flugzeuge über der Hauptstadt. Was ist da los? Die Flugsicherung klärt auf.

Von Christian Hönicke

Der Flughafen Tegel ist dicht, endlich Ruhe über Berlin… dachten viele Lärmgeplagte vor allem in der Einflugschneise, etwa in Pankow. Doch nun stellen manche fest, dass es plötzlich erst richtig rund geht am Himmel. „Seit der Schließung von TXL ist uns aufgefallen, dass vor allem am Wochenende der Himmel über Weißensee und Heinersdorf, wahrscheinlich aber noch großflächiger, von Motorseglern verlärmt wird“, berichtet etwa die Anwohnerin Alexandra Popp. Es seien nicht sehr viele, aber sie kreisten über Heinersdorf und Weißensee, weshalb die Belastung lange anhalte. Sie frage sich, „ob die jetzt einfach so das Recht haben, sehr vielen Anwohnern die Ruhe zu rauben? Wir waren ja alle froh, endlich vom Fluglärm verschont zu sein.“ Auch Anwohner aus Reinickendorf berichten von Motorenlärm am Himmel.

[Dieser Text stammt aus dem Pankow-Newsletter vom Tagesspiegel. Den kompletten Pankow-Newsletter gibt es kostenlos unter leute.tagesspiegel.de]

In der Tat erobern nun Cessna & Co. den jahrzehntelang für Hobbyflieger de facto gesperrten Himmel über Berlin. Das bestätigt die Deutsche Flugsicherung (DFS) auf Anfrage. „Darauf haben wir bereits vor der Schließung von Tegel hingewiesen: Es wird auch weiterhin Flugverkehr geben“, sagt DFS-Sprecher Stefan Jaekel. Zwar seien die großen Flugzeuge durch das TXL-Aus nicht mehr so zahlreich über der Stadt unterwegs, „aber dafür mehr kleinere“. Das sei keine Berliner Besonderheit, „das wird auch über einigen anderen deutschen Großstädten so gehandhabt“.

Die Benutzung des Luftraums sei nämlich grundsätzlich frei für alle Piloten. „Das war bisher wegen Tegel in Berlin nur nicht so möglich“, sagt Jaekel. „Wir hatten teilweise Linienflüge im Minutentakt, da passten so kleine Flieger gar nicht dazwischen. Ausnahmen gab es nur für Rettungshubschrauber, da geht es um Leben oder Tod.“

Es gebe nämlich zwei Arten von Lufträumen, erklärt Jaekel, unkontrollierte und kontrollierte. Beim kontrollierten geben die DFS-Lotsen Anweisungen, die befolgt werden müssen. „Kontrollierte Lufträume gibt es immer um Flughäfen herum.“ Lange Zeit war praktisch das ganze Berliner Stadtgebiet kontrolliert, ein Drittel im Norden war die Kontrollzone um Tegel, die restlichen zwei Drittel galten im Süden um Schönefeld. Kleine Flugzeuge durften nur nach vorheriger Erlaubnis der Flugsicherung in diese Zonen fliegen.

Bis November 2020 war fast der komplette Luftraum über Berlin kontrolliert und damit für Hobbyflieger nur nach vorheriger Anmeldung nutzbar.
Bis November 2020 war fast der komplette Luftraum über Berlin kontrolliert und damit für Hobbyflieger nur nach vorheriger Anmeldung nutzbar.

© DFS

Seit Tegel aber kein Flughafen mehr ist, ist nur noch ein kleiner Bereich im Südosten Berlins um den BER „kontrollierter Luftraum“. Außerdem gibt es noch zwei „Flugbeschränkungsgebiete“ über der Stadt. „Dort hineinzufliegen, ist strikt verboten“, sagt Jaekel. Eine Zone schützt das Regierungsviertel 5,5 Kilometer rund um den Reichstag und hat etwa die Ausdehnung des S-Bahn-Rings, die andere ist um den Forschungsreaktor Wannsee ausgewiesen. Wer diese Sicherheitszonen verletzt, muss mit Besuch von Militärjets rechnen, die in Rostock-Laage stationiert sind.

Das restliche Stadtgebiet ist seit der Schließung von Tegel im November 2020 unkontrollierter Luftraum. Wer eine Fluglizenz hat, darf sich dort seither im Grunde frei bewegen. „Bei der Flugsicherung muss sich in unkontrollierten Lufträumen niemand an- oder abmelden, es wird auch niemand kontrolliert“, sagt Jaekel. „Wir haben auch keinerlei Informationen über das Aufkommen, ähnlich wie im Straßenverkehr. Es gibt ja auch keine Vorgaben für Straßen, dass dort nur zehn Autos pro Stunde fahren dürfen.“

Seit November 2020 ist nur noch der Südosten Berlins über dem BER kontrollierter Luftraum. Dazu kommen die Flugverbotszonen die Innenstadt rund um den Reichstag (ED-R 146) und den Forschungsreaktor Wannsee (ED-R 4). Der Rest des Luftraums ist für Hobbyflieger freigegeben.
Seit November 2020 ist nur noch der Südosten Berlins über dem BER kontrollierter Luftraum. Dazu kommen die Flugverbotszonen die Innenstadt rund um den Reichstag (ED-R 146) und den Forschungsreaktor Wannsee (ED-R 4). Der Rest des Luftraums ist für Hobbyflieger freigegeben.

© DFS

Allerdings gibt es eine Mindestflughöhe. „Die beträgt 300 Meter über dem höchsten Hindernis um Umkreis von 600 Metern“, sagt Jaekel. Je nach Bebauung könnten das etwa in Pankow also über Einfamilienhausgegenden 350 Meter sein. Oder 530 Meter im Bereich der großen Windräder.

Grenzen geben den neuen Zugeflogenen über Berlin lediglich das Wetter und die Tageszeit vor. Es müssen Sichtflugbedingungen herrschen, entsprechend darf nachts oder bei dichter Bewölkung nicht geflogen werden. "Auffällig ist, dass bei schönem Wetter sofort Motorsegler unterwegs sind", berichtet die Pankowerin Alexandra Popp. Diese Faustregel bestätigt Stefan Jaekel: „Wenn es richtig schöne Sonne und richtig schöne Sicht gibt, fliegen umso mehr Hobbyflieger.“

Sonne, grüß mir die Flieger - an dieses neue Motto muss man sich in weiten Teilen Berlins nun erst einmal gewöhnen.

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