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Adelbert von Chamisso (1781-1838), gezeichnet von E.T.A. Hoffmann.

© imago stock&people/imago stock&people

Update

„Auf Chamissos Spuren“: Vielfältiges Projekt über das Berlin des Dichters und Naturkundlers

Der Literatur-Salon Potsdamer Straße lädt zu Kiez-Veranstaltungen, mit denen sich die Wiederentdeckung Adelbert von Chamissos fortsetzt. Auch sein Grab wurde restauriert.

Stand:

Als der Tagesspiegel sich vor zehn Jahren mit Ulrike Ottingers Film „Chamissos Schatten. Eine Filmreise zur Beringsee in drei Kapiteln“ befasste, schrieb Feuilletonchef Rüdiger Schaper: „Eine Entdeckung ist auch Adelbert von Chamisso wert, Preuße, Franzose, Abenteurer, 1781 in der Champagne geboren, 1838 in Berlin gestorben.“

Seitdem tat sich was beim Wiederentdecken Chamissos, der auf der Gedenktafel (einer von zweien in Berlin) an seinem einstigen Wohnort in der Friedrichstraße in Kreuzberg so zitiert wird: „Ich bin Franzose in Deutschland und Deutscher in Frankreich, Katholik bei den Protestanten, Protestant bei den Katholiken, Jakobiner bei den Aristokraten und bei den Demokraten ein Adliger ... Nirgends gehöre ich hin, überall bin ich der Fremde.“

Ein Dichter, Forscher und Mensch also, der gut in unsere Zeit der gesellschaftlichen und ökologischen Krisen passt und über den folglich so einiges in den letzten Jahren erschien: Der Biologe und Wissenschaftshistoriker Matthias Glaubrecht etwa stellt in seiner Chamisso-Biographie den Naturforscher, dessen Weltreise und dessen Buch darüber in den Mittelpunkt.

Glaubrecht hatte zuvor schon ein „essayistisches Nachwort“ zu einer großformatigen Neuauflage von Chamissos „Reise um die Welt“ beigesteuert. Zu sehen sind darin auch 150 Lithographien von Ludwig Choris, der bei der Expedition 1815 bis 1818 als Maler und Zeichner dabei war.

In seinem Roman „Chamissimo“ macht der Schriftsteller Sebastian Guhr den Menschen Chamisso zur literarischen Figur. Der Audiowalk „Grüne Spuren“ führt an eine Wirkungsstätte Chamissos in Berlins einstigen Botanischen Garten, heute Kleistpark. Und in Kunersdorf östlich von Berlin, wo der „Peter Schlemihl“ entstand, lädt das Chamisso-Museum zu Rundgang und Veranstaltungen.

Hinzu kam und kommt in diesem Sommer und Herbst das Projekt „Auf Chamissos Spuren“, das der Literatur-Salon Potsdamer Straße in Berlin präsentiert und das durch die Dezentrale Kulturarbeit Tempelhof-Schöneberg gefördert wird.

Letzte Wege durch das Hallesche Tor

Als Nächstes gibt es am Samstag, den 6. September 2025, um 15 Uhr eine literarische Führung zu „Chamissos letzten Adressen“ in Kreuzberg mit Michael Bienert, Sibylle Nägele und Joy Markert (mehr Information und Anmeldung hier). Chamisso lebte zuletzt in der Kreuzberger Linden- und Friedrichstraße, schreiben die drei in ihrer Einladung, unweit des noch erhaltenen Collegienhauses, in dem sein Freund E. T. A. Hoffmann als Richter gearbeitet hatte.

„Ihre letzten Wege führten durch das Hallesche Tor auf die damals noch vor der Stadt gelegenen Friedhöfe, wo auch Zeitgenossinnen wie Henriette Herz und andere Weggefährten ihre letzte Ruhe fanden“, heißt es weiter in der Ankündigung. Passenderweise wurde Chamissos Grab auf dem Friedhof III der Jerusalems- und Neuen Kirchengemeinde dieser Tage restauriert. Wer dies initiiert und finanziert hat, ist bislang unbekannt.

Das restaurierte Berliner Ehrengrab von Antonie und Adelbert von Chamisso.

© Sibylle Nägele

„Wir hoffen, dass wir mit dem Mäzen bald ins Gespräch kommen können“, teilen die Chamisso-Projektmacher:innen mit, „er/sie will womöglich anonym bleiben.“ Restauriert hat das Grab von Antonie und Adelbert von Chamisso der Künstler Frank Beuthan, „alles gut betreut und organisiert von Katrin Manke und Yvonne Zimmerer vom Ev. Friedhofsverband Berlin Stadtmitte EVFBS, die immer wundervolle Arbeit leisten“.

Das Grab des Sohnes Hermann Freimund von Chamisso ist dort ebenfalls erhalten. So erzähle der Friedhof bis heute viel über Chamissos Zeit, seine Freundschafts- und Familienbeziehungen, heißt es in der Ankündigung weiter.

Was bisher geschah – und Vorfreude auf mehr

„Man tritt ein und hat Berlin vergessen“, schrieb Rüdiger Schaper seinerzeit im Tagesspiegel über einen Preview des Ottinger-Films auf vier Leinwänden in einer Jurte, die in der Stabi im Rahmen der Ausstellung „Weltreise. Forster – Humboldt Chamisso – Ottinger“ aufgebaut worden war. Diesmal ging’s nicht in die Jurte, sondern ins Rathaus Schöneberg.

Ulrike Ottingers zwölfstündiger Chamisso-Film, der übrigens auch als DVD-Box veröffentlicht wurde, lief an vier Abenden im Juni/Juli im Marlene-Dietrich-Kinosaal des Schöneberger Rathauses.

Vorab trug der professionelle Rezitator und gelernte Rundfunksprecher Roland Kretschmer, bekannt geworden nicht zuletzt mit seinem Lesemarathon durch Robert Musils „Mann ohne Eigenschaften“, aus Werken Chamissos vor. Auch dies im Rathaus-Kinosaal.

Es folgte eine Führung durch den Kleistpark, der wegen seiner Bezüge zu Chamisso mit dem Namen Chamissopark fast besser bezeichnet wäre.

„Im Herbst gibt es Lesungen und Gespräche“, kündigen Sibylle Nägele und Joy Markert vom Lesesalon schon einmal an. Genaueres folgt.

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