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Mehrere Gerichtsverfahren vor dem Landgericht Berlin II. sind der Anlass für die Durchsuchung

© Julius Geiler

Update

„Die Bewohner sind wirklich überrascht gewesen“: Berliner Polizei durchsucht teilbesetztes Haus in der Rigaer Straße

Durchbrochene Wände und überraschende Funde: In den frühen Morgenstunden rückt die Polizei in der „Rigaer 94“ an und durchsucht das teilbesetzte Haus. Anlass sind laufende Räumungsklagen.

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Um Punkt sechs Uhr gingen sie rein, unter anderem mit Schild und Ramme bewaffnet: Die Berliner Polizei durchsuchte am Donnerstag das teilbesetzte Wohnhaus in der Rigaer Straße 94 in Berlin-Friedrichshain, um die aktuellen Bewohner zu identifizieren.

100 Beamte stürmten am frühen Morgen das Haus, sagte Polizeisprecher Florian Nath. 200 seien insgesamt vor Ort gewesen. Das Aufgebot begründete die Polizei mit der Gefahrenlage, die von dem Objekt der linksextremen Szene ausgehe.

Insgesamt seien 26 Personen sowie ein Hund in 13 Wohnungen innerhalb des Wohnobjekts angetroffen worden, sagte Nath. Die Beamten stellten die Personalien der Menschen fest. Laut Nath gab es „überhaupt keine Gegenwehr“ oder Maßnahmen, die sie hätten treffen müssen, um Widerstand zu brechen. „Die Bewohnerinnen und Bewohner sind wirklich überrascht gewesen“, sagte er dem Tagesspiegel.

Allein in einer der Wohnungen habe man 13 Menschen angetroffen. Alles sei aber gewaltfrei abgelaufen, sagte der Sprecher. Die Bewohner dürften erst einmal im Haus bleiben.

Der Einsatz war durchaus heikel, denn bei der Rigaer Straße 94 handelt sich um einen der letzten Hotspots der gewaltbereiten linksextremistischen Szene in Berlin. Insgesamt waren im ganzen Berliner Stadtgebiet seit Donnerstagmorgen 700 Polizisten im Einsatz, um spontane Sachbeschädigungen oder Brandanschläge von linksextremen Sympathisanten zu verhindern.

Auf Antrag der Polizei waren am Amtsgericht Tiergarten in der vergangenen Woche mehrere Durchsuchungsbeschlüsse ergangen. Grund ist ein Ersuchen der Anwälte des Eigentümers im Rahmen mehrerer Räumungsklagen vor dem Landgericht.

Das Haus in Friedrichshain ist teilbesetzt. Einige Bewohnende der Rigaer 94 haben Mietverträge. So sollten die Beamten die Personalien der Personen im Objekt feststellen, um die jeweiligen Gründe für die Aufenthalte im Objekt zu klären, sagte Nath.

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Der Eigentümer des Hauses habe die Durchsuchungsbeschlüsse für bestimmte Wohnungen erwirkt. Die Polizei sei im Einsatz gewesen, weil die Bewohner den Eigentümer nicht in das Haus ließen und er nicht riskieren könne, persönlich ohne Schutz aufzutauchen.

Die im Haus angetroffenen Menschen, überwiegend aus der linksradikalen Szene, hatten nach Angaben der Polizei verschiedene Nationalitäten. Außer aus Deutschland kamen sie demnach auch aus Polen, Litauen, Italien und Griechenland.

Parallel bewachte die Polizei unter anderem auch das Landgericht und die Büros der Eigentümerfirma des Hauses. Spontane Proteste oder Gewaltausbrüche seien nicht auszuschließen, hieß es. Zunächst sei aber alles ruhig geblieben.

Um den Gebäudekomplex „Rigaer 94“ gibt es seit vielen Jahren Prozesse vor Gerichten und zahlreiche Polizeieinsätze.

Der Altbau, der von außen seit Jahrzehnten bunt bemalt ist, sei doppelt verbarrikadiert gewesen, sagte Sprecher Nath. Hinter dem verschlossenen und verstärkten Eingangstor sei vor dem Hinterhof nachträglich eine zweite massive Tür eingebaut worden, die aufwendig aufgebrochen werden musste. „Es gab weder vorgeschriebene Fluchtwege noch Rettungswege, alles war zu oder verstellt.“

Polizei öffnet Wohnungen und entdeckt Durchbrüche

Auch die Wohnungen im Vorderhaus und im Seitenflügel mussten zum großen Teil gewaltsam geöffnet werden, weil offenbar niemand freiwillig nachgab, so der Sprecher. Technische Spezialkräfte seien dafür im Einsatz gewesen. „Wir mussten aufbrechen, aufflexen und aufspreizen.“

Wände zwischen manchen Wohnungen seien von Bewohnern durchbrochen worden. Im Hof habe die Polizei einen Zaun an einer Mauer wegen Einsturzgefahr zum Teil abgebaut. Auf dem Dach war ein Spezialteam der Polizei mit Höhenkletter-Experten unterwegs. „Das haben wir vorher gecheckt, um nicht von oben angegriffen zu werden.“

Bei früheren Einsätzen hatte die Polizei auch mal Depots mit Pflastersteinen und Feuerlöschern gefunden, so etwas habe es jetzt nicht mehr gegeben, sagte der Sprecher. Auch das vor Jahren entdeckte illegal gegrabene Tunnelstück zu einem Nachbarhaus sei weiterhin zugeschüttet.

Linksextremisten sollen Büro verwüstet haben

Die Linksextremisten haben mit der Durchsuchung nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden grundsätzlich gerechnet und sollen bereits reagiert haben. Zu Wochenbeginn hatten Unbekannte das Büro eines Berliners verwüstet, dem die britische Eigentümergesellschaft des Hauses mehrheitlich gehört.

Der Staatsschutz des Landeskriminalamtes (LKA) ist alarmiert und geht nach Tagesspiegel-Informationen von einer gezielten Aktion der Linksextremisten aus: Demnach soll der Eigentümer – so die Sicht der Sicherheitsbehörden – eingeschüchtert und bedroht werden, um keine weiteren Schritte gegen die Besetzer zu unternehmen. Die Täter sollen etwa Feuerlöscher in den Büroräumen entleert haben. 

Die Bewohner der Rigaer 94 riefen vor wenigen Tagen auf ihrer Internetseite zum Protest auf. Es gebe im September mehrere Gerichtstermine, bei denen entschieden werden solle, ob die Räumung von Wohnungen rechtlich möglich sei. Dabei gehe es auch um die offizielle britische Eigentümerfirma. Betont wurde: „Unser Ziel ist es nicht, einen Deal zu machen oder das Haus zu kaufen, sondern die besten Bedingungen für unseren Kampf (...) gegen den Staat, den Kapitalismus und die Unterdrückung zu erreichen.“

Einblicke aus dem Kiez

Statt gewaltbereit und trubelig wirkte der Kiez am bewölkten Donnerstagmorgen eher verschlafen. Viele Anwohner nahmen die Polizeimaßnahmen gelassen zur Kenntnis. „Hatten wir lange nicht mehr, so viel Polizei“, sagte die Angestellte eines Backshops an der Ecke Rigaer Straße/Liebigstraße. In den letzten Jahren sei es sehr viel ruhiger geworden – „kein Vergleich zu früher“.

Kein Vergleich zu früher.

Eine Angestellte in einem Backshop in der Nähe von der Rigaer Straße 94 über den Großeinsatz am Donnerstag

Vereinzelt hielten Passanten an der Absperrung und kommentierten den Einsatz. „Na, kontrolliert ihr endlich mal die Autofahrer, die hier durch die Fahrradstraße rasen“, fragte ein Mann. Dann holte er sich einen Kaffee.

Eine Frau kam an der Absperrung vorbei. „Ach, gehen sie wieder los, die Spielchen“, sagte sie, um sich direkt wieder zu verabschieden – „Naja, erstmal in die Kita“. Zwei kleine Mädchen mit Rucksäcken stoppten verwirrt vor den Absperrgittern: „Wie kommen wir denn jetzt zur Schule?“, fragte eine von ihnen verzweifelt. Polizisten wiesen den beiden schließlich den Weg – um die Kreuzung herum. 

Räumungsklagen gegen die Bewohner

Anlass für die Durchsuchung in der Rigaer 94 sind mehrere Gerichtsverfahren vor dem Landgericht Berlin II. Dort werden im September nach langer Verzögerung Räumungsklagen gegen die Bewohner verhandelt.

Seit Jahren streitet der Eigentümer vor Gericht darum, das Haus in der Rigaer 94 wieder in seinen Besitz zu bekommen. 

© Julius Geiler

Das Gericht verlangt neue Angaben, gegen wen die Räumungen durchgesetzt werden sollen. Die bisherigen Informationen der Eigentümer, etwa von der letzten Durchsuchung 2021, reichen der zuständigen Kammer nicht.

Sie gilt als äußerst vermieter- und eigentümerfeindlich und wird seit Jahren immer wieder von Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht gemaßregelt, weil sie bewusst von höchstrichterlicher Rechtssprechung abweicht.

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2020 hatte die Kammer entschieden, dass der Berliner Mietendeckel von Rot-Rot-Grün nicht verfassungswidrig sei. Später entschieden die Bundesverfassungsrichter dann aber, dass der Mietendeckel nicht zulässig war.

Seit Jahren streitet der Eigentümer vor Gericht darum, das Haus in der Rigaer 94 wieder in seinen Besitz zu bekommen. Lange scheiterte das daran, dass die Gerichte die Anwälte als nicht vertretungsberechtigt für die britische Eigentümergesellschaft angesehen haben.

Zuletzt sah das auch das Amtsgericht Kreuzberg so. Dagegen richteten sich die Anwälte der Eigentümergesellschaft mit Berufungsklagen. In einem Fall entschied das Kammergericht als oberste Berliner Instanz im Dezember 2024 aber anders – erkannte Eigentümerfirma und Anwälte an und gab ihnen recht.

Die nun zuständige Kammer am Landgericht II will nun dennoch in Verfahren gegen weitere Bewohner alles neu verhandeln – und hat damit indirekt den Polizeieinsatz erst ausgelöst. (mit dpa)

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