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Das Logo der SPD Fraktion Berlin steht während der Klausurtagung der SPD-Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses auf einem Poster.

© dpa/Fabian Sommer

„Ein Fall für den Staatsanwalt“: Berliner CDU wirft SPD-Fraktion Untreue wegen umstrittener Werbeanzeigen vor

Eigentlich müssen Fraktionen sich vor Wahlen mit Werbung zurückhalten – doch die SPD gab zehntausende Euro dafür aus. Die anderen Parteien fordern nun Aufklärung.

Der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus werden massive Verstöße gegen das Verbot der Wahlwerbung und Parteienfinanzierung vorgeworfen. Grund ist ein Tagesspiegel-Bericht über Ausgaben der Fraktion für Zeitungsanzeigen.

Hinzu kommt nun auch Online-Werbung in der heißen Wahlkampfphase sechs Wochen vor der Wiederholungswahl. „Wahlkampffinanzierung aus Fraktionsmitteln stellt einen Fall von Untreue und damit für den Staatsanwalt dar“, sagte Berlins CDU-Generalsekretär Stefan Evers am Sonnabend.

Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey und „ihre SPD haben längst nicht nur das Gefühl für die Hauptstadt verloren, sondern offenbar auch den gebotenen Anstand“. Das „System SPD“ sei ein großes Problem für Berlin. Werbeanzeigen, finanziert aus Steuermitteln, seien „für Fraktionen genauso verboten wie für die Regierung“.

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Berlins FDP-Generalsekretär Lars Lindemann sagte: „Es gibt sehr klare Regeln für die Öffentlichkeitsarbeit von Fraktionen während der Wahlkampfphasen. Die SPD scheint das geltende Zurückhaltungsgebot nicht allzu ernst zu nehmen.“ Ohne schnelle Aufklärung könnte „der fatale Eindruck entstehen, als würde eine Partei, die seit über 30 Jahren in unserer Stadt regiert, über den Dingen stehen wollen.“

„Der SPD geht der Hintern auf Grundeis“

Linke-Landeschefin Katina Schubert äußerte sich zurückhaltend. „Es ist Sache des Rechnungshofes, die Zulässigkeit dieser Werbekampagne zu überprüfen“, sagte sie. Selbst die Fraktion der AfD, deren Bundespartei durch Parteispendenaffären auffiel, hielt sich bei den Ausgaben vor der Wahl zurück.

„Gelder für die Parlamentsarbeit dürfen nicht für Wahlkampfzecke genutzt werden“, sagte ein Sprecher der Landespartei. Die Werbekampagne der SPD-Fraktion „wird auf ihre Zulässigkeit hin zu überprüfen sein“. Die Grünen wollten sich nicht äußern, vertraulich hieß es aber: „Der SPD geht der Hintern auf Grundeis.“

Die SPD-Fraktion hatte im Anzeigenblatt „Berliner Woche“ drei und zwei Wochen vor der Wahl jeweils doppelseitige Anzeigen geschaltet. Zum Thema Gesundheit und zum Thema Teilhabe war „Unser Fahrplan“ zu lesen – konkrete Punkte also, was die SPD-Fraktion nach der Wahl machen möchte: mehr Arztpraxen, ein Kinderkrankenhaus, mehr Bänke an Haltestellen.

Bereits die erste Anzeige kostete „bei einer Auflage von circa 1,7 Millionen Ausgaben (…) moderate 30.818,62 Euro brutto“, erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer Torsten Schneider. Für die zweite Anzeige sei von ähnlichen Kosten auszugehen. Schneider sagte, die Anzeigen seien zulässig, die Fraktion informiere damit nur über ihre Arbeit.

Nach den Maßstäben der Rechnungshöfe von Bund und Ländern müssen sich nicht nur Regierungsstellen bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit in den letzten sechs Wochen vor Wahlen zurückhalten. Damit soll verhindert werden, dass der Staat mit Steuergeld einer bestimmten Partei Vorteile verschafft.

Das gilt nach Ansicht der Rechnungshöfe und nach einem Gutachten des Wissenschaftliches Dienstes des Bundestages von 2019 auch für Fraktionen. Der Grund für das Zurückhaltungsgebot im Wahlkampf: In dieser Zeit verstehen Bürger selbst Anzeigen der Fraktionen als Wahlkampfmittel. So sehen es die Rechnungshöfe, aber auch Verfassungsgerichte verschiedener Bundesländer.

SPD warb auch auf sozialen Medien

Die SPD-Fraktion investierte nicht nur rund 60.000 Euro in Zeitungsanzeigen, sondern auch in Werbung in den sozialen Medien wie Facebook. Der Tech-Konzern Meta macht seine Werbeeinnahmen transparent. Seit 3. Januar, also mit Beginn der Sechs-Wochen-Phase vor der Wahl, und bis vergangenen Mittwoch verzeichnet Meta geschätzte Ausgaben der SPD-Fraktion bei Facebook und Instagram in Höhe von 8000 bis 9800 Euro.

Vermerkt sind elf Anzeigen zum Preis von jeweils 500 bis 1500 Euro, ausgespielt ab 14. Januar. Allein seit vergangenem Sonntag, 29. Januar, bis Sonnabend, 4. Februar, führt Meta Werbekosten von 4473 Euro für die SPD-Fraktion Berlin auf. Das sei der „geschätzte Betrag“, den die Fraktion in der vergangenen Woche für „Wahlwerbung“ oder „Werbung zu politisch oder gesellschaftlich relevanten Themen ausgegeben hat“.

Die anderen Fraktionen haben sich dagegen zurückgehalten, wenig und gar nichts für Werbung bei Facebook und Instagram ausgegeben. Meta verzeichnet Anzeigenausgaben der CDU-Fraktion seit 3. Januar in Höhe von 1050 Euro, bei der Linksfraktion von 895 Euro.

CDU-Generalsekretär Evers sieht den Fall in einem größeren Zusammenhang. „Nach der aktuellen Korruptionsaffäre um eine SPD-Wahlkampfagentur gleich der nächste Skandal rund um die Finanzierung der Berliner SPD“, sagte er. Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen Ex-Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD wegen Vorteilsannahme, ebenso gegen einen Inhaber einer Marketingagentur wegen Vorteilsgewährung. Die SPD-Politikerin soll die Firma privat genutzt haben, die Agentur bekam vom Senat den Auftrag für eine Pflegekampagne. Kalaycis Anwälte weisen die Vorwürfe zurück.

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