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Mitglieder von Extinction Rebellion hatten sich für mehrere Nächte im Hotel Adlon einquartiert.

© Madlen Haarbach/Tagesspiegel

Update

Extinction Rebellion in Berlin: 61 Festnahmen nach Farbattacken – Klimaaktivisten kapern Hotel Adlon

Mit einer schwarzen Flüssigkeit bewarfen Klimaaktivisten am Donnerstag unter anderem die FDP-Zentrale. Vor großen Firmen und bei Lobbyverbänden waren sie ebenfalls aktiv.

| Update:

Klimaaktivist:innen haben am Donnerstagnachmittag das bekannte Berliner Hotel Adlon gekapert. Auf dem Balkon eines der oberen Stockwerke zündeten sie Nebelkerzen, entrollten ein Banner mit dem Schriftzug „We can’t afford the super rich“ und warfen Flugblätter herab. Auch die Alarmanlage des Hotels wurde dabei ausgelöst. Auf der Straße vor dem Hotel skandierten Unterstützer der Aktivist:innen „Ihr seid nicht allein“ und „Klimaschutz ist kein Verbrechen.“

Die Polizei beendete die Aktion nach nur wenigen Minuten. Laut einer Polizeisprecherin wurden vier Personen festgestellt, deren Personalien überprüft wurden. Eine Sprecherin des Hotels bestätigte, dass die Klimaaktivist:innen sich regulär ein Zimmer für zwei Nächte im Adlon gebucht hatten. Inwiefern das Hotel Anzeige erstatten würde, etwa wegen Hausfriedensbruchs, sei noch unklar. „Wir behalten uns das vor“, sagte sie.

Demonstration von Extinction Rebellion.
Demonstration von Extinction Rebellion.

© AFP/JOHN MACDOUGALL

Zuvor waren Aktivist:innen von „Extinction Rebellion“ vom Invalidenpark aus in Richtung Pariser Platz gezogen. Rund 200 Menschen, zum Teil verkleidet als „Superreiche“ und „Arbeiter“, nahmen an der Demonstration teil. Anschließend posierten sie als eine Art „Familienfoto“ mit einer pinken Rakete vor dem Brandenburger Tor.

Familienfoto mit Rakete.
Familienfoto mit Rakete.

© Madlen Haarbach

Bereits am Morgen hatten Klimaaktivist:innen der Gruppen Letzte Generation und Extinction Rebellion mit einer öl-ähnlichen Flüssigkeit mehrere Gebäude in Berlin beschmiert. Darunter waren die FDP-Bundesgeschäftsstelle in Berlin-Mitte und der Sitz von Coca-Cola in Deutschland an der Stralauer Allee.

Auch der Standort des Pharmakonzerns Bayer an der Müllerstraße soll beschmiert worden sein sowie zahlreiche weitere Gebäude, darunter Banken.

Ein Aktivist der Klimagruppe „Letze Generation“ bespritzt die FDP-Bundesgeschäftsstelle mit ölartiger Farbe.
Ein Aktivist der Klimagruppe „Letze Generation“ bespritzt die FDP-Bundesgeschäftsstelle mit ölartiger Farbe.

© dpa/Christoph Soeder

Aus Eimern kippten die Aktivist:innen die schwarze Farbe etwa auf die Eingangstüren und den Eingangsbereich der FDP-Zentrale an der Reinhardtstraße, wie DPA-Reporter berichteten. Anschließend klebten sie mehrere Plakate an: „FDP: Profis im Blockieren, Kleben am Verbrenner“, stand unter anderem darauf.

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„An rund 30 Orten, unter anderem auch Shell, Bayer oder Vattenfall, machten Menschen von Extinction Rebellion sowie Wissenschaftler:innen von Scientist Rebellion mit Plakaten, auf denen ‚Profite Über Leben’ steht, auf die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen aufmerksam“, schrieb die Letzte Generation in einer Erklärung.

In Zusammenhang mit den Farbattacken sprach die Polizei am Donnerstagnachmittag von bislang 61 Festnahmen. Worauf sich die Festnahmen konkret bezogen, konnte eine Sprecherin noch nicht sagen. Eine endgültige Bilanz werde es vermutlich erst am Freitag geben, kündigte sie an.

Das Camp an der Invalidenstraße ist aufgebaut.
Das Camp an der Invalidenstraße ist aufgebaut.

© Madlen Haarbach

Seit Mittwoch organisiert Extinction Rebellion zudem ein Klima-Camp im Invalidenpark. Mehrere dutzend Zelte und eine Veranstaltungsbühne wurden in dem Park aufgebaut. Das Camp dient als Basis für die sogenannte „Frühlingsrebellion“ der Klimaaktivist:innen, die bis zum 17. April andauern soll. Neben Infoveranstaltungen organisieren die Aktivist:innen unter anderem auch Gesprächsrunden und gemeinsame Yogastunden in dem Camp.

Die Berliner FDP hat die Attacke auf ihr Büro in einer Mitteilung scharf kritisiert. „Es kann nicht sein, dass die Berlinerinnen und Berliner dieser kriminellen Gruppe jeden Tag schutzlos ausgesetzt sind“, kommentierte Generalsekretär Lars Lindemann. Er forderte „eine zentrale Plattform bei der Innenverwaltung, damit Geschädigte ihre Ansprüche wegen einer Blockade zentral anmelden können“ sowie eine Ausweitung des Unterbindungsgewahrsams. „Die Maßnahmen müssen Präventivcharakter haben, damit Berlin nicht zum Tollhaus von kriminellen Klima-Aktivisten wird“, sagte Lindemann.

Aktivisten der Klimagruppe „Letze Generation“ bespritzen die FDP-Bundesgeschäftsstelle mit ölartiger Farbe.
Aktivisten der Klimagruppe „Letze Generation“ bespritzen die FDP-Bundesgeschäftsstelle mit ölartiger Farbe.

© dpa/Christoph Soeder

Auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai kritisierte die Aktionen der Gruppe. „Derartige Aktionen befremden die Menschen, tragen zu einer Spaltung der Gesellschaft bei und schaden dem Klimaschutz“, sagte er den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Der Rechtsstaat müsse wehrhaft sein und dürfe „nicht zulassen, dass einzelne radikale Gruppen im großen Stil gesetzeswidrige Aktionen durchführen“.

CDU-Generalsekretär Mario Czaja warnte vor einer Radikalisierung der Aktivisten. „Der Schmier-Angriff auf die FDP-Parteizentrale zeigt, wie sehr sich die Klima-Chaoten der selbsternannten „Letzten Generation’ immer weiter radikalisieren.“ Er erwarte, dass die Polizei bei Straßenblockaden hart durchgreife und „Klima-Kleber so lange wie rechtlich möglich in Gewahrsam nimmt“.

Im Ziel Klimaschutz sind wir uns einig, aber der gewählte Weg dorthin ist der falsche und führt uns keinen Schritt näher an das eigentliche Ziel.

Iris Spranger (SPD), Innensenatorin

Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sagte: „Wir werden jedweden Protest, der sich im Rahmen von Meinungs- und Versammlungsfreiheit bewegt, nicht nur stützen, sondern erforderlichenfalls auch schützen. Blinde Schädigungswut, Nötigungen, Gefährdungen anderer verlassen aber diesen Rahmen, den wir uns als Gesellschaft gegeben haben.“

Dass Klimaschutz vorankommen müsse, stehe außer Frage, sagte Spranger. Sie ärgere sich aber über die Einstellung, man müsse die Gesellschaft in Geiselhaft nehmen, die Politik erpressen und sie zum Handeln zwingen. „Wird diese Grenze überschritten, wird der Rechtsstaat sich dem entschlossen entgegenstellen.“ Dies zeige sich im Handeln der Polizei im Zusammenhang mit den Protesten vom Donnerstag. „Im Ziel Klimaschutz sind wir uns einig, aber der gewählte Weg dorthin ist der falsche und führt uns keinen Schritt näher an das eigentliche Ziel“, meinte die Innensenatorin.

Linkspartei spricht Unterstützung aus

Auch SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch äußerte Kritik an den Methoden der Gruppe. „Klimaschutz gelingt nicht, wenn radikale Klimaaktivisten den Frust breiter Teile der Gesellschaft auf sich ziehen“, warnte er. Eine neue Eskalationsstufe konnte Miersch jedoch noch nicht erkennen. „Nur weil die ‚Letzte Generation’ und ‚Extinction Rebellion’ jetzt offenbar auch zu gemeinsamen Aktionen aufrufen, bedeutet das keine neue Stufe der Eskalation.“ Nach seiner Erfahrung gebe es in der Klimaszene ohnehin große personelle Überschneidungen.

Lob an den Aktionen der Klimaaktivist:innen kam vonseiten der Linkspartei. „Die Aktionen treffen die Richtigen, diejenigen, die mit ihrer Politik und ihrer Gier nach Profiten die Axt an die Lebensgrundlagen der Menschheit legen“, erklärte Parteivize Lorenz Gösta Beutin. Der Klimawandel könne nur gestoppt werden, „wenn die Profiteure der Klimazerstörung zur Rechenschaft“ gezogen würden.

Bereits vor rund einem Monat hatten Mitglieder der Letzten Generation eine ebenfalls öl-ähnliche Flüssigkeit auf das Grundgesetz-Denkmal in der Nähe des Reichstags in Berlin gekippt und damit bundesweit Kritik und Empörung ausgelöst. Das Denkmal konnte schnell gereinigt werden und wurde nicht beschädigt.

Letzte Generation und Extinction Rebellion hatten für diese Tage weitere Störaktionen angekündigt. Die Bewegung Fridays for Future hatte sich von dem Vorgehen der Letzten Generation distanziert. „Die Klimakrise braucht gesamtgesellschaftliche Lösungen, und die finden und erstreiten wir nur gemeinsam und nicht, indem wir Menschen im Alltag gegeneinander aufbringen“, sagte Sprecherin Annika Rittmann. (mit dpa, AFP)

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