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Netzwerken hilft, denn viele ehrenamtliche Initiativen erreichen im Zusammenschluss mehr Menschen. 

© Foto: Holger Groß/Parität Berlin

Freiwilligentage mit neuem Fokus: Wie können ehrenamtliche Aktionen nachhaltig gestaltet werden?

Nachhaltigkeit wird bei gesellschaftlichem Engagement immer wichtiger. Wie das am besten gelingen kann? Darum ging es bei einer Fachtagung des Paritätischen.

Nachhaltigkeit im freiwilligen Engagement – was heißt das eigentlich? Im Umweltengagement kann es bedeuten, Fridays for Future bei der Finanzakquise zu helfen, damit die Initiative langfristig gesichert ist. Denn „auf die meisten Fördergelder können die Aktiven nicht zugreifen, weil sie kein Verein sind“, sagt Jenny Stiebitz, Koordinatorin für junges Engagement in der Oskar Freiwilligenagentur.

Im Bereich Inklusion kann nachhaltig agieren bedeuten, niemanden auszuschließen. Doch oft ist das gar nicht so leicht umzusetzen. Der blinde Spitzensportler Jörg von de Fenn – Bergsteiger, Inlineskater und Kampfsportler – ist fit wie ein Turnschuh. Nur ab und an helfen ihm Ehrenamtliche beim Einkaufen und er hat eine Laufbegleitung.

Trotzdem trifft er im Alltag auf Vorurteile: „Meist wird ausschließlich mit meiner Begleitung gesprochen, egal um welche Themen es geht“, sagt der 53-Jährige, der sich eine direktere Kommunikation wünscht: einfach ihn selbst ansprechen.

Um Aspekte wie diese ging es bei der Fachtagung „Nachhaltigkeit stärken durch Freiwilliges Engagement“ des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin. 50 Engagierte verschiedener Organisationen und Vereine diskutierten, was an ihren Engagements nachhaltig ist, wie diese langfristig wirkender gestaltet werden könnten und was es dafür braucht.

An die Nachhaltigkeitsziele andocken

Die ganztägige Fachtagung hatte sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt: die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung. Mit der Agenda 2030 haben sich die Staaten der Vereinten Nationen zu 17 Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals, kurz SDGs) für eine bessere Zukunft verpflichtet. Sie umfassen ökonomische, ökologische und soziale Aspekte: keine Armut, hochwertige Bildung, weniger Ungleichheiten oder nachhaltiger Konsum sind einige von ihnen.

Nachhaltiges Engagement betreffe nicht nur Umweltschutz, sondern auch den sozialen Bereich und die Nothilfe – etwa für Geflüchtete aus der Ukraine oder Nachbarschaftshilfe in der Pandemie. „Es geht heute um diese Unterschiedlichkeit und Vielfalt“, sagte Gabriele Schlimper, Geschäftsführerin des Paritätischen.

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Der Fachtag war auch ein „Warm-up“ und Auftakt für die Berliner Freiwilligentage im September. Die Aktionstage werden unter dem Titel Gemeinsame Sache seit 2014 vom Paritätischen gemeinsam mit dem Tagesspiegel veranstaltet und journalistisch begleitet. 2021 zeigte sich die Vielfalt des Engagements in Form von 350 Mitmachaktionen, angeboten von 270 Initiativen. Auch 2022 können wieder Aktionen angemeldet werden, der Fokus liegt diesmal auf Nachhaltigkeit. 

Tipps für Mitmachangebote mit dem Fokus Nachhaltigkeit gaben Maxie Wolf und Charlotte Funk von GoNature. Die Plattform ist online wie offline gut vernetzt. 
Tipps für Mitmachangebote mit dem Fokus Nachhaltigkeit gaben Maxie Wolf und Charlotte Funk von GoNature. Die Plattform ist online wie offline gut vernetzt. 

© Holger Groß/Parität Berlin

Wie Mitmachangebote dazu aussehen können, zeigten beim Fachtag unter anderem Aktive von GoNature, einer Tochterorganisation von Join Impact, zu der auch GoVolunteer gehört.

Starke Netzwerke

„2021 haben wir in der Hasenheide einen Lebensturm gebaut, das ist ein großes Insektenhotel“, berichtete Charlotte Funk von GoNature. Außerdem gab es beim World Cleanup Day eine große Müllsammelaktion im Mauerpark gemeinsam mit dem Verein Freunde des Mauerparks, der Organisation „wirBERLIN“ und der Hochschulgruppe der ESMT Berlin.

„Da waren eine Menge Leute – über 200 insgesamt“, berichtet Funk. Die „Partner Managerin“ von GoNature weiß, dass vor allem auch Vernetzung nachhaltig für die eigene Arbeit wirken kann: So haben gemeinsame Aktionen meist mehr Reichweite und mehr Teilnehmer:innen. Außerdem wichtig sei das Weitermachen und Dranbleiben.

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Auf die wichtige Rolle von „starken lokalen Netzwerken“ für eine nachhaltige Metropole wies auch Engagement-Staatssekretärin Ana-Maria Trasnea bei der Veranstaltung hin: „Wir brauchen Kräfte aus der Wirtschaft, von den sozialen Verbänden, aber auch von der Stadtverwaltung und vom Senat.“ Das Zusammenwirken stadtpolitischer und zivilgesellschaftlicher Kräfte sei gerade angesichts globaler Herausforderungen wichtig.

Doch nicht immer klappt dieses Zusammenwirken – gerade im Bereich Stadtentwicklung. Dabei sei das Interesse vieler Bürger:innen an Beteiligung groß, vor allem wenn es um ihr direktes Umfeld geht: um Bauprojekte, Grünflächen oder Verkehr.

„Oft hat man den Eindruck, Bürgerbeteiligung wird groß auf die Fahne geschrieben, dann aber eine Abstimmung in den Tiefen des Internets versteckt“, sagte dann Bianca Janssen von der Aufbau Haus GmbH, die mit anderen Aktiven die Plattform „Moritz & Friends“ initiierte, um den Kreuzberger Moritzplatz zu einem „schöneren“ Ort zu machen.

Beziehungen auf Augenhöhe

Im Stadtteilzentrum Kiezspinne in Lichtenberg an der Schulze-Boysen-Straße 38 funktioniere das Ineinandergreifen der Netzwerke gut, berichtet der Projektkoordinator und Sozialarbeiter Aljoscha Held. Für Menschen, die aus der Ukraine flüchteten, wurde die Kiezspinne zur Erstkontaktstelle umfunktioniert. Das nachbarschaftliche Stadtteilzentrum vermittelt sie je nach Bedarf an andere Beratungsstellen weiter, bietet ein Bewerbungs- und ein Sprachcafé an.

Was Held aus den Workshops mitnimmt? „Ehrenamtliche Arbeit beruht auf einer intakten Beziehung und Vertrauen zwischen den Menschen.“ Es gehe darum, Bedürfnisse zu ermitteln und auf Augenhöhe zu zeigen, dass sie gebraucht werden und Teil der Gesellschaft sind.

Ein anderes Beispiel: Compagno e.V, bringt Firmen „die für die Energiewende arbeiten“, mit geflüchteten Menschen aus der Ukraine in Kontakt, stellt Teams zusammen und begleitet die Einarbeitung. Freiwillige für diese Begleitung werden weiter gesucht. „Wir sind dankbar über englischsprechende Leute“, sagt Rudi Piwko (Kontakt: kontakt@compango.org).

Nachhaltiges Engagement bedeute auch, für sich zu sorgen, sagte Johannes Verch von der Alice Salomon Hochschule. „Im ehrenamtlichen Bereich und in der Sozialen Arbeit beuten sich viele selbst aus“, weiß Verch. Es bedürfe Mut, Projekte auszuwählen oder auch mal zu verlassen. „Ich empfehle meinen Studenten, früh auf sich aufzupassen – nicht erst mit Mitte 50 und Burn-out.“

Jan Göldner von der Naturschutzjugend im NABU ermutigte andere Engagierte, sich die UN-Nachhaltigkeitsziele zu eigen zu machen. 
Jan Göldner von der Naturschutzjugend im NABU ermutigte andere Engagierte, sich die UN-Nachhaltigkeitsziele zu eigen zu machen. 

© Holger Groß/Parität Berlin

Die 17 SDGs – sind die Ziele für kleine Initiativen und Einzelpersonen überhaupt erreichbar? Jan Göldner, Bundesjugendsprecher der NAJU, der Jugendorganisation vom NABU, machte Mut: „Wenn ihr euch auf den Weg macht, Nachhaltigkeit in eure Institution zu tragen, nehmt einen positiven Blickwinkel ein.“

Oft sei es nur ein kleiner Schritt, Ziele ins konkrete Handeln zu integrieren. Selbst etwas bewirken zu können, sei für viele ein Anreiz, sich zu engagieren. Bei der Gemeinsamen Sache können Interessierte das einfach mal ausprobieren.

Bald wieder Gemeinsame Sache machen

Mit mehr als 30 Partnerorganisationen, weiteren Vereinen und Unternehmen veranstalten der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin und der Tagesspiegel bald wieder die Gemeinsame Sache/Berliner Freiwilligentage. Ziel des Projekts ist es, das freiwillige Engagement in der Stadt sichtbar zu machen und damit ein starkes Zeichen für Vielfalt, Demokratie und Nachhaltigkeit zu setzen.

Vom 9. bis 18. September 2022 finden in allen Bezirken viele Mitmachaktionen statt, die sich über Freiwillige freuen, wie Garten- und Aufräumaktionen, Upcycling-Angebote, Spaziergänge zu Gedenkorten oder Kleiderspenden für Menschen in Notlagen.

Ob drinnen oder draußen, digital oder vor Ort – jede Aktion ist anders und jede:r kann mitmachen. Auf der Webseite www.gemeinsamesache.berlin stehen im Sommer viele Aktionen zum Ausprobieren, bis Mitte September kommen weitere hinzu.

Eigene Aktionen anbieten? Das Formular gibt es unter gemeinsamesache.berlin/aktion-anmelden. Infos auf Social Media: Facebook und Instagram @freiwilligentage, Twitter @freiwilligentag.

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