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Das Kottbusser Tor und die gleichnamige U-Bahnstation in der Abenddämmerung.

© dpa/Christoph Soeder

Geplante Polizeistation in Berlin-Kreuzberg: Mietvertrag für umstrittene Kotti-Wache unterzeichnet

Berlins Innensenatorin Iris Spranger treibt ihre Pläne für die Polizeiwache voran – trotz massiver Kritik von allen Seiten.

Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) will die Polizeiwache am Kottbusser Tor weiter mit aller Macht durchsetzen. Obwohl ihre Koalitionspartner von Grünen und Linken, Anwohnerinitiativen und Gewerbetreibende wiederholt weitere Gespräche und ein offenes Verfahren zur Standortsuche für die Kotti-Wache gefordert haben, ist nun der Mietvertrag für die Räume im Gebäuderiegel über der Adalbertstraße unterzeichnet worden. 

Das geht aus einer internen E-Mail von Sprangers Büro vom Freitag hervor. Demnach habe sie „Kenntnis davon erhalten“, „dass der Mietvertrag für die Polizeiwache am Kottbusser Tor“ zwischen dem landeseigenen Immobiliendienstleister BIM und der Wohnungsbaugesellschaft Gewobag „unterzeichnet wurde“.

Spranger will die Polizeiwache bis Jahresende eröffnen. Für die SPD-Politikerin ist es ein Prestigeprojekt an dem kriminalitätsbelasteten Ort, wo Drogenhandel, Diebstahl, Gewalt und Raubüberfälle an der Tagesordnung sind. Hinzu kommen soziale Probleme, Armut, Obdachlosigkeit, Müll und Partytourismus.

Anwohner und Gewerbetreibende sind nicht gegen eine Polizeiwache – aber gegen die 200 Quadratmeter große Wache im früheren Spielcasino mit direktem Blick von oben auf das Kottbusser Tor. Die Kosten sind immens für eine Wache, in der pro Schicht nur drei Beamte sitzen und Anzeigen schreiben. 

Im Haushalt waren zunächst nur 250 000 Euro dafür veranschlagt, mit Hilfe des Chefs der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Raed Saleh, bekam Spranger dafür noch einmal weitere 3,5 Millionen Euro. Die Grundsanierung wird teurer, es ist Sicherheitsglas nötig, die Wache muss ohnehin schärfer geschützt werden.

[Lesen Sie mehr mit Tagesspiegel-Plus: „Wir brauchen Beamte auf Augenhöhe“: Chef des „Café Kotti“ kritisiert Pläne für Polizeiwache im Obergeschoss]

Dass nun bereits der Mietvertrag unterzeichnet wurde, löst in der rot-grün-roten Koalition Kritik aus. „Ich finde das enttäuschend. Die Innensenatorin stellt sich da selbst ein Bein“, sagte Grünen-Innenexperte Vasili Franco am Sonntag. „Wenn es zum Standort keinen runden Tisch und keine echte Beteiligung gibt, riskiert die Innensenatorin, dass die Wache kein Gewinn für das Kottbusser Tor wird.“ 

Auch Linke-Innenexperte Niklas Schrader äußerte Kritik: „Ich sehe die Gefahr, dass die Innensenatorin die komplette lokale Kompetenz gegen sich aufbringt und sich die Situation dort nicht verbessert“, sagte Schrader.

Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) bei einer Debatte im Abgeordnetenhaus.
Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) bei einer Debatte im Abgeordnetenhaus.

© dpa/Wolfgang Kumm

Auch der Mieterrat „Neues Kreuzberger Zentrum“ (NKZ), wie das Hochhaus über der Adalbertstraße heißt, in das die Wache einziehen soll, erklärte: „Die gesamte politische und zivilgesellschaftliche Öffentlichkeit in Kreuzberg lehnt den Standort ab. Die Ortswahl von Oben durchzusetzen, wird sich als Bärendienst für alle herausstellen.“ 

Die Beteiligung von Mietern, Nutzern und Gewerbetreibenden müsse im Zentrum stehen – „dies ist sträflich nicht geschehen“. Der Standort sei falsch. „In Konsequenz heißt das, auch ein unterschriebener Vertrag kann aufgelöst werden und das sollte geschehen“, erklärte der Mieterrat.

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Bereits vor eineinhalb Wochen hatten zwölf Gruppen von Anwohnern, Aktivisten und Gewerbetreibenden rund um das Kottbusser Tor in einem offenen Brief gegen den Standort für die Wache protestiert. Sie forderten den Senat und Abgeordnete auf, die Pläne zu stoppen.

Auch im Stadtentwicklungsausschuss der Bezirksverordneten von Friedrichshain-Kreuzberg wurde über die Kotti-Wache diskutiert. Ein Grünen-Antrag, der einen „Runden Tisch mit allen beteiligten Akteur*innen“ unter enger Beteiligung des Bezirks fordert, wurde auf Druck der SPD vertagt. Die verwies darauf, dass ein ganzheitliches Konzept auf Landesebene im Umlauf sei. Darauf solle man warten. 

Es gehe nicht darum, ob es eine Wache geben soll oder nicht – „die meisten Menschen wünschen sich eine stärkere Polizeipräsenz. Es geht um die Form“, sagte die Grünen-Verordnete Taina Gärtner. Die Kotti-Wache am geplanten Standort ist für Gaby Gottwald (Linke) „eine Idee des Senats, ohne den Bezirk und die Leute vor Ort zu konsultieren“.

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Die Kritiker der Standortwahl können sogar auf die Polizei verweisen, denn selbst dort sehen viele Sprangers Pläne mit Argwohn. Die geplanten 20 Beamten für drei Polizisten pro Schicht seien zu wenig, heißt es von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Diese kritisierte die Wache offen als Showobjekt. Um ernsthaft Kriminalität zu bekämpfen wollen, seien mindestens 65 zusätzliche Beamte nötig.

Kürzlich äußerte sich auch Norbert Sommerfeld deutlich in der „taz“. Der 60-Jährige ist einer von zwei Kontaktbereichsbeamten am Kotti. Über die Wache sagte er: „Die Leute haben Angst, dass das dann nicht mehr ihr Kotti ist.“ 

Und: „Die Wache wird bei der Größe im Prinzip nur mit sich selbst beschäftigt sein. Die Polizisten werden nicht rausgehen können.“ Nötig seien geeignete Räume, ein fester Personalstamm, der den Kiez kenne. „Wer neu hierherkommt und niemanden kennt, kontrolliert immer den falschen.“

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