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Gewalt in Berlin-Gesundbrunnen eskaliert: 30-Jähriger stirbt nach Stich – Tatverdächtiger ebenfalls verletzt
Drei Gewalttaten an einem Abend: In Gesundbrunnen geraten mehrere Menschen aneinander, ein 30-Jähriger stirbt. In der Nähe kommt es zu weiteren Attacken. Die Polizei prüft einen Zusammenhang.
Stand:
Nachdem bereits am Freitagabend zwei Männer in Kreuzberg und Neukölln durch Schüsse verletzt wurden, ist es am Samstagabend in Berlin-Gesundbrunnen zu drei Gewalttaten gekommen – ein 30-Jähriger starb, drei weitere Personen wurden verletzt, darunter ein Tatverdächtiger.
Wie Polizei und Staatsanwaltschaft am Sonntag mitteilten, war es gegen 21 Uhr vor einem Café in der Bastianstraße zu einer Auseinandersetzung innerhalb einer größeren Personengruppe gekommen. Dabei habe ein 30-Jähriger „erhebliche Stichverletzungen“ erlitten, an deren Folgen er später im Krankenhaus starb.
Ein 25-Jähriger, der als Tatverdächtiger gilt, sei ebenfalls verletzt und zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus gebracht worden. Die Mordkommission ermittelt wegen des Verdachts auf Totschlag.
Ob gegen den 25-Jährigen Haftbefehl beantragt wird, müsse die Staatsanwaltschaft bis Montag entscheiden, sagte ein Sprecher. Andernfalls käme der Mann auf freien Fuß. Sowohl Opfer als auch Tatverdächtiger sind laut Staatsanwaltschaft in der Türkei geboren.

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Zunächst hatte die Polizei von 40 bis 60 Beteiligten gesprochen. Ein Polizeisprecher wollte diese Zahl am Sonntag auf Nachfrage nicht mehr bestätigen und sprach lediglich von „vielen“ an der Auseinandersetzung beteiligten Personen.
Sie haben sich nach Polizeiangaben wohl nicht persönlich gekannt – es soll sich aber um Personen aus „bestimmten kriminellen Milieus“ gehandelt haben. Die Polizei war nach eigenen Angaben mit einem Großaufgebot im Einsatz.
Unbekannter schießt mehrfach auf 17-Jährigen
Die Ermittler prüfen nun, ob ein Zusammenhang zwischen der Tat und den weiteren Taten am Samstagabend in Gesundbrunnen und am Freitagabend in Kreuzberg und Neukölln besteht. Bislang zeichne sich das nicht ab, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft mit.
Bereits gegen 19.30 Uhr habe bei einer zweiten Auseinandersetzung in der nahegelegenen Prinzenallee ein bislang Unbekannter mehrfach auf einen Jugendlichen geschossen, teilte die Polizei am Sonntag mit. Ein Maskierter habe demnach ein Café betreten, sei zielstrebig zum Tisch des 17-Jährigen gegangen und habe auf ihn geschossen. Zudem soll der Täter einen 25-jährigen Begleiter des Opfers bedroht haben.
Der 17-Jährige wurde mit lebensgefährlichen Beinverletzungen in ein Krankenhaus gebracht und notoperiert. Der Verdächtige sei flüchtig. Das Opfer ist nach Polizeiangaben von Sonntagmorgen inzwischen außer Lebensgefahr.
Gegen 22.50 Uhr wurden Beamte am Samstagabend abermals nach Gesundbrunnen alarmiert. Im Volkspark Humboldthain erlitt ein 35-Jähriger bei einer weiteren Auseinandersetzung Stichverletzungen, sagte ein Polizeisprecher.
Der Mann, der mit Freunden unterwegs war, traf laut Polizeiangaben im Park auf eine Gruppe von etwa sieben Männern, die Baseballschläger und Pfeffersprays in den Händen gehalten haben sollen. Als die Freundesgruppe in unterschiedliche Richtungen flüchtete, soll die fremde Gruppe dem 35-Jährigen gefolgt sein und ihn mit einem Messer verletzt haben. Er kam mit mehreren Stichwunden im unteren Rücken ins Krankenhaus und wurde ambulant behandelt. Lebensgefahr bestehe nicht. Die Gruppe der Angreifer flüchtete unerkannt.
„Wir ermitteln in alle Richtungen und prüfen, ob ein Zusammenhang zwischen den Taten besteht“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Das beziehe sich auch auf die Taten von Freitagabend.
Schon am Freitagabend fielen Schüsse in Berlin
Am Freitagabend waren zwei Männer in Berlin durch Schüsse verletzt worden. In der Bergmannstraße in Kreuzberg wurde ein 26-Jähriger angeschossen, der gerade vor einem Restaurant saß. Er wurde in einem Krankenhaus operiert und ist laut Polizeiangaben inzwischen außer Lebensgefahr. Die Polizei sucht nach der Tat nach einem Einzeltäter.
Auf der Sonnenallee in Neukölln wurde am späten Freitagabend ein 39-Jähriger angeschossen, als er vor dem Eingang eines Mehrfamilienhauses an seinem Motorrad stand. Der Täter zielte offenbar auf die Beine. Der 39-Jährige wurde laut Angaben der Polizei im Krankenhaus notoperiert. Auch hier sei der Täter flüchtig.
Immer wieder Gewalt in Gesundbrunnen
In der jüngsten Vergangenheit hat aber nicht zuletzt der Ortsteil Gesundbrunnen im Bezirk Mitte immer wieder im Zusammenhang mit Kriminalität von sich reden gemacht: Erst Anfang Juli sind zwei Einbrecher auf der Flucht vor der Polizei von einem Balkon aus dem dritten Stock gesprungen und zogen sich zahlreiche Knochenbrüche zu.
Ende Juni nahmen Zivilfahnder mit Unterstützung eines Spezialeinsatzkommandos einen Mann fest, der bei einem Streit in Neukölln einen 28-Jährigen erstochen haben soll.
Nicht einmal zwei Wochen zuvor starb ein Mann im Krankenhaus, der mit einem Messer am Hals verletzt worden war. Zuvor war eine Auseinandersetzung am Hanne-Sobek-Platz in Gesundbrunnen eskaliert.
Ende Mai kam es in dem Ortsteil zu einem Schusswechsel. Ein Mann gab an, zuvor mit einem Messer und einer Stange angegriffen und beraubt worden zu sein. Er kam mit Verletzungen ins Krankenhaus.
Gewerkschaft der Polizei fordert generelles Messerverbot im öffentlichen Raum
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verlangt nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen am Samstagabend Konsequenzen. „Die zurückliegende Nacht zeigt uns nochmal, warum wir ein generelles Messerverbot im öffentlichen Raum fordern, weil alles andere kleinteiliges Herumdoktern ist und wir gesellschaftlich umdenken müssen“, sagte der Berliner Landesvorsitzende der GdP, Stephan Weh, auf dpa-Anfrage.
„Gerade junge Männer nehmen heute überall ein Messer mit hin, weil sie bereit sind, es einzusetzen und damit andere schwer zu verletzten oder zu töten“, warnte er. „Dass Messer immer wieder in Gruppenauseinandersetzungen als Armverlängerung zum Einsatz kommen, ist eine über Jahre gewachsene Entwicklung, der der Rechtsstaat endlich eine klare und für jeden transparente Grenze aufzeigen muss.“
Weh geht die aktuelle Berliner Regelung nicht weit genug. Seit Donnerstag gilt im gesamten öffentlichen Berliner Nahverkehr ein striktes Verbot von Messern und anderen Waffen. Schon jetzt gibt es in Berlin außerdem drei Waffen- und Messerverbotszonen: am Kottbusser Tor, im Görlitzer Park und am Leopoldplatz – sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten, an denen es überdurchschnittlich oft zu Straftaten kommt. Der konkrete Nutzen einzelner Verbotszonen ist umstritten. (Tsp, dpa)
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