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Ob die Schüler nichts über den Nationalsozialismus erfahren haben, konnte die Schulaufsicht bislang nicht abschließend klären.

© picture alliance/dpa

Holocaust-Leugner Schaub und Nerling: Freie Schule in Berlin-Mahlsdorf unter Rechtsextremismus-Verdacht

Eine Schule in Berlin-Mahlsdorf hat enge Verbindungen zu Rechten. Ein Ex-Lehrer sagt, das „Tagebuch der Anne Frank“ sei als Fälschung bezeichnet worden.

Die Schule liegt am östlichen Rand Berlins, im Ortsteil Mahlsdorf, rundherum ist viel Grün. Etwa 160 Kinder in den Klassen eins bis zwölf werden dort unterrichtet, 30 Mitarbeiter listet die Internetseite der Schule auf.

Dort steht auch: „Wir führen die Schule politisch und konfessionell neutral in freier Trägerschaft.“ Tatsächlich ist die Schule ein Fall für die Schulaufsicht und für den Verfassungsschutz – wegen des Vorwurfs rechtsextremistischer Umtriebe.

Der bekannte Holocaustleugner, Rechtsextremist und Antisemit Bernhard Schaub war an der Schule aktiv, sein Kind ging dort zur Schule. Und er hat sich offenbar, so berichtete es kürzlich der WDR in einer Reportage, besonders gut mit der Leitung der Einrichtung verstanden.

Nach Aussagen eines früheren Lehrers soll es an der Schule nicht gern gesehen sein, wenn im Unterricht die jüngere deutsche Geschichte behandelt wird oder das Parteiensystem der Bundesrepublik, das sei Beeinflussung der Schüler. Ebenso das „Tagebuch der Anne Frank“, es soll sogar als Fälschung bezeichnet worden sein.

Auch der sogenannte Volkslehrer Nikolai Nerling, ein bekannter Holocaustleugner, hat eine öffentliche Theateraufführung an der Schule besucht. Das war im Frühjahr 2019, ein Jahr nachdem der Tagesspiegel seine Machenschaften öffentlich gemacht hatte und er aus dem Schuldienst entlassen worden war. Der Mann und seine Gesinnung waren durch das breite Medienecho allgemein bekannt.

Der sogenannte "Volkslehrer" (links) beim Besuch an der Schule.
Der sogenannte "Volkslehrer" (links) beim Besuch an der Schule.

© privat

Wie konnte es so weit kommen? Bereits im Jahr 2013 hatte der Bund der Freien Waldorfschulen die Zusammenarbeit mit der Elsengrund-Schule aufgekündigt – weil der Rechtsextremismus-Verdacht nicht ausgeräumt wurde.

In einer Erklärung des Verbandes von Donnerstag heißt es über die Mahlsdorfer Schule am Elsengrund: „Als sie 2013 Kinder eines Holocaustleugners aufnahm und sich im Zusammenhang damit aufgeworfener Fragen nicht kooperativ zeigte und den Verdacht einer Nähe zu rechtsextremem Gedankengut der Schulleitung nicht ausräumen konnte, wurde ihr der Gaststatus seitens der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Waldorfschulen in Berlin-Brandenburg gekündigt.“

Der Schule sei zudem die Nutzung der Marke Waldorf untersagt, die Senatsverwaltung darüber informiert worden. Grund für das Vorgehen waren Hinweise einer Lehrerin auf Bernhard Schaub und eine mögliche „persönliche Nähe und auch eine inhaltliche Nähe“ von Lehrern und Schulführung zu rechtsextremistischen Positionen und rassistischen Sichtweisen in der Pädagogik.

Schaub war bei Holocaustleugner-Konferenz in Teheran

Der Schweizer Schaub ist ein Hardcore-Antisemit und Fanatiker. 2006 war er mit NPD-Funktionären bei der Holocaustleugner-Konferenz des iranischen Mullah-Regimes in Teheran. Und das ist nur ein Beispiel.

Er hatte auch die „Europäische Aktion“ um 2008 mitgegründet, die die „Rückwanderung“ aller Nicht-Europäer in ihre Heimatländer fordert und sich für Holocaustleugner Horst Mahler einsetzte, als der in Brandenburg in Haft saß.

Und Schaub war bei Nazi-Demonstrationen. Seine Kinder schickte Schaub, der selbst Waldorflehrer in der Schweiz war, in geheime Lager des extrem rechten Sturmvogel–Deutscher Jugendbund, wo der völkische Nachwuchs auf Linie gebracht wird.

Nach dem Streit mit dem Verband der Waldorfschulen schrieb Schaub der Leiterin der Elsengrund-Schule und deren Mann, der dort Lehrer ist, einen Brief und bedankte sich für die Unterstützung. Er habe nicht gedacht, dass die Schule „einem solch perfiden Ansturm von Aggressionen und Verleumdungen standhält“. Zugleich warnte er, dass sich nun „alle möglichen und jüdischen Aktivisten des Problems annehmen könnten“.

Der Brief von Bernhard Schaub an die Schulleiterin und ihren Partner.
Der Brief von Bernhard Schaub an die Schulleiterin und ihren Partner.

© privat

Er wisse, dass es an der Schule Sympathisanten gebe, und fühle sich „Euch und der Schule herzlich verbunden“. Ein Brief, geschrieben in vertraulichem Ton: „Wir wollen Euch so bald wie möglich wiedersehen, denn da ist ja zwischen uns eine Freundschaft gewachsen.“

Jahrelang geschah nichts. Es gab Hinweise, Eltern nahmen ihre Kinder von der Schule wegen Schaub, wie eine Mutter berichtet. Schaub soll die Schule nochmals besucht haben, etwa bei einem Volkstanzfest. Seine Nähe zur Führung der Schule soll bekannt gewesen sein. Ein Foto zeigt die Schulleiterin und Schaub beim Grillen. Auch eines der Kinder war wieder an der Schule.

Der Rechtsextreme Bernhard Schaub (links) bei einem Grillabend mit der Schulleiterin.
Der Rechtsextreme Bernhard Schaub (links) bei einem Grillabend mit der Schulleiterin.

© privat

Auch die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) wusste von den Vorgängen. Seit Ende 2019 beriet sie mehrere Personen aus dem Umfeld der Schule. „Mehrere Eltern haben sich unabhängig voneinander an uns gewendet. Nach allem was wir wissen, werden bestimmte wichtige Unterrichtsinhalte an dieser Schule systematisch weggelassen oder ausgeblendet“, sagt Mathias Wörsching von der MBR.

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„Das betrifft insbesondere die neuere Geschichte, also 1789 und ganz besonders die Verbrechen Nazideutschlands im Zweiten Weltkrieg, die Geschichte des Nationalsozialismus.“ Offiziell verwerten konnten die Berater die Inhalte der Gespräche nicht. Es herrschte Angst, niemand wollte mit seinem Namen dafür einstehen. Eltern berichteten von Verschwiegenheitserklärungen, die sie hätten unterzeichnen sollen.

Doch dann verfasste ein Vater, der die Schule mit aufgebaut hat, einen Brandbrief. Der Schulverwaltung berichtete er darin von den braunen Machenschaften, von einem diktatorischen und sektenartigen Führungsstil – und von den Verbindungen zum Holocaustleugner Schaub.

Die Schulaufsicht kam ohne Ankündigung

Die Bildungsverwaltung bestätigt auf Anfrage, dass das Schreiben Ende Januar 2020 beim Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf einging und von dort am 11. Februar der Senatsbildungsverwaltung übermittelt wurde.

Auch die Landesarbeitsgemeinschaft der Waldorfschulen Berlin-Brandenburg meldete sich im Februar 2020 bei der Schulaufsicht für die freien Schulen. „Es wurde sofort eine umfassende, vertiefte Überprüfung im Zeitraum von Februar bis November 2020 durch die Schulaufsicht der Schulen in freier Trägerschaft eingeleitet“, sagte ein Sprecher der Bildungsverwaltung.

Es gab Gespräche mit der Geschäftsführerin und Schulleiterin, die Schule musste schriftlich Stellung nehmen. Die Schulaufsicht besuchte die Einrichtung ohne Ankündigung, führte Hospitationen durch, prüfte das Personal und dessen erweiterte Führungszeugnisse, sichtete Akten.

Die Schulaufsicht erteilte Auflagen zum Einsatz von Lehrkräften, „Partizipation von Erziehungsberechtigten und Schülerinnen und Schülern“ und zur „Orientierung am Rahmenlehrplan“. Dies sei termingerecht umgesetzt worden.

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Doch die Vorwürfe, die Schule drifte nach rechtsaußen ab, ließen sich auf diese Weise nicht bestätigen. Die Schulaufsicht haben „keine Anhaltspunkte im Hinblick auf eine Beeinflussung von Schülerinnen und Schülern“ feststellen können, sagt ein Sprecher.

Nachdem der WDR berichtet hat, sei nun aber ein „weiteres schulaufsichtliches Prüfungsverfahren beauftragt worden“. Dabei gehe es etwa um den Besuch des Volkslehrers. Der Verfassungsschutz hatte die Schulverwaltung ebenso darauf hingewiesen.

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Die Schule weist die Vorwürfe als „naives Kolportieren verleumderischer Tatsachenbehauptungen“ zurück. Die Schulleitung werde gezielt in die Nähe von Rechtsextremisten gerückt. Beim Vater, der der Schulaufsicht geschrieben hat, handle es sich um ein „enttäuschtes vormaliges Vorstandsmitglied“. Die Vorwürfe hätten sich bei der Überprüfung als haltlos erwiesen.

Zum Holocaustleugner Schaub, zu den Hinweisen auf Lücken im Unterricht zur deutschen Geschichte – kein Wort. MBR-Fachmann Wörsching sagt: „Wir müssen befürchten, dass dort noch weitere Versuche rechtsextremer Agitation, Indoktrination vonstattengehen.“

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