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Horst Mahler beim Prozess wegen Volksverhetzung und Leugnung des Holocaust in Brandenburg/Havel 2022. Die Verhandlung wurde später aus Gesundheitsgründen abgebrochen.

© dpa/Fabian Sommer

Horst Mahler gestorben: Ein deutsches Leben zwischen Terrorismus und Judenhass

Von der RAF zur NPD: Der ehemalige sozialistische Strafverteidiger und spätere Holocaust-Leugner starb im Alter von 89 Jahren in Berlin.

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Dass Bildung und formaljuristische Präzision nicht zwingend einen guten Menschen machen, wissen die Deutschen spätesten seit den Nürnberger Prozessen. Aber die willkürlich auf Kant oder Hegel oder irrlichternde Strafrechtslehrer gegründete Barbarei hatte auch später noch ihre intelligenten Advokaten. Wie Horst Mahler, der als RAF-Unterstützer begann und als Holocaust-Leugner und Ideologe des Reichsbürger-Wahns endete. Er ist am Sonntag in Berlin gestorben, 89 Jahre alt.

Die Windungen und Wendungen seines Lebens füllen einen Wikipedia-Eintrag von Bundeskanzler-Länge. Und er war in den letzten Jahren längst nicht vergessen, übte Wirkungsmacht aus vor allem auf jene, die am Sonntag auch seinen Tod publik machten: Neonazis um die Partei „Die Heimat“. Sein Gedankengut hat sich über die Jahrzehnte in Hetzplattformen, Nazi-Podcasts und obskuren Geschichtskanälen angereichert, völkische Raserei, gesichert rechtsradikal.

Sein Antreiber war die Verachtung der Demokratie

Mancher seiner frühen, linken Wegbegleiter haben dieses Abdriften über den gesamten politischen Diskursraum als wahnhafte Entgleisung verstanden. Doch es gab bei Mahler nie Anzeichen für eine Art politischer Demenz. Im Gegenteil: Seine Ausführungen, oft genug von der Anklagebank, waren bei allem Wahn rhetorisch geschliffene Monster, da sprach einer, der sich für erleuchtet hielt und Menschenwürde und Anstand für bürgerliche Sentimentalität. Der gemeinsame Nenner all seiner Positionen – ein paar Wendungen zwischendurch ausgenommen – war die Verachtung der Demokratie und ihrer Institutionen.

Vorangegangen war eine traumatische Jugend. Mahler, 1936 geboren in Niederschlesien, zog nach der Flucht vor der Roten Armee und Suizid des Vaters 1949 mit der Familie nach Berlin. Er studierte Jura an der FU und trat einer schlagenden Burschenschaft bei, die er 1957 in Richtung SPD verließ. Diese wiederum warf ihn hinaus, als er dem SDS, Rudi Dutschkes Studentenbund, beitrat. 1964 gründete er eine Anwaltskanzlei, verteidigte vor allem strafverfolgte Studenten und näherte sich politisch der SED an.

Die Mandanten des Deutschen Herbstes

Unter seinen Mandanten waren Rudi Dutschke, Fritz Teufel und Rainer Langhans, dann die Kaufhausbrandstifter Andreas Baader und Gudrun Ensslin. Am 1. Mai 1969 gründete er mit Klaus Eschen, Ulrich K. Preuß und Hans-Christian Ströbele das „Sozialistische Anwaltskollektiv“ Berlin. Im November desselben Jahres wurde er als Drahtzieher der „Osterunruhen“ 1968 angeklagt. 1970 beteiligte er sich an der Gründung der RAF, plante Banküberfälle und die Befreiung Baaders, flüchtete dann mit anderen RAF-Mitgliedern nach Jordanien, um sich dort für den „bewaffneten Kampf“ ausbilden zu lassen.

Noch 1970 wurde er in Berlin verhaftet und zu einer Haftstrafe von 14 Jahren verurteilt – die Freipressung im Zuge der Lorenz-Entführung lehnte er ab. Die Gefängnisjahre verbrachte er mit dem Studium von Hegels Gesamtwerk. 1980 wurde er auf Betreiben seines Anwalts, des damaligen Juso-Vorsitzenden Gerhard Schröder, aus der Haft entlassen, sympathisierte erst mit den Grünen, dann mit der FDP.

Hunger nach Haftstrafen

Sein Abdriften nach ganz rechts wurde offenbar, als er 1997 in Stuttgart forderte, Deutschland müsse sich von seiner „Schuldknechtschaft“ zum „aufrechten Gang nationaler Identität befreien“. Er gründete eine deutschnationale Bürgerbewegung, organisierte „Montagsdemonstrationen“ gegen das geplante Holocaust-Mahnmal und rühmte Oskar Lafontaines Lob der sogenannten Tobin-Steuer mit der klassisch antisemitischen Sentenz, erstmals seit Hitler unterscheide ein deutscher Politiker „zwischen schaffendem und raffendem Kapital“.

2000 trat Mahler in die NPD ein, die er im Verbotsverfahren vertrat, dann aber mit der Begründung verließ, sie sei wie das parlamentarische System insgesamt zum Untergang verurteilt. Der Rest seiner Jahre bestand überwiegend aus neonazistischen und antisemitischen Ausfällen, häufig unterbrochen durch Haftstrafen, die er als eine Art Lebenselixier ansah und offensiv provozierte. Mahler hinterlässt, wenn man so will, also ein nachhaltiges Lebenswerk – anknüpfend an die übelsten Zeiten deutscher Geschichte.

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