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„Inakzeptables Planungschaos“: Neue Schwierigkeiten beim Bau von Berliner S-Bahn-Ausgängen
Nur drei von 13 S-Bahnhöfen bekommen einen zweiten Zugang. Bei anderen fehlt das Geld oder die Planungen kommen nicht voran. Die Grünen kritisieren „fehlende Priorisierung“.
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Ein Flug auf den Mars ist offensichtlich einfacher, als in Berlin einen zusätzlichen Ausgang für einen S-Bahnhof zu bauen. Nur drei von 13 S-Bahnhöfen sollten überhaupt den weiteren Zugang bekommen: Alt-Reinickendorf (S25), Wollankstraße (S2, S25) und Köpenick (S3). Dabei ist der Plan fast 30 Jahre alt: 1997 hatten Berlin und Deutsche Bahn ein Programm aufgelegt, um den Zugang für wichtige Stationen zu erleichtern.
Das Programm ist wie berichtet weitgehend gescheitert. Durch eine neue parlamentarische Anfrage der Grünen-Abgeordneten Oda Hassepaß werden jetzt neue Schwierigkeiten und neue Details bekannt. So wurde der Südausgang für den S-Bahnhof Westend „aufgrund der finanziellen Lage momentan zurückgestellt“. Dies geht aus der Antwort der Verkehrsverwaltung an Hassepaß hervor, sie liegt dem Tagesspiegel exklusiv vor.
Eigentlich wollte die Bahn in Westend die Fußgängerbrücke finanzieren. Als der Bundes-Topf leer war, wurde 2023 Berlin gefragt. Nun gibt auch Berlin zu, kein Geld zu haben. Wie „momentan“ zu verstehen ist, wird nicht genauer beschrieben. Die Grünen-Abgeordnete Hassepaß nennt es „bezeichnend“, dass der CDU-geführte Senat bei Fußgängern und ÖPNV spart: „Hier zeigt sich das Problem fehlender Priorisierung für eine gesunde Mobilität“, sagte sie dem Tagesspiegel.
Bei dem Schnellstraßenprojekt TVO (Tangentiale Verbindung Ost) sei auch gerade der Bundeszuschuss weggefallen, erinnert Hassepaß. Hier muss Berlin den Eigenanteil von 37 auf 325 Millionen Euro aufstocken. Bei der TVO sei das Geld selbstverständlich da, ärgert sich Hassepaß.
Aufgrund der finanziellen Lage momentan zurückgestellt.
Johannes Wieczorek, Staatssekretär in der Verkehrsverwaltung
2016 hatte der damalige Berliner Abgeordnete Stefan Gelbhaar übrigens diese Anfrage an den Senat gestellt: „S-Bahnhof-Zugänge – lange Planungszeiten und extreme Kostensteigerungen?“ Für Westend nannte die Verkehrsverwaltung eine Fertigstellung 2020.
Auch der stark frequentierte S-Bahnhof Prenzlauer Allee stand 2016 auf der von Gelbhaar abgefragten Liste. Antwort: 2019 ist die Fußgängerbrücke zwischen Kanzowstraße und Ahlbecker Straße fertig. Wie in Westend wird auch diese seit 1997 geplant. 28 Jahre später ist der Stand nun: alles zurück an den Anfang.
Denn irgendwann reichte dem Land eine einfache Treppe von der Fußgängerbrücke auf den Bahnsteig nicht mehr, es sollte auch ein Aufzug (und eine Überdachung) gebaut werden. Das vor 13 Jahren begonnene Planfeststellungsverfahren (also der Antrag auf eine Baugenehmigung) war damit vollständig hinfällig.

© Jörn Hasselmann
Hassepaß kritisiert das: „Wiederholte Umplanungen machen die Projekte durch die kontinuierlich steigenden Baukosten unnötig teuer.“ Leidtragende seien wieder einmal die Menschen, die gesundheitsbewusst und umweltfreundlich zu Fuß, mit dem Rad und mit dem öffentlichen Nahverkehr unterwegs sind. Tatsächlich hätten gerade in dem dicht bebauten Kiez an der Prenzlauer Allee (Bezirk Pankow) tausende Menschen kürzere Wege zum Zug.
Staatssekretär Johannes Wieczorek aus der Verkehrsverwaltung teilt nun mit, dass Ende November 2024 immerhin eine „Vorzugsvariante“ gefunden wurde. Noch in diesem Quartal solle die Vorplanung abgeschlossen werden. „Anschließend werden die nötigen weiteren Planungen als Grundlage der erforderlichen Planfeststellungsunterlage erarbeitet“, heißt es in der Antwort weiter.
Nach Einschätzung der Deutschen Bahn könnten „im ersten Quartal 2026 die Planfeststellungsunterlagen neu eingereicht werden“. Sollte 2028 die Baugenehmigung da sein, „wäre ein Baubeginn bis Ende 2030 möglich“, schreibt die Verwaltung. Wieso die Bahn zweieinhalb Jahre von der Genehmigung bis zum Baustart braucht, wird nicht erläutert. Und noch einen Haken gibt es: Gebaut wird nur, wenn „die Finanzierung für das Vorhaben gesichert ist“.
Auch der große Umsteigebahnhof Westkreuz soll seit über 20 Jahren einen Zugang in Richtung der Charlottenburger Wohngebiete bekommen. Seitdem haben sich die Beteiligten (Bahn, Bezirk, Land und Eisenbahnbundesamt) gegenseitig blockiert.
Wie berichtet, plant der Bezirk östlich der Station einen „Westkreuzpark“, durch den man aus Halensee oder vom Lietzensee aus den Bahnhof erreichen könnte. Streit gab es um die Grundstücke, der Bezirk verlor einen Prozess. Aktueller Stand: Im Dezember hat der Bezirk die Planung „der wiederholt überarbeiteten Variantenuntersuchung“ beim Eisenbahnbundesamt abgegeben.
Offenbar deutlich zu spät: Die Senatsverkehrsverwaltung teilt mit: „Die fortgeschrittene Zeit seit der Ersteinreichung der Unterlagen und der dadurch entstandenen veränderten Schnittstellen zu anderen Projekten erfordern, dass die gesamten Genehmigungsunterlagen überarbeitet und erneut eingereicht werden müssen.“
Für die Grünen-Verkehrspolitikerin Oda Hassepaß ist das ein „inakzeptables Planungschaos“. Ähnlich verworren sei die Situation am Bahnhof Zehlendorf, kritisiert die Abgeordnete. Dort seien durch nachträgliche Änderungen Planungskosten von 266.000 Euro verloren, teilte der Senat ihr mit.
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