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Fans des Tus Makkabi bei einem Spiel (Symbolbild).

© dpa/Andreas Gora

Update

Jüdische Spieler beleidigt, bespuckt und mit Messern und Stöcken verfolgt: Antisemitische Angriffe auf Jugendmannschaft von Makkabi Berlin

Nach einem Spiel des jüdischen Sportclubs sollen in Berlin Spieler mit Messern verfolgt worden sein. Die Angriffe gegen den Verein häufen sich.

Stand:

Während eines Fußballspiels zwischen dem jüdischen Sportclub TuS Makkabi Berlin und Schwarz-Weiß Neukölln und danach sollen Spieler und Zuschauer das jüdische Fußballteam am Donnerstagabend angegriffen haben.

„Unsere Kinder wurden mehrfach beleidigt und sogar bespuckt – und das, ohne dass der Schiedsrichter eingriff oder überhaupt aufmerksam wurde“, schrieb Shlomo Afanasev, Vater eines der Jugendlichen, auf der Plattform „X“. Am Telefon schilderte er dem Tagesspiegel, dass die Stimmung bei dem Spiel auf dem Sportplatz am Buckower Damm in Neukölln von Anfang an aufgeheizt gewesen sei.

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Afanasev, Militärrabbiner und Gründungsmitglied der jüdischen Gemeinde Kahal Adass Jisroel, auf die es bereits einen Anschlag gab, war selbst nicht vor Ort. Sein 13-jähriger Sohn sei nach dem Spiel „völlig verstört und schockiert“ gewesen, sagt er. Der Junge habe geschildert, dass ein Gegenspieler einen Makkabi-Spieler angespuckt habe. Die Gegner aus der B-Jugend hätten mehrfach „Free Palestine“ und „Scheiß Juden“ geschrien.

Nach dem Spiel soll die Lage dann erst richtig eskaliert sein, da war Afanasevs Sohn aber nicht mehr anwesend. Im Gruppenchat der Fußballmannschaft seines Sohnes hätten Spieler geschildert, dass sie von mehreren offenbar arabischen Jungs mit Stöcken und Messern verfolgt worden seien. Der Makkabi-Trainer habe seine Jungs dann schnell ins Auto und nach Hause geschickt, schildert Afanasev weiter.

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Auch er selbst sei von dem Vorfall schockiert, sagt er. Er habe noch keine antisemitischen Vorfälle persönlich erlebt, auch von Fußballspielen seines Sohnes seien ihm keine ähnlichen Vorkommnisse bekannt. „Im Gegenteil, in unserem Umfeld erleben wir normalerweise sehr viel Unterstützung“, sagt Afanasev.

Alon Meyer, Präsident von Makkabi Deutschland, bestätigte den Vorfall gegenüber der Deutschen Presseagentur. „Wir beraten jetzt, wie wir weiter vorgehen werden“, sagte Meyer vor einer Videokonferenz mit dem Berliner Verein.

Ein Vertreter von Schwarz-Weiß Neukölln bestätigte dem Tagesspiegel, dass es am Rande und vor allem nach dem Spiel zu Auseinandersetzungen gekommen sei. Diese seien vor allem aus dem Zuschauerbereich gekommen. So habe der Trainer der SW Neukölln nach dem Spiel „lautes Schreien“ von Außen vernommen. Der Vertreter kündigt auch an, die Lage während des Spiels aufklären zu wollen.

Wenn fest steht, dass einer der Spieler sich an antisemitischen Äußerungen beteiligt hat, ist klar, dass der heute Abend nicht mehr im Verein ist.

Vertreter vom SW Neukölln

Die SW Neukölln habe eine klare Vereinssatzung, die unter anderem Antisemitismus ausschließe. Das Spiel solle am Freitag auch bei einer schon länger anberaumten Sitzung der Jugendmannschaften thematisiert werden. „Wenn fest steht, dass einer der Spieler sich an antisemitischen Äußerungen beteiligt hat, ist klar, dass der heute Abend nicht mehr im Verein ist“, so der Vertreter weiter.

Er schildert allerdings auch, dass es am Rande von Spielen, egal gegen welche Mannschaft, immer wieder zu Auseinandersetzungen und Beleidigungen aus dem Zuschauerbereich komme. Die Stimmung sei generell „aufgeheizt“, das sei für den Verein nur schwer zu kontrollieren.

„Wir freuen uns, dass der Verein Konsequenzen ziehen möchte und hoffen, dass sie auch handeln“, sagte Makkabi-Präsident Alon Meyer. Ein einfaches Aussortieren der Person aus dem Verein reiche aber nicht, „dann klopft der Junge in zwei Wochen in einem anderen Verein wieder seine Sprüche.“ Viel wichtiger sei es, die Personen wieder in die Mitte der Gesellschaft zu bekommen.

Verein will den Vorfall aufarbeiten

Die Polizei konnte den Vorfall nicht bestätigen. Es habe keinen Einsatz gegeben, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel.

Julia Kopp, Projektleiterin bei der Berliner Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS), sieht in dem Angriff „ein Beispiel dafür, dass der Krieg zwischen Israel und der Hamas in Gaza zum Anlass genommen wird, Berliner Jüdinnen und Juden anzugreifen.“ Das heiße aber nicht, dass der Krieg die Ursache für den Angriff sei, sagte sie dem Tagesspiegel. „In diesem Fall wurden die Jugendlichen als ,Scheiß Juden’ beschimpft und als solche angegriffen.“

RIAS Berlin beobachte seit dem Hamas-Terrorangriff vom 7. Oktober 2023 eine starke Zunahme antisemitischer Vorfälle und auch Gewalttaten. „Das ist nicht hinnehmbar. Berliner Jüdinnen und Juden dürfen mit dieser Situation nicht allein gelassen werden. Wir brauchen einen breiten gesellschaftlichen Konsens gegen alle Facetten des Antisemitismus”, sagte Kopp.

Der Vorfall sorgte auch politisch für Wirbel. Die Grünen-Abgeordneten Susanna Kahlefeld und Klara Schedlich zeigten sich „schockiert über die antisemitischen Angriffe und Bedrohungen“. Sie erklärten sich solidarisch und forderten, „dass die Vorfälle während und nach dem Spiel aufgeklärt und aufgearbeitet werden.“ Dazu forderten sie, dass „die Unterstützung der Vereine im Kampf gegen Antisemitismus beim Senat und im Berliner Fußball-Verband eine neue Priorität bekommt.“

Politik erklärt sich solidarisch

Ähnlich äußerte sich Kristian Ronneburg (Linke): „Gesellschaftliche Teilhabe und die Möglichkeit, sich an einem Vereinsleben zu beteiligen und dieses mitzugestalten, sind hohe Güter in unserer demokratischen Gesellschaft“, sagte er. Die Linksfraktion verurteile alle An- und Übergriffe auf den TuS Makkabi und seine Fans aufs Schärfste.

„Angesichts der pogromartigen Zustände beim gestrigen Euroleague-Spiel in Amsterdam und der anhaltenden sowie sich augenscheinlich weiter verschärfenden Bedrohungslage für Jüdinnen und Juden in unserer Stadt muss die Zeit der leeren Worte und Lippenbekenntnisse enden“, forderte Ronneburg. Er sagte: „Dem ausufernden Antisemitismus in unserer Gesellschaft gilt es unmissverständlich mit aller Kraft zu begegnen.“

Auch Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) bezeichnete den Vorfall als „vollkommen inakzeptabel“. Er wünsche den angegriffenen Spielern gute Besserung und begrüßte, „dass Schwarz Weiß Neukölln den Übergriff untersuchen wird und Konsequenzen angedroht hat. Den Vorstand habe ich gebeten, mich über die Ergebnisse zu informieren“, sagte Hikel. Und weiter: „Antisemitismus wird nicht toleriert, weder auf der Straße noch auf unseren Sportplätzen“. Der Übergriff zeige erneut, „wie wichtig unser kompromissloses Aufstehen gegen jeden Antisemitismus ist.“

Vorfälle gegen den deutsch-jüdischen Fußballclub häufen sich

Es ist der zweite Vorfall in kürzester Zeit, der sich gegen den deutsch-jüdischen Fußballclub in Berlin richtet. Am Montag wurde bekannt, dass ein Fan des Vereins von einem anderen Mann in einem Café in Berlin-Kreuzberg am Sonntag beleidigt und geschlagen worden ist. Nach Tagesspiegel-Informationen soll der 50-jährige Fan einen Makkabi-Schal getragen haben.

In der niederländischen Hauptstadt Amsterdam hat es am Donnerstagabend gewaltsame Ausschreitungen am Rande eines Auswärtsspiels des israelischen Fußballclubs Maccabi Tel Aviv gegeben, die der israelische UN-Botschafter Danny Danon als „Pogrom“ bezeichnete. Dabei wurden mehrere Menschen verletzt, nach offiziellen israelischen Angaben gelten drei Israelis zudem als vermisst. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat angeordnet, zwei Maschinen in die Niederlande zu schicken, um die Fußballfans auszufliegen.

Beim Champions League-Spiel zwischen Paris Saint-Germain und Atletico Madrid am Mittwoch wurde ein großes Banner mit der Aufschrift „Free Palestine“ mit einer Landkarte, auf der der Staat Israel fehlte, ausgerollt. „Es ist eine neue Welle seit dem unsäglichen Überfall zu spüren“, sagte Meyer über die Auswüchse in den Stadien und den Plätzen. „Bei den Profis wird es vorgemacht, da darf man sich nicht wundern, wenn es sich auf den Amateurbereich überträgt.“

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