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„Parität nicht nur auf dem Papier“ : Kampfkandidatur bei der Berliner SPD für Bundestagswahl
Nachdem Parteilinke gegen den Vorschlag der Vorsitzenden opponiert haben sollen, erklärt die Ex-Bundestagsabgeordnete Ana-Maria Trăsnea ihre Kampfkandidatur um Platz eins. Es droht ein offener Schlagabtausch.
Stand:
In der Berliner SPD ist ein offener Machtkampf um die Aufstellung der Kandidatenlisten zur Bundestagswahl im Februar 2025 entbrannt. Die ehemalige Bundestagsabgeordnete Ana-Maria Trăsnea aus Treptow-Köpenick hat am Dienstagabend eine Kampfkandidatur um den ersten Listenplatz angekündigt. Am Mittwochabend entscheidet eine Delegiertenversammlung über die Liste.
Auslöser für den Machtkampf: Die Parteilinke opponiert wohl mit Rückendeckung von Raed Saleh, Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, offen gegen den von der Parteiführung und anderen Gliederungen der Berliner SPD ausgehandelten Deal für die Liste. Statt der Bundestagsabgeordneten Annika Klose aus Mitte soll nach dem Willen der Parteilinken ein Mann die Landesliste anführen.
Es gehe um „Parität nicht nur auf dem Papier“, sondern um „Taten statt Worte“, sagte Trăsnea dem Tagesspiegel. Sie würde auf eine Kampfkandidatur verzichten, wenn Klose für den ersten Platz kandidiere. Sie hätten lange dafür gekämpft, dass eine Frau die Liste anführt.
Sollte Klose verzichten, trete sie als Co-Vorsitzende der Berliner SPD-Frauen „aus Respekt vor all den Frauen in unserer Partei, die seit Jahren und besonders in den letzten Monaten unermüdlich für Parität gekämpft haben“, für Listenplatz eins an. „Ich stehe nicht für mich allein. Es geht um Verantwortung. Für den Osten. Für Kinder, Alleinerziehende, Senior:innen, junge Menschen und Frauen – all jene, die keine Lobby haben.“
Ursprünglich sollte Klose auf Platz eins stehen, gefolgt vom früheren Regierenden Bürgermeister Michael Müller, der seit 2021 im Bundestag sitzt, und von Trăsnea auf Platz drei. Sie hatte infolge der Teilwiederholung der Bundestagswahl im Februar 2024 ihr Bundestagsmandat verloren.
Die SPD-Landeschefs Nicola Böcker-Giannini und Martin Hikel hatten erst am Freitag erklärt, dass die Liste von einer Frau angeführt werden sollte – vor Michael Müller und einer Frau aus dem Osten unter den ersten vier Plätzen. Gemeint war Trăsnea, die Landeschefin der SPD-Frauen ist und als bodenständig und unabhängig von Parteiflügeln gilt. Auch Müller hatte das Tableau mitgetragen.
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Deal zwischen Parteilinken und Spandauern
Doch Teile der Parteilinken sollen gegen den Vorschlag opponiert haben. Demnach sollte plötzlich Ruppert Stüwe, Kreischef in Steglitz-Zehlendorf, seit 2021 weitgehend blass gebliebener Bundestagsabgeordneter und dazu ausdrücklich Parteilinker, auf Platz eins gesetzt werden.
Klose sollte nach dieser Absprache auf Platz zwei landen. Dass ausgerechnet sie als Frau auf den ersten Platz zugunsten eines Mannes verzichtet, bei diesem Deal mitmacht und den Rückhalt für ihre Kandidatur riskiert, sorgt in der Partei für große Verwunderung.
Ein Mandat sei kein Selbstzweck, sondern der Schlüssel, um Politik zu machen, die die Themen, Sorgen und Hoffnungen der Menschen aufgreife und umsetze, sagte Trăsnea. „Das, was wir versprechen, müssen wir mit Taten füllen.“ Als Abgeordnete habe Klose für sie das erste Zugriffsrecht, auf Platz eins der Liste anzutreten. „Kandiert sie für Listenplatz eins, unterstütze ich sie und trete auf dem zweiten Frauenplatz an“, sagte Trăsnea. Damit wäre sie bei Parität auf Platz drei der Landesliste.
Nach dem neuen Vorschlag der Parteilinken sollte der Neuköllner Abgeordnete Hakan Demir Platz drei bekommen und die Tempelhof-Schönebergerin Sinem Taşan-Funke, bis 2023 Jusos-Landeschefin und nun Landesparteivize, Nummer vier werden, obwohl es dafür kaum Rückhalt gab. Und Helmuth Kleebank sollte Listenplatz fünf bekommen. Er sitzt seit 2021 im Bundestag und war zuvor lange Jahre Bezirksbürgermeister in Spandau.

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Kleebank und sein Kreis dürften indirekt auch der Grund sein, warum Klose nicht auf Platz eins antritt: Die Parteilinken Klose, Stüve, Demir und Taşan-Funke brauchen die Unterstützung aus einem weiteren Kreis, um genügend Delegiertenstimmen zu bekommen. Diese sollen auf Spandau kommen – dafür kriegt Kleebank den fünften Listenplatz. Der kann aber durch die paritätisch besetzte Liste nur von einem Mann besetzt werden, wenn auf dem ersten Listenplatz auch ein Mann antritt.
Was in der Partei nicht wenige an dem Personaltableau der Parteilinken und der Spandauer SPD stört: Demir hat wie 2021 Chancen auf ein Direktmandat, in Tempelhof-Schöneberg könnte Taşan-Funke das Direktmandat von Kevin Kühnert nach dessen Abschied aus der Politik erben. Und auch Kleebank holte 2021 mit deutlichem Ergebnis das Direktmandat. Warum also, so fragt man sich in der Partei, sollten sie alle auch über die Liste abgesichert werden? Zumal Frauen in der Berliner Landesgruppe des Bundestags unterrepräsentiert sind.
Machtkampf zwischen Parteilinken und Parteispitze
Der Bezirk Spandau im Berliner Westen ist jedenfalls der Schlüssel, um den versuchten Aufstand der Parteilinken zu verstehen. Nach Tagesspiegel-Informationen gab es einen Deal zwischen den Parteilinken und den Spandauer Genossen, deren Kreisvorsitzender Raed Saleh ist. Spandauer und Parteilinke sollten sich, so die Verabredung, gegenseitig bei der Listenausstellung stützen.
Der Machtkampf deutet auf einen tiefen Konflikt in der Berliner SPD, hieß es aus der Partei. Im Kern geht es um die Auseinandersetzung zwischen der linken Parteiströmung und den eher gemäßigt-konservativen Kräften, zu denen die beiden Landesvorsitzenden zählen.
Die Landesspitze um Hikel und Böcker-Gianinni hatte eine Liste ausgehandelt, offenbar ohne Saleh einzubinden. Saleh wiederum, der im Frühjahr 2024 den Parteivorsitz wegen der verlorenen Wiederholungswahl 2023 abgeben musste, organisiert weiterhin sein eigenes Machtzentrum als Fraktionsvorsitzender im Berliner Abgeordnetenhaus – offenbar auch gegen seine Nachfolger an der Landesparteispitze. Die Parteilinke – auch solche, die Saleh kritisch gegenüber stehen – haben sich nun mit ihm verbündet, um sich die besten fünf Listenplätze zu sichern. Am Mittwochabend dürfte es bei der Aufstellung zur Landesliste mehrere Kampfkandidaturen geben. Wenn beide Seiten bei ihren Vorschlägen bleiben, könnte es auf Platz eins zur Kampfkandidatur zwischen Stüwe und Trăsnea kommen.
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