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Die Berliner Innensenatorin: Iris Spranger (SPD).

© Carsten Koall /dpa

Update

„Keine Rechtfertigung, das Leben anderer zu gefährden“ : Berlins Innensenatorin Spranger kritisiert Klimademonstranten nach verzögertem Rettungseinsatz

Ein Rettungsfahrzeug war bei Straßenblockaden aufgehalten worden. CDU und AfD fordern härtere Strafen, die Grünen halten die Blockaden für nicht zielführend.

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Nachdem am Montag Rettungskräfte wegen Protesten von Klimademonstranten verspätet bei einem schweren Unfall in Berlin-Charlottenburg eingetroffen sind, hat Berlins Innensenatorin Iris Spranger die Aktionen erneut heftig kritisiert. „Diese Blockierer:innen nehmen die Bevölkerung bewusst in Geiselhaft und die Gefahren in Kauf“, sagte die SPD-Politikerin. „Es gibt keine Rechtfertigung dafür, das Leben anderer zu gefährden.“ Ob sie im Zusammenhang mit dem Unfall rechtlich eine Schuld treffe, bleibe durch die Justiz zu klären. Anders verhalte es sich bei der moralischen Frage.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) teilte am Montagabend mit, ihre Gedanken seien bei der schwer verletzten Radfahrerin. Giffey dankte den Rettungskräften und der Polizei für ihre Hilfe und ihren Einsatz. „Es ist jetzt die Aufgabe der Polizei und der Gerichte, zu klären, inwieweit die Aktivisten eine Schuld daran tragen, dass dem Unfallopfer nicht schneller geholfen werden konnte.“ Grundsätzlich sei die Gefährdung von Menschenleben durch nichts zu rechtfertigen.

Die Berliner CDU forderte am Montag ein härteres Vorgehen gegen die Klimademonstranten. „Nun ist eingetreten, wovor wir immer gewarnt haben. Das Leben einer jungen Frau steht auf dem Spiel, weil Klimachaoten die Berliner Straßen blockieren. Wenn Rettungskräfte nicht arbeiten können, weil dickköpfige Aktivisten die Allgemeinheit schädigen, ist Schluss“, sagte Frank Balzer, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Die Justiz müsse mit all ihren Möglichkeiten durchgreifen. „Hier muss das Strafmaß ausgeschöpft werden“, forderte Balzer.

Ähnlich äußerte sich die Berliner AfD: „In ihrem selbstgerechten Wahn gefährden die Klimaterroristen nicht zum ersten mal Menschenleben. Müssen erst Menschen sterben, damit Politik und Justiz mit der angemessenen Härte gegen diese Kriminellen vorgehen?“, fragte der Innenexperte der Berliner AfD-Fraktion, Karsten Woldeit. Er forderte die gesamte Gesellschaft auf, sich gegen die „tägliche Geiselnahme Zehntausender durch ein kleines Häuflein Verblendeter“ zu stellen.

Wenn Rettungskräfte nicht arbeiten können, weil dickköpfige Aktivisten die Allgemeinheit schädigen, ist Schluss.

Frank Balzer, innenpolitischer Sprecher der Berliner CDU-Fraktion

Die Berliner FDP forderte eine zentrale Plattform, mit deren Hilfe Schadenersatzansprüche im Zusammenhang mit Klimaprotesten angemeldet werden können. „Für die Betroffenen der Klimakleber, die arbeitende Mitte unserer Stadt, muss es in Zukunft eine realistische und einfache Möglichkeit geben, ihren Schaden geltend zu machen“, sagte FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja am Montag. „Deswegen wollen wir die Möglichkeit schaffen, die Forderungen zu bündeln und in ein einfacheres, geregeltes rechtsstaatliches Verfahren zu geben.“

Der FDP-Innenpolitiker Björn Jotzo ergänzte, wenn der Senat nicht Herr der Lage werde, könne er den Bürgern nicht noch zumuten, Zeit mit der gerichtlichen Durchsetzung von Forderungen zu verschwenden. „Der Senat muss unverzüglich eine zentrale Plattform bei der Berliner Innenverwaltung einrichten, auf der jeder Geschädigte seine Ansprüche schnell und unbürokratisch anmelden und Belege hochladen kann.“ Der Senat müsse die Forderungen dann gesammelt gegenüber den Straftäterinnen und Straftätern geltend machen, einklagen, vollstrecken und die Gelder an die Geschädigten auszahlen.

Werner Graf, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, sagte dem Tagesspiegel: „Der heutige Vorfall hat uns sehr getroffen. Wir wünschen den Verletzten und Angehörigen viel Kraft und baldige Genesung. Ihnen gilt unsere volle Anteilnahme.“

Jede Form des Protests muss ausschließen, dass dabei andere Menschen gefährdet werden.

Werner Graf, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus

Politischer Protest sei laut Graf „elementarer Bestandteil einer gesunden Demokratie“. Dies gelte auch dann, wenn er für Dritte unbequem, anstrengend oder nervig sei. „Blockaden auf Autobahnen tragen aus unserer Sicht nicht dazu bei, gesellschaftliche Mehrheiten für den Klimaschutz zu erreichen“, erklärte Graf jedoch. „So oder so gilt: Jede Form des Protests muss ausschließen, dass dabei andere Menschen gefährdet werden. Rettungskräfte müssen schnell durchkommen.“

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat an die Beteiligten appelliert, nicht zur Gefährdung anderer Menschen beizutragen. Sein Appell könne nur sein, „dass man bei all den Entscheidungen, die man trifft für politische Kundgebungen (...) immer bedenkt, dass das nicht zur Gefährdung anderer beiträgt“, sagte Scholz am Montag bei einer Pressekonferenz im Kanzleramt.

Es bestürzt uns, dass heute eine Radfahrerin von einem Lkw verletzt wurde. Wir hoffen inständig, dass sich ihr Gesundheitszustand durch die Verspätung nicht verschlimmert hat.

Carla Hinrichs, Sprecherin der Klimaprotestgruppe „Letzte Generation“

Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Berlin, erklärte dazu am Montag: „Spätestens jetzt sollte man sich mal vom Märchen des harmlosen Protests verabschieden. Wer Verkehrswege blockiert, riskiert und behindert die Handlungsfähigkeit der Inneren Sicherheit und nimmt auch bewusst in Kauf, dass Menschen in Not länger auf Hilfe von Polizei und Feuerwehr warten müssen.“ Bei solchen „Guerilla-Aktionen im Zeichen des Klimas“ würden die Folgen für das demokratische Zusammenleben nicht mitgedacht und fahrlässig mit der Gesundheit der Bevölkerung gespielt.

Nach Angaben eines Feuerwehrsprechers hatte am Montagmorgen ein sogenannter Rüstwagen mit Spezialtechnik, die etwa zum Anheben schwerer Lasten eingesetzt wird, eine „recht relevante Zeit“ in einem von Klimademonstranten verursachten Stau auf der Stadtautobahn A100 gestanden.

Die Rettung einer Fahrradfahrerin, die an der Bundesallee von einem Betonmischer überfahren worden war, habe sich dadurch zeitlich verzögert. Nach Angaben des Sprechers sollte die Spezialtechnik bei der Bergung der lebensgefährlich verletzten Radfahrerin helfen. Da die Technik nicht zur Verfügung stand, habe man an der Unfallstelle improvisieren müssen.

„Es bestürzt uns, dass heute eine Radfahrerin von einem Lkw verletzt wurde. Wir hoffen inständig, dass sich ihr Gesundheitszustand durch die Verspätung nicht verschlimmert hat”, teilte Carla Hinrichs, Sprecherin der Gruppe „Letzte Generation“ mit, die die Blockade am Montag durchgeführt hatte. Die „Letzte Generation“ achte bei Blockaden „sorgfältig auf das Einhalten von Rettungsgassen“.

Man unterbreche den Alltag nicht leichtfertig, sagte Aimée van Baalen, ebenfalls Sprecherin der Gruppe, laut Mitteilung „Wir haben uns für dieses Mittel des Protests entschieden, da alle zuvor gelagerten Mittel wie Demonstrationen und Petitionen nicht den notwendigen Erfolg gebracht haben.“ Sobald die Regierung erste Maßnahmen gegen den „drohenden Klimakollaps“ ergreife, werde man alle Protestaktionen sofort beenden, hieß es weiter. (dpa/Tsp)

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