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Likes der TU-Präsidentin für antisemitische Tweets: Gremien sollen über Abwahl Rauchs beraten – Uni-Kanzler sieht Reputationsschaden
TU-Präsidentin Geraldine Rauch hat um Entschuldigung für ihre umstrittenen Likes gebeten. Aus der Politik wie der TU kommen Rücktrittsforderungen. Kommende Woche tagt das zuständige Gremium.
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Nach dem Liken von umstrittenen Posts im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg sollen die zuständigen Gremien der Technischen Universität (TU) Berlin voraussichtlich kommende Woche über eine mögliche Abwahl von Uni-Präsidentin Geraldine Rauch beraten. „Das wird jetzt in der TU, dafür haben wir die Hochschulautonomie, in den zuständigen Gremien diskutiert und verhandelt, und die tagen ab nächster Woche“, sagte TU-Kanzler Lars Oeverdieck am Freitag im RBB-Inforadio.
Das zuständige Gremium dafür sei der sogenannte Erweiterte Akademische Senat (EAS). „Das hat vor zwei Jahren die Präsidentin gewählt und das wäre auch berechtigt, sie abzuwählen und da muss das diskutiert werden.“ Am Mittwoch, 5. Juni, kommt zunächst der Akademische Senat zu seiner nächsten regulären Sitzung zusammen, der mit einer Zweidrittelmehrheit die Abwahl Rauchs vorschlagen kann. Danach braucht es noch die Zustimmung des EAS wie auch des Kuratoriums, dem neben Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens auch TU-Vertreter angehören.
Auch andersherum kann die Abwahl beschlossen werden: mit einer Zweidrittelmehrheit des Kuratoriums und der Zustimmung des Erweiterten Akademischen Senats. Ortwin Renn, der Vorsitzende des Kuratoriums der TU, hatte am Donnerstagabend bereits mitgeteilt: „Das Kuratorium ist besorgt und hat eine Sondersitzung am Montag, dem 10. Juni, zu diesem Thema anberaumt.“
„Die Stimmung ist natürlich schlecht, alle laufen mit versteinerter Miene rum.
Lars Oeverdieck, Kanzler der Technischen Universität Berlin
Rauch habe mit ihrem Verhalten auf der Plattform X einen erheblichen Reputationsschaden für die TU verursacht, betonte Oeverdieck. „Die Stimmung ist natürlich schlecht, alle laufen mit versteinerter Miene rum“, sagte er mit Blick auf die Mitglieder in dem Gremium. „Ein positives Ergebnis kann es gar nicht mehr geben, es gibt nur noch die Möglichkeit, den Schaden so schnell wie möglich und so gut wie möglich zu begrenzen.“
Oeverdieck äußerte Verständnis für kritische Stimmen auch aus der Politik, betonte aber die Bedeutung der Hochschulautonomie bei solchen Entscheidungen. Diese sei ein hohes Gut, das nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden dürfe. „Einige fordern ja Konsequenzen aus der Politik und so einfach geht es eben nicht“, sagte der Kanzler.
Senatorin Czyborra: TU muss alles gegen Antisemitismus tun
Wissenschaftssenatorin Czyborra sagte der Deutschen Presse-Agentur am Freitag, es sei Aufgabe der TU, sich zu dem Thema zu verhalten und den Verdacht zu entkräften, es werde nicht alles zum Schutz jüdischer Studierender und gegen Antisemitismus getan.
Für ein Eingreifen des Senats oder der Wissenschaftsverwaltung gebe es keine Rechtsgrundlage. „Ich finde, wenn wir Hochschulautonomie und Wissenschaftsfreiheit ernst nehmen, dann ist es auch geboten, sich da zurückzuhalten. Wir sollten jetzt nicht Teile unserer demokratischen Verfasstheit in diesem Land mal eben zur Disposition stellen.“
Ich erwarte von der TU, dass sie mit Bedacht jetzt diskutiert. Es muss darum gehen, Schaden von der TU abzuwenden, Schaden von der Berliner Wissenschaftslandschaft und vom Land Berlin.
Ina Czyborra (SPD), Berliner Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege
Ähnlich hatte sie sich bereits am Donnerstag geäußert. „Ich erwarte von der TU, dass sie mit Bedacht jetzt diskutiert“, sagte die SPD-Politikerin. „Es muss darum gehen, Schaden von der TU abzuwenden, Schaden von der Berliner Wissenschaftslandschaft und vom Land Berlin.“ Sie wertete zugleich positiv, dass Rauch für die Likes um Entschuldigung gebeten hatte.

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Rauch hatte am Mittwoch nach viel Kritik eigene Fehler eingeräumt. „Ich habe auf der Plattform X einige Tweets "geliked", welche die Situation in Gaza und Rafah aufgreifen, die aber antisemitischen Inhalts oder Ursprungs sind“, sagte sie. Sie nehme die Vorwürfe gegen sich ernst und wolle sich von den antisemitischen Inhalten oder Autoren der Posts ganz klar distanzieren.
Kultursenator Chialo fordert Konsequenzen, die CDU Rauchs Rücktritt
Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) forderte, trotz der Entschuldigung Rauchs, Konsequenzen. Rauch habe eine Vorbildfunktion, sagte er dem RBB. „Eine so exponierte Person in ihrem Amt kann sich beim Liken solcher Posts aus meiner Sicht sehr schwer rausziehen.“ An welche Konsequenzen er denke, sagte Chialo nicht. „Aber es kann nicht an dem Punkt enden, wo man das mit einer sehr lapidaren Erklärung von sich weist.“
Die Berliner CDU hatte bereits am Mittwoch Rauchs Rücktritt gefordert. Generalsekretärin Ottilie Klein stellte auf X die Frage, „welche Entgleisungen denn sonst rücktrittswürdig“ wären.
Interne Forderung an Rauch, sofort zurückzutreten
Nach Information des Tagesspiegels wurde die Präsidentin intern bereits explizit aufgefordert, sofort aus dem Amt zurückzutreten. Mit den Likes für antisemitische Inhalte habe sie der TU wie auch der Wissenschaftsstadt Berlin und der Wissenschaft insgesamt enorm geschadet, heißt es in einer E-Mail, die dem Tagesspiegel vorliegt und an die Präsidentin und weitere TU-Angehörige am Donnerstag geschickt worden sein soll.
Rauch ist derzeit auch Sprecherin der „Berlin University Alliance“, dem Exzellenz-Verbund der drei Berliner Universitäten und der Charité.
Studierende nehmen Rauch neben Kritik auch in Schutz
Das Studierendenparlament (Stupa) der TU erklärte sich in einem Beschluss vom Donnerstag „kritisch solidarisch“ mit Rauch. Sie müsse sich der Kritik stellen, „dass sie antisemitische Narrative durch ihr Verhalten auf Twitter weiterverbreitet hat“, hieß es darin. Die Studierenden legten der Präsidentin zudem nahe, über eine Neubesetzung des Antisemitismusbeauftragten nachzudenken. Für diese Wahl war Rauch von jüdischen Verbänden ebenfalls angegangen worden.
Das Stupa lobte aber auch den Umgang der Präsidentin mit den Hochschulprotesten: Als einzige Uni-Präsidentin in Berlin habe sie es geschafft, „Bilder von antisemitischer Hassgewalt und umstrittenen Polizeieinsätzen auf dem Campus und den Zulauf zu Schwarzweißdenken einzugrenzen“. Sie habe „ein offenes Ohr für alle Studierenden und ihre Ängste und Sorgen, ihre Überforderung und Trauer“ gehabt.
Die Studierendenvertreter äußerten mit Blick auf den Twitter-Eklat die Sorge, „dass Rechte, die sich grundsätzlich an der (wissenschafts-)politischen Einstellung von Frau Rauch in anderen Feldern stoßen, sich nun profilieren wollen“. Das Stupa befürchtet, Eingriffe durch die Politik könnten die Uni weiter spalten und „diejenigen, die sich verloren fühlen, in die Arme von Populist*innen treiben, die sich auf Kosten jüdischer Studierender auf dem Campus profilieren wollen“.
Israelische Botschaft: „Rauch hat unser Vertrauen verspielt“
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, appellierte an die Universitäten, entschlossen gegen Judenhass vorzugehen. „Die Betroffenenperspektive ist unbedingt bei allen Maßnahmen im Kampf gegen Antisemitismus zu berücksichtigen“, sagte er der Funke Mediengruppe (online). „Durch ihr persönliches Verhalten und ihre Amtsführung hat die Präsidentin der TU Berlin gezeigt, dass sie diese Grundsätze nicht in ausreichendem Maße beachtet.“
Die israelische Botschaft erklärte am Donnerstag auf der Plattform X: „Geraldine Rauch hat unser Vertrauen verspielt.“ Der Text wirft der TU-Präsidentin vor, „Gemeinschaft predigen, aber Antisemitismus liken“. Daran schließt die Frage: „Wie kann sich ein jüdischer Student sicher fühlen, wenn er weiß, dass er sich nicht auf seine Universitätspräsidentin verlassen kann?“
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Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) wies auf die Verantwortung der Hochschulen hin. „An unseren Hochschulen darf kein Platz für Israel- und Judenhass sein“, sagte die Ministerin der „Rheinischen Post“. Insbesondere die Hochschulleitung trage eine besondere Verantwortung und Vorbildfunktion. Hochschulen seien kein „rechtsfreier Raum“, so Stark-Watzinger.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) pflichtete seiner Kabinettskollegin bei. Stark-Watzinger habe recht, schrieb er auf der Plattform X (vormals Twitter). „Aufgabe der Wissenschaft ist es, genau hinzusehen. Wer nicht genau hinsieht und deswegen nicht erkennt, dass er oder sie Sympathie für Antisemitismus bekundet, ist kein gutes Vorbild für angehende Wissenschaftler.“
Zentralrat der Juden zweifelt an der Entschuldigung
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, wiederholte seine scharfe Kritik an Rauch wie auch an ihrer Wahl Uffa Jensens als Antisemitismusbeauftragten, der die umstrittene Jerusalemer Erklärung (JDA) vertritt. Eine solche (enger gefasste) Definition von Antisemitismus, die vor allem im wissenschaftlichen Kontext verwendet und von einer Minderheit vertreten werde, eigne sich nicht „für eine wirkungsvolle Arbeit“ in einem Amt zum Schutz jüdischer Studierenden, so Schuster.
Er finde Rauchs Entschuldigung nicht glaubwürdig, so der Zentralratspräsident. Weiter bezeichnete er es in seinem Statement als „Absurdität“, dass ausgerechnet Jensen die Präsidentin mit Verweis auf die JDA entlaste und dieser Fall dessen erste Amtshandlung sei.
Uffa Jensen, der auch das Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin leitet, hatte zwei Inhalte, für die Rauch auf X Zustimmung gezeigt hatte und in denen zum Beispiel der „Völkermord“-Vorwurf gegen Israel erhoben wird, als „nicht per se antisemitisch“ bezeichnet. Einen anderen Inhalt, den Hauptauslöser der Vorwürfe, verurteilte Jensen als antisemitisch.
TU-Kanzler Oeverdieck ging auf Schusters Äußerungen am Freitagmorgen ein. „Ich glaube, das ist eine Kritik, die nicht nur auf die Präsidentin zielt, sondern auch auf andere Dinge“, sagte er. Wenige Tage zuvor habe der Zentralrat die Ernennung des Historikers Uffa Jensen als Antisemitismusbeauftragter der TU kritisiert. „Insbesondere diese Kritik ist zurückzuweisen und ich glaube, das ist jetzt noch der Nachklapp gewesen“, betonte der TU-Kanzler. (mit dpa)
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