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Mit AfD-Politikerin im Klassenzimmer?: Widerstand gegen geplanten Schulbesuch von Beatrix von Storch
Die AfD-Direktkandidatin Beatrix von Storch soll an einer Podiumsdebatte am Coppi-Gymnasium in Karlshorst teilnehmen. Schüler protestieren – und fühlen sich von ihrer Schulleitung übergangen.
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Ein Schulname werde mit Bedacht gewählt, heißt es auf der Website des Hans-und-Hilde-Coppi-Gymnasiums. Bei der Schule im Lichtenberger Ortsteil Karlshorst fiel die Wahl auf zwei Menschen, die gegen das NS-Regime kämpften und schließlich von den Nazis hingerichtet wurden: Hans und Hilde Coppi. Die Namenswahl, heißt es weiter, war eine „Entscheidung für Menschen mit Mut, für junge Leute, die Unrecht nicht hinnahmen, die nicht wegschauten“.
Effi Denton, Schülerin im 12. Jahrgang am Coppi-Gymnasium, nimmt die Namensgebung ernst. „Deshalb empfinden wir es als besonders absurd, dass jetzt die Erzkonservative von Storch eingeladen wurde, deren Großvater Reichsfinanzminister im Dritten Reich gewesen ist“, sagt sie. AfD-Politikerin Beatrix von Storch, die in Lichtenberg bei der Bundestagswahl für das Direktmandat kandidiert, soll am kommenden Dienstag an einer Podiumsdebatte an dem Gymnasium teilnehmen, gemeinsam mit den Kandidierenden der anderen Parteien. Dagegen regt sich Protest.

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In der Gruppe „Coppi gegen Rechts“ haben sich Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums zusammengeschlossen, die gegen die Einladung der AfD-Politikerin sind. Von der Schulleitung fühle man sich übergangen: Die Oberstufe sei über eine Podiumsdiskussion informiert worden, doch die konkrete Gästeliste habe man erst auf Nachfrage bei einer Lehrkraft erfahren. Die Schulleitung war für den Tagesspiegel bislang nicht zu erreichen.
Demo gegen von Storchs Schulbesuch
Am Tag der Podiumsdebatte ist gegenüber der Schule eine Gegenkundgebung geplant, laut Ankündigung von 13 bis 16 Uhr. Bei der Polizei wurden zwei Versammlungen mit je 100 Teilnehmenden angemeldet. Den Auftritt der „erzkonservativen“ von Storch „mit ihren transphoben und antimuslimischen Äußerungen“ wolle man „nicht unkommentiert akzeptieren“, heißt es im Demo-Aufruf auf Instagram.
Die Schulleitung sollte Storch ausladen, fordert die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA). „Die AfD auf ein Podium einzuladen, bedeutet, einer Partei den roten Teppich auszurollen, die das Gedenken an Hans und Hilde Coppi tagtäglich mit den Füßen tritt und es schlussendlich tilgen will“, heißt es in einem offenen Brief. Die AfD sei geschichtsrevisionistisch, ehre die Täter der Nazi-Zeit und verharmlose den Faschismus. Der 82-jährige Hans Coppi Junior, Sohn der Namensgebenden der Schule, ist Ehrenvorsitzender des VVN-BdA in Berlin.
Einladen oder Ausladen?
Für AfD-Direktkandidatin von Storch sind jene, die sie ausladen wollen, die wahren Antidemokraten: „Wer (...) Andersdenkenden den Mund verbieten will, ist ein Feind der Meinungsfreiheit und damit zwingend auch der Demokratie“, teilte sie dem Tagesspiegel mit. Zum Vorwurf der Trans- und Muslimfeindlichkeit äußerte sie sich auf Anfrage nicht.
Ob Vertreter der in weiten Teilen rechtsextremen AfD an Schulen eingeladen werden sollten, ist immer wieder Gegenstand von Debatten in der Schülerschaft und bei Eltern. „Es ist kontrovers, die AfD an eine Schule einzuladen. Ich persönlich würde es nicht tun“, sagt Landesschülersprecher Orcun Ilter. Norman Heise, Vorsitzender des Landeselternausschusses in Berlin, meint hingegen: „Es macht wenig Sinn, die AfD auszuschließen. Dann kann sie wieder die Opferrolle ausspielen und bekommt Aufmerksamkeit.“
„Wichtig ist, dass es eine gemeinsame Entscheidung ist, die in der Schule von Eltern, Lehrern und Schülern getroffen wurde“, sagt Heise. Zudem muss eine politische Veranstaltung im Unterricht gut begleitet werden. „Schüler müssen argumentativ vorbereitet sein, und zwar ganz grundsätzlich, nicht bloß wegen der AfD“, sagt Heise.
Unterschiedliche Erfahrungen
Manch ein AfD-Politiker fiel bereits durch fragwürdiges Verhalten vor Schülern auf: Bei einem Besuch von Grundschülern im Brandenburger Landtag 2024 sprach der Landtagsabgeordnete Dennis Hohloch von angeblichen „Gruppenvergewaltigungen“ durch Geflüchtete. Eine Mutter, die das kritisierte, stellte er danach an den Online-Pranger, nannte den Namen und veröffentlichte ein Foto von ihr.
An Berliner Schulen habe es Debatten mit der AfD gegeben, die aus seiner Sicht gut liefen, sagt Landesschülersprecher Ilter. „Auch, weil Schülerinnen und Schüler kritische Nachfragen stellten.“ Der Landesschülerausschuss fährt allerdings eine klare Linie in Sachen AfD: Man redet nicht mit der Partei. „Inhaltlich hätten Gespräche mit der AfD keinen Mehrwert für Berliner Schülerinnen und Schüler“, sagt Ilter.
Zuspruch für Rechtsaußen wachse aber auch an Berliner Schulen, sagt der Landesschülersprecher. Damit müsse ein Umgang gefunden werden. Das gilt laut Effi Denton auch für das Coppi-Gymnasium im beschaulichen Karlshorst: „Von Hakenkreuzen auf der Schultoilette bis hin zum Hitlergruß im Matheunterricht ist vieles schon vorgekommen“, sagt sie. Sie glaubt, dass die meisten Coppi-Schüler „geschlossen gegen die AfD“ stehen. Gespalten sei man jedoch in der Frage, wie man mit der Partei umgehen soll: Ausschließen – oder doch in der Debatte stellen?
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