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Berlin: Mit Dänen ist nicht zu scherzen

Erst hat er Irans Präsidenten vorgeführt, nun ist die NPD dran: Für seine neueste Polit-Aktion zieht Künstler Jan Egesborg durch Berlin

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Jan Egesborg hat mittlerweile einige Feinde. Mahmud Ahmadinedschad zum Beispiel. Im Dezember vergangenen Jahres schaltete Egesborg in der „Teheran Times“ eine Anzeige, in der er den Diktator als Schwein bezeichnete. Dass den Redakteuren der Zeitung die Beleidigung nicht auffiel, lag daran, dass der Däne sie verschlüsselt hatte. Auf den ersten Blick las sich der Text der Anzeige wie eine Eloge auf den iranischen Präsidenten. Nur die Anfangsbuchstaben der einzelnen Zeilen ergaben das Wort „Swine“.

„Wir hätten nicht erwartet, dass das nicht entdeckt wird“, sagt Jan Egesborg. Dass die Anzeige ein Gespräch auf höchster Ebene zur Folge hatte, wie ihm der dänische Botschafter mitteilte, freut ihn um so mehr. Ebenso wie die internationale Berichterstattung über die Aktion. Obwohl sich der ehemalige Journalist nicht als politischer Aktivist versteht, widmet er sich als Künstler ausschließlich politischen Themen. Mit Lebensgefährtin Pia Bertelsen, 43, gründete Jan Egesborg, 45, vor drei Jahren das Künstlerduo „Surrend“, eine Streetart-Performance-Gruppe. Aktuelles Projekt der beiden: In Mitte und Kreuzberg kleben sie Plakate gegen die NPD.

Die verschiedenen Motive, die unter anderem in der Gegend rund um die Oranienburger Straße zu sehen sind, basieren auf Propaganda-Plakaten des Dritten Reiches. Statt blonder, blauäugiger Frauen zeigen sie dunkelhäutige Mütter mit Kindern. Darunter der NPD–Schriftzug sowie die Zeile: „Früher Mecklenburg-Vorpommern, jetzt Roma-Land“. Ein anderes zeigt Partei-Chef Udo Voigt mit Hitlerbart. „Das ist für uns ein Testdurchlauf“, sagt Jan Egesborg, während er in einem Café in Mitte sitzt und mit den Fingern ein Glas Kaffee umklammert. Sobald Plakate nachgedruckt sind, will er auf direkte Konfrontation mit rechten Sympathisanten und Hardlinern gehen – in Marzahn und Lichtenberg.

„Wir überlegen uns genau, gegen wen wir vorgehen wollen“, sagt Egesborg. Das Weltgeschehen dient Surrend als Ideengeber. In den letzten drei Jahren waren er und Bertelsen weltweit aktiv. Unter anderem im Irak, in Serbien, Simbabwe, Polen und Russland. Mit dem Risiko sind sie vertraut: Pia Bertelsen arbeitete als Kriegsberichterstatterin auf dem Balkan, Egesborg als Investigativjournalist.

„Wir hatten genug von dieser Befindlichkeitskunst, dieser introvertierten Melancholie“, sagt Egesborg, „wir wollten dem etwas entgegensetzen.“ Ziel seiner Arbeit sei es, „die Mächtigen dieser Welt mit Ironie herauszufordern“. Etwa zwei bis drei Monate Vorbereitungszeit nehmen sich die Künstler für eine Aktion: um Themen zu recherchieren, Ideen zu entwickeln und Poster, Aufkleber oder Flyer zu gestalten. Mitunter reisen sie dafür mehrmals in das jeweilige Land.

Nach ihrer aktuellen Berlin-Kampagne werden Pia Bertelsen und Jan Egesborg ihre Aktivitäten ein bisschen runterfahren. Ihre bisherigen Aktionen wollen sie in einer Ausstellung präsentieren. Die soll im Januar kommenden Jahres in Kopenhagen starten und dann auch in London, Berlin und New York gezeigt werden. „Wir wollen mit unserer Kunst eine internationale Gemeinschaft schaffen, den Menschen ein Gefühl vermitteln, wie es zum Beispiel Musiker können“, sagt Egesborg. Dafür wollen die beiden in absehbarer Zeit auch nach Berlin ziehen. „Hier gibt es eine ganz andere Kunsttradition, viel mehr Gallerien und junge Künstler als in Dänemark.“ Ein weiterer Vorteil: Dass die Mieten hier nur die Hälfte dessen kosten, was in Kopenhagen üblich ist. Deshalb guckt sich Egesborg, wenn er in der Stadt ist und Plakate klebt, auch gleich nach einer Wohnung um. Das muss er derzeit alleine machen: Seine Lebensgefährtin brachte vor fünf Wochen ein Kind zur Welt und tritt nun etwas kürzer. Das Wohl des Sohnes steht eben noch vor dem politischen Engagement.

In Berlin gab es auf die NPD-Plakate bislang nur positive Resonanz, sagt Egesborg und klingt dabei fast enttäuscht. Ganz anders hingegen, wenn er von seiner Aktion in Russland erzählt. Dort hat er eine Internetseite eingerichtet, die aussieht wie die offizielle Seite des Kremls. Unter www.prezidenta.ru lässt er Wladimir Putin eine Wodka-Steuer verkünden. Daraufhin trafen tausende entrüsteter Mails bei dem Künstler ein. Und in der vergangenen Woche versuchte sogar jemand, die Internetseite zu schließen.

Mehr zum Thema im Internet unter

www.surrend.org

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