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Update

Mit Schröder, Krenz und Gauland zum 9. Mai: Bizarre Riege deutscher Putin-Freunde feiert in russischer Botschaft

Kein Witz: Ein Ex-Kanzler, ein Honecker-Nachfolger, ein Linken- und ein AfD-Politiker treffen sich zum Feiern in der russischen Botschaft. Die Kritik an dem Stelldichein ist heftig.

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Russland feierte am Dienstag den Jahrestag des Siegs über die Nationalsozialisten – und der vor Gericht um sein Bundestagsbüro streitende Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) war mittendrin. In der russischen Botschaft fand er sich samt Gattin So-yeon Schröder-Kim inmitten einer bizarren Riege der deutschen Putin-Freunde zu den Feierlichkeiten ein.

Neben Schröder waren unter anderem der frühere SED-Generalsekretär Egon Krenz, Klaus Ernst (Linke) sowie die AfD-Politiker Alexander Gauland und Tino Chrupalla erschienen. SPD, SED, Linke und AfD: Das ist dann wohl die ganz breite Querfront.

Auch der Verleger der „Berliner Zeitung“ Holger Friedrich war anwesend, ein Foto zeigt ihn im angeregten Gespräch mit dem russischen Botschafter Sergei Jurjewitsch Netschajew. Genau wie „Berliner Zeitung“-Herausgeber Michael Maier, der den Empfang in bizarrem Tonfall in einem Artikel für die Zeitung beschrieb.

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AfD-Fraktionschef überreicht dem Botschafter ein Geschenk

AfD-Fraktionschef Chrupalla erschien dem Anlass entsprechend mit einer Krawatte in den Farben der russischen Flagge und einem Geschenk für Botschafter Netschajew: eine Tasse mit preußischem Adler. Es sei ein „Ausdruck der Dankbarkeit für die Befreiung von der Naziherrschaft“, zitierte die „Berliner Zeitung“ Chrupalla.

Dieser Darstellung widersprach der AfD-Politiker am Mittwoch. Er sei nicht erschienen, um für die Befreiung zu danken, „sondern um die deutsche Sicht auf Geschichte und Gegenwart zu erläutern“, schrieb er auf Twitter. „Diesen Dialog sollte man in Krisenzeiten nicht abreißen lassen“, sagte Chrupalla am Mittwoch. Russischer Angriffskrieg hin oder her.

Chrupalla hatte im März in einer Bundestagsdebatte gesagt: „Aus diesem Krieg geht die Ukraine genauso als Verlierer hervor wie Russland. Es gibt wieder nur einen Gewinner, und dieser Gewinner, der heißt USA.“

Der Besuch in der Botschaft kam nicht mal in der AfD überall gut an. „Für was bedankt sich der AfD-Sprecher eigentlich? Für 44 Jahre brutale kommunistische Unterdrückung Osteuropas, die blutige Niederschlagung der Volksaufstände in Ostdeutschland (1953), Ungarn (1956), Tschechoslowakei (1968), 40 Jahre Diktatur in der DDR?“, fragte der ehemalige Berliner AfD-Landeschef Georg Pazderski auf Twitter.

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Und der Krieg in der Ukraine? Wurde zumindest in der Rede des russischen Botschafters offenbar eher in Opfer-Prosa gehüllt. In manchen Ländern würden „Nazis und ihre Handlanger als Nationalhelden gepriesen, die Heldentat der Roten Armee diskreditiert, sowjetische Kriegsgräber geschändet, Denkmäler zerstört und die Symbole des Landes, das für den Sieg über den Nationalsozialismus den höchsten Preis bezahlt hat, verboten“, zitiert die „Berliner Zeitung“ Netschajew. Dies könne nicht toleriert werden.

Netschajew verwies in seiner Rede darauf, dass die „Todesmaschinerie“ der Deutschen 27 Millionen Sowjetbürger das Leben gekostet habe. Er beklagte laut Redetext auf der Webseite der Botschaft, es werde „verstärkt versucht, die Geschichte zugunsten der aktuellen politischen Konjunktur zu verdrehen, Opfer und Henker sowie Sieger und Besiegte gleichzusetzen“. „Dem Nazismus darf keine einzige Chance aufs Wiederaufleben geben auch nicht als Russophobie“, sagte Netschajew demnach.

Die Bundesregierung wollte sich zur Teilnahme deutscher Politiker an dem Empfang nicht äußern. Man sehe keinen Anlass, dies zu kommentieren, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Die Fraktionschefs von SPD, FDP und Grünen waren nach Angaben ihrer Fraktionen nicht eingeladen.

Als #Sozialdemokratin schäme ich mich in Grund und Boden

SPD-Politikerin Dagmar Freitag 

Der ehemalige Parteivorsitzende der Linken, Klaus Ernst, verteidigte seine Teilnahme an dem Empfang. „Ich halte es für vollkommen richtig, an einem Empfang anlässlich des 78. Jahrestages der Befreiung unseres Landes vom Faschismus teilzunehmen“, teilte er dem Tagesspiegel.

Demnach sei ohne den Sieg über den Faschismus auch sein Leben „anders verlaufen als unter den demokratischen Verhältnissen, die ich erleben durfte“, führte Ernst weiter aus. „Auch der Krieg in der Ukraine, den ich immer verurteilt habe und verurteile“, könne daran nichts ändern. Zudem erklärte der 68-Jährige: „Man beendet den Krieg in der Ukraine nicht dadurch, dass man jeglichen Gesprächskanal abbricht.“

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, sagte zur Teilnahme Schröders an dem Empfang: „Es lässt mich voller Unverständnis zurück.“ FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte der dpa: „Russland begeht seit über einem Jahr schwere Kriegsverbrechen in der Ukraine. Jeden Tag sterben dort Menschen durch Raketenangriffe. Es ist völlig unangemessen, ein Fest der russischen Botschaft zu besuchen, und ich finde es gut, dass die Botschafter der westlichen Länder hier ein klares Zeichen gesetzt haben.“ Es wundere ihn nicht, dass das Vertreter der AfD nicht interessiere. „Aber von der Linkspartei hätte ich mehr erwartet“, fügte Dürr hinzu. 

Der CDU-Politiker Ruprecht Polenz kommentierte die eigenwillige Zusammenkunft mit dem Wort „Passt“.

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Die Grünen-Politikerin Rebecca Harms wurde deutlicher. Sie sprach von den „deutschen Handlangern Putins im russischen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine“.

Der Vorsitzende der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe, Robin Wagener (Grüne), forderte eine grundlegende Aufarbeitung der Russlandpolitik. „Dass Schröder, Ernst, Chrupalla als willfährige Propagandaakteure und Lobbyisten des Kremls auftreten, überrascht mich nicht“, sagte er dieser Zeitung: „Über die Frage was in Bezug auf das verbrecherische Regime Putins für einen früheren Bundeskanzler würdig ist, sind wir leider bei Gerhard Schröder schon lange hinaus.“ Wichtiger finde er die tiefgehende Aufarbeitung der deutschen Fehler in der Russlandpolitik der Vergangenheit in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. „Ohne die werden wir Fehler in Bezug auf Russland und andere Akteure wie China wiederholen“, warnte er.

Die SPD-Politikerin Dagmar Freitag kommentierte: „Als #Sozialdemokratin schäme ich mich in Grund und Boden. Wie kann man man so tief sinken, Gerd Schröder?“

Gerhard Schröders Verhalten ist an Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten.

CDU-Politiker Thorsten Frei

Aus der Pressestelle der Linken hieß es, dass man über den Besuch von Klaus Ernst in der Botschaft nicht informiert gewesen sei. Die Haltung der Partei zum Krieg sei aber klar, sagte ein Sprecher.

Der Politikprofessor Thomas Jäger von der Universität Köln kritisierte vor allem Ex-Kanzler Gerhard Schröder: „Schon die Lobbyarbeit für einen fremden Staat war für einen ehemaligen Bundeskanzler unstatthaft. Mit der Teilnahme an der Feier des Aggressors hat er gezeigt, auf welcher Seite er steht, da in Europa eine Zeitenwende eingeleitet ist.“

„Gerhard Schröders Verhalten ist an Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten“, kritisierte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei (CDU). Und weiter „An dem Tag, an dem sich der Altkanzler von russischen Diplomaten bewirten ließ, starben unschuldige Menschen in der Ukraine durch den russischen Angriffskrieg. Gerade der 9. Mai sollte eine Mahnung sein, sich nicht mit Aggressoren gemein zu machen“, kritisierte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei (CDU).

Ein Sprecher der SPD sagte lediglich: „Die Haltung der SPD-Spitze zu Gerhard Schröder ist unverändert klar: Er ist mit seiner Position politisch isoliert.“ (mit dpa)

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