
© Hannes Heine
Nach Undercover-Recherche in Berlin: Charité-Chef Kroemer will rechtliche Schritte prüfen
Nach einem TV-Bericht steht die Berliner Universitätsklinik in der Kritik. Charité-Chef Kroemer weist die Vorwürfe zurück – doch im Streit um die Medizin-Studenten ist keine Lösung absehbar.
Stand:
Charité-Chef Heyo Kroemer hat die öffentlichen Vorwürfe zurückgewiesen, in Berlins landeseigener Universitätsklinik seien Patienten mangelhaft versorgt und Medizin-Studenten unzureichend betreut worden. Im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses bezeichnete Kroemer die Undercover-Reportage von RTL und „Stern“ vor zwei Wochen als streckenweise „irreführend, überzogen oder falsch“.
Zudem seien in den TV-Aufnahmen zwar Personal und Patienten verpixelt und ihre Stimmen verfremdet worden, dennoch stelle dies eine „Grenzverletzung“ dar, sagte Kroemer, zumal ein sterbender Mann gefilmt worden sei. Die Charité prüfe dagegen rechtliche Schritte.
Andere Kliniken zahlen bis zu 900 Euro
Vertreter aller Parteien bezeichneten die Reportage-Methoden am Montag mindestens als streitbar, einige Abgeordnete wollten dennoch wissen, wie gut die Ausbildung an der Charité denn nun ablaufe. Zentraler Aspekt des Undercover-Berichts war die Lage angehender Mediziner, die in ihrem zum Studium gehörenden „Praktischen Jahr“ unzureichend auf den Stationsalltag vorbereitet würden. Demnach verrichten die „PJ-ler“ genannten Studenten auch Arbeiten, die von Ärzten begleitet werden müssten, die sich wegen engmaschiger OP-Termine aber kaum darum kümmerten.
Alexandra Archodoulakis – sie war lange PJ-ler-Vertreterin und ist nun approbierte Charité-Ärztin – sagte im Ausschuss, dass es Kommilitonen gebe, die nach dem Praxisjahr nicht mehr in einer Klinik arbeiten wollten. Zwischen den einzelnen Instituten herrschten „massive Unterschiede“, wenngleich die fehlende Aufwandsentschädigung an der Charité ein grundsätzliches Problem sei.
Ärztekammer verweist auf Personalnot
Die Charité ist die einzige Hochschulklinik bundesweit und eines der wenigen Krankenhäuser der Region, an dem die Medizin-Studenten keine Aufwandsentschädigung erhalten; anderenorts gibt es bis zu 900 Euro pro Monat. AfD, Linke und Grüne fragten nach, das für Studenten bestimmte Bafög reiche angesichts der Alltagskosten in Berlin nicht aus, das PJ werde zudem in Vollzeit geleistet, was bezahlte Nebenjobs erschwere.
Die CDU erinnerte daran, dass sie 2022 in der Opposition gefordert hatte, die Charité-PJ-ler zu bezahlen: Die damalige rot-grün-rote Koalition habe das abgelehnt.
Der Charité-Vorstand erklärte, aus eigenen Mitteln sei es nicht möglich, die PJ-ler zu bezahlen. Berlins Ärztekammer-Präsident Peter Bobbert, der in der erwähnten Reportage auftrat, sagte im Ausschuss: Unter Personalnot litten viele Krankenhäuser, auch an der Charité gebe es offenbar ein Problem im Umgang mit den Ärzten.
So seien tarifliche Überstunden-Regelungen zum Freizeitausgleich ausgesetzt worden, weil Mediziner fehlten. Personalnot herrsche zwar nicht auf allen Stationen, aber gerade in der Pädiatrie, also in der Kindermedizin.
Erwartungsgemäß konnten Bobbert und Charité-Chef Kroemer ihren Dissens nicht verbergen. Letzterer verwies noch auf den Wunsch nach einer neuen Kinderklinik. Die Charité, deren Bauten mitunter marode sind, steht vor umfassenden Sanierungen.
Gesundheits- und Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) bezog sich am Montag im Wesentlichen auf den Bund, der die Bafög-Sätze anpassen und die Krankenhausreform vollenden müsse. Von der Reform werden Maximalversorger wie die Charité aller Voraussicht nach profitieren.
Czyborra ist Charité-Aufsichtsratsvorsitzende. Für der Klinik gilt ein Sparkurs; für 2023 verbuchte die Charité angesichts steigender Kosten für Arzneien, Bauten und Personal ein 135-Millionen-Euro-Defizit. Die Charité verfügt über 3300 Betten, samt Tochterfirmen knapp 24.000 Beschäftigte und Gesamteinnahmen von 2,6 Milliarden Euro im Jahr.
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