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Francesca Albanese hat in der Vergangenheit Kritik auf sich gezogen. (Archivbild)

© IMAGO/Stefano Carofei

Update

Nach Absage im Februar: Francesca Albanese spricht auf Tagung in Räumen der FU

Die Sonderberichterstatterin des UN-Menschenrechtsrats ist auf einer wissenschaftlichen Tagung an der FU Berlin. Jüdische und antisemitismuskritische Hochschulgruppen kritisieren dies scharf.

Stand:

Die vielfach kritisierte UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese spricht an diesem Mittwoch bei einer Veranstaltung in Räumen der Freien Universität Berlin. Dies bestätigte die FU auf Anfrage. Organisatorin der Veranstaltung sei aber nicht die Uni, sondern die Europäische Gesellschaft für Internationales Recht (ESIL).

Albanese ist seit 2022 Sonderberichterstatterin des UN-Menschenrechtsrats für die besetzten palästinensischen Gebiete. Mit Äußerungen über Israel, Juden, über die Hamas und Israels Vorgehen im Gazastreifen hat sie in der Vergangenheit den Vorwurf des Antisemitismus auf sich gezogen. Auch der Berliner Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hatte ihr Israelhass vorgeworfen.

Im Februar war eine ebenfalls bei der FU geplante Veranstaltung mit Albanese kurzfristig nach Kreuzberg verlegt worden. Als Grund nannte FU-Präsident Ziegler Sicherheitsbedenken. Aus Protest besetzten rund 40 Personen einen Hörsaal an der Universität.

Nun tritt sie im Vorprogramm der Jahrestagung von ESIL bei einer Veranstaltung zu internationalem Recht mit dem Untertitel „Eine Kartographie und Anatomie des Genozids“ mit einer Keynote auf. Es ist einer von neun angebotenen Workshops am ersten Konferenztag. Dabei sein soll, wie bei der im Februar abgesagten Veranstaltung, der israelische Architekt Eyal Weizman. Er ist Gründer des Projekts Forensic Architecture, das das israelische Vorgehen im Gazastreifen als Völkermord bezeichnet. 

Genozidfrage umstritten

Das Netzwerk Jüdischer Hochschullehrender (NHJ), die Jüdische Studierendenunion (JSUD) und die Studierendengruppen „Tacheles“ kritisieren den Auftritt scharf.

In einem Schreiben an die Universitätsleitung, das dem Tagesspiegel vorliegt, bezeichnete das NHJ den Workshop als „antiisraelische Propagandaveranstaltung“ und stellte dessen Wissenschaftlichkeit infrage. Dass es dort auch Vorträge gebe, die sich mit neuen Methodiken im Völkerrecht befassten, sei „alibimäßig“.

Im Workshop soll es laut Ankündigung unter anderem darum gehen, wie man bei der Aufklärung von Völkerrechtsfällen etwa Satellitenbilder, Open-Source-Wissen und Computermodellierung nutzt. Die angekündigten Redepunkte zu Gaza lassen darauf schließen, dass die Beitragenden davon ausgehen, Israel begehe einen Genozid im Gaza-Streifen.

Der Genozid-Vorwurf wird von einigen Organisationen, auch israelischen, erhoben; einige Wissenschaftler argumentieren, es gebe genug Hinweise darauf. Es gibt aber ebenso Wissenschaftler und Verbände, die den Vorwurf als nicht ausreichend belegt ansehen. So auch die genannten Gruppen, die sich gegen Albaneses Tagungsauftritt wenden.

Kritiker verweisen auf Albanese-Aussagen

Um ihre Kritik zu untermauern, hat die antisemitismuskritische Gruppe „Tacheles FU“ in einem Instagram-Post mehrere Aussagen Albaneses gesammelt, wegen der sie ihr Antisemitismus vorwerfen. In den präsentierten Auszügen schreibt Albanese unter anderem von einer „israelischen Lobby in eurem Blutkreislauf“, bezeichnet die Hamas in einem Video als „politische Kraft“, die Infrastruktur geschaffen habe und die man sich nicht nur als Mörder vorstellen dürfe. In einem anderen Clip behauptet sie, es gebe kein Beleg für „Massenvergewaltigungen“ der Hamas.

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Dass die Hamas unter anderem am 7. Oktober 2023 sexualisierte Gewalt gegen israelische Frauen und Mädchen eingesetzt hat, und es etwa beim Sturm aufs Nova-Festival etliche Vergewaltigungen gab, gilt als gesichert.

Zwei an der Tagungsorganisation beteiligte Professor:innen wollten auf sich auf Tagesspiegel-Anfrage nicht äußern. Die FU-Pressestelle verwies in der Frage auf eine eigens eingerichtete Info-Seite zur Kritik an dem Tagungspunkt. Albanese wurde demnach von der Arbeitsgruppe selbst eingeladen. Bei großen Tagungen ist es üblich, dass sich Teilnehmer nicht nur um Vorträge, sondern auch um die Ausrichtung eines Workshops bewerben können und ihn eigenständig organisieren.

FU: Auch „kontroverse Stimmen“ gehörten dazu

Auf die Frage, wie die FU zur Kritik an Albanese stehe, heißt es in dem FAQ, man nehme „die öffentliche Debatte und die Kritik sehr ernst“. Gleichwohl gelte: „Wissenschaftliche Veranstaltungen dienen der kritischen Auseinandersetzung. Es ist Aufgabe der eingeladenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie des Fachpublikums, Argumente einzuordnen und über sie zu diskutieren.“

Grundsätzlich halte die FU „am Austausch mit umstrittenen Personen fest“, um eine „lebendige akademische Kultur“ zu erhalten. Die erfordere, „dass auch kontroverse Stimmen gehört und zur Diskussion gestellt werden können“.

Laut der Deutschen Presseagentur (DPA) werden auf der ESIL-Tagung 600 Teilnehmende aus 60 Ländern im Henry-Ford-Bau erwartet.

Im Übrigen seien Universitäten laut Grundgesetz der Wissenschaftsfreiheit verpflichtet, erklärt die FU gegenüber der DPA. „Dazu gehört auch, dass Forschende eigenständig über Themen, Formate und Gäste wissenschaftlicher Veranstaltungen entscheiden können.“ (mit dpa)

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