
© Sezgin Kivrim
Pullover mit Kurdischer Flagge: Berliner Designer Sezgin Kivrim geht viral
Bei einer internationalen Modekonferenz in Berlin sorgten nicht nur deren prominenten Besucher für Aufmerksamkeit. Auf den sozialen Medien machte ein übergroßer Strickpullover die Runde.
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Die Wichtigkeit medialen Einflusses hat über die letzten Jahre absurde Züge angenommen – eine ganze Berufsgruppe entstand, die sich nur mit dem influencen, also dem Beeinflussen, beschäftigt. Dabei gab es schon immer Menschen, an denen sich andere orientierten. Früher allerdings erarbeite man sich diesen Einfluss (wenn man ihn nicht, wie Adelige, von Gottes Gnaden erhielt); man war zunächst Schauspieler, Sängerin, Gatte oder zumindest Model, bevor man das allgemeine Interesse reizte.
Doch auch heute kommt es immer mal wieder zu Situationen, die an das gute alte Früher erinnern, als der Fokus der Öffentlichkeit sich nicht allein auf die richtete, die eine besonders hohe Followerzahl vorweisen können. Dies passiert meist dann, wenn sich hinter dem Scheinen auch inhaltliche Substanz verbirgt.
So geschehen am vergangenen Montag: In Berlin war die internationale Modeprominenz der Einladung des Magazins „Vogue“ gefolgt, um sich auf einer Konferenz mit sich selbst zu beschäftigen. Natürlich entstanden dabei Bilder von den bekannten Akteuren, die im Anschluss in den sozialen Medien die Runde machten.
Trikolore in Handarbeit
Persönlichkeiten wie der Sänger Bill Kaulitz, das Model Winnie Harlow oder die Moderatorin Palina Rojinski waren aber nur glitzernder Beifang der aufmerksamkeitsökonomischen Ausbeute. Der wahre Star des Abends war ein anderer: ein übergroßer Strickpullover, oben rot, unten grün und in der Mitte eine große gelbe Sonne auf weißem Grund. Getragen von der Chefredakteurin der deutschen „Vogue“, Kerstin Weng.

© Sezgin Kivrim
Das Pullovermuster stellt die kurdische Flagge dar und soll dem Gedenken an die vor zwei Jahren im Iran ermordete Kurdin Jina Mahsa Amini dienen. Das sagte Weng in einer später veröffentlichten Instagram-Story.
Schöpfer des Pullovers ist der Berliner Designer Sezgin Kivrim. Er wusste, dass sein Werk getragen werden wird - Weng hatte es bei ihm im Atelier persönlich abgeholt, auch, um sich über die Hintergründe der Symbolik zu informieren. Von den plötzlich Tausenden neuen Followern auf Instagram, von zig Anfragen, wo und ob es eben diesen Pullover zu erwerben gibt, sei er trotzdem überrascht gewesen, sagt Kivrim am Telefon. Auf TikTok ging ein Video viral, in dem das Kleidungsstück zu sehen ist. Rückmeldungen bekomme er seither nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus den USA und insbesondere Kurdistan.
Kivrim, der im vergangenen Jahr erst sein Mode-Studium an der Berliner Universität der Künste abschloss, hofft jetzt, dass der Hype noch ein bisschen anhält. Er arbeite bereits fieberhaft daran, den Pullover in größerer Marge zu produzieren. Das von Weng getragene Modell sei in 60-stündiger Handarbeit entstanden und somit für die breitere Masse weder erschwinglich noch herstellbar.
Der Designer, der in einer kurdischen Familie mit dem Schneider-Handwerk aufwuchs, ist die Handarbeit eigentlich sehr wichtig. Dass seine Botschaft, „wir haben vielleicht keinen anerkannten Staat, aber Grund und Erde“, wie er es ausdrückt, für so große Resonanz sorgt, aber ebenso.
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