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Der Bahnhof Kottbusser Tor bei Nacht

© imago images/Joko/via www.imago-images.de

Update

Racial Profiling gegen Clubbesucher?: Rassismusvorwürfe nach Polizeikontrolle am Kottbusser Tor in Berlin

Am Wochenende soll ein Einsatz in Berlin-Kreuzberg eskaliert sein: Vier Menschen wurden festgenommen, mehrere verletzt. Nun gibt es Vorwürfe gegen die Polizei.

| Update:

In der Nacht zu Sonnabend ist in Berlin-Kreuzberg offenbar eine Polizeikontrolle eskaliert. Laut Polizei wurden sechs Einsatzkräfte verletzt, vier Menschen festgenommen. Die Betroffenen erheben nun schwere Vorwürfe: Die Beamt:innen hätten Gewalt gegen Schwarze Personen eingesetzt und diese anlasslos, aufgrund des sogenannten „Racial Profilings“ – also wegen rassistischer Vorurteile – kontrolliert. Zuerst hatte die „B.Z.“ über den Vorfall berichtet.

Auf Twitter schildert eine Frau den Ablauf wie folgt: Am frühen Samstagmorgen wollten demnach drei Freund:innen nach einem Clubbesuch mit der U-Bahn nach Hause fahren. Am U-Bahnhof Kottbusser Tor hätten dann Polizeikräfte die Bahn betreten und einen der drei, einen Schwarzen, anlasslos und ohne vorherige Ansprache aus der Bahn gezerrt. Er sei von fünf bis sechs Beamt:innen zu Boden gebracht, dort fixiert und auch mit der Faust ins Gesicht geschlagen worden.

Auch seine beiden Begleiterinnen seien zu Boden gebracht worden. Eine der beiden, eine Schwarze Frau, sei von einem Beamten gewürgt und als „Schlampe“ beleidigt worden, heißt es weiter. Die beiden Frauen seien dann, ohne Anlass und Gegenwehr, in Handschellen abgeführt und in einen Polizeigewahrsam gebracht worden. Dort seien sie erst rund vier Stunden später wieder entlassen worden.

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Die Betroffenen schildern das Verhalten der Polizei als „aggressiv und demütigend“ und werfen den Beamt:innen rassistische Motive vor. Ein Instagram-Video von dem Vorfall wurde zwischenzeitlich wieder gelöscht, ein Gespräch lehnten die Betroffenen auf Tagesspiegel-Anfrage ab.

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Die Polizei spricht von einem Verdacht des Taschendiebstahls

Die Polizei teilte dem Tagesspiegel auf Anfrage mit, der Mann sei kontrolliert worden, „um zu überprüfen, ob es seinerseits zu strafbaren Handlungen gegenüber zweier Frauen gekommen war.“ Es habe in diesem Moment „der Verdacht eines besonders schweren Falls des Taschendiebstahls“ bestanden, hieß es.

Demnach hätten Polizeibeamt:innen in Zivil beobachtet, wie der Mann neben den zwei Frauen die Skalitzer Straße entlang zum U-Bahnhof Görlitzer Bahnhof gelaufen sei. Die drei Personen hätten auf die Einsatzkräfte alkoholisiert gewirkt und Getränke dabei gehabt.

Die Beamt:innen hätten beobachtet, „wie der Mann die Frauen immer wieder ‘angetanzt’ und im Bereich ihrer Taschen angefasst hatte.“ Das sei eine gängige Verhaltensweise im Bereich „der Eigentumsdelikte und des Raubes.“ Es sei nicht eindeutig überprüfbar gewesen, in welchem Verhältnis der Mann und die zwei Frauen zueinander standen. Daher hätten die Zivilkräfte nicht ausschließen können, dass eine Gefahr für die beiden Frauen bestand.

Da es viele Fälle von Taschendiebstählen und Raub „an den kriminalitätsbelasteten Orten Görlitzer Park und Kottbusser Tor“ gebe, hätten die Einsatzkräfte beschlossen, den Mann durch uniformierte Polizist:innen kontrollieren zu lassen. Weiter teilte die Polizei dem Tagesspiegel mit, „Hautfarbe, Abstammung, Religion oder nationale bzw. ethnische Herkunft eines Menschen“ seien nicht die Grundlage von polizeilichen Maßnahmen, sondern das „Verhalten von Personen“.

Die Polizei gab außerdem bekannt, bislang sei „eine unverhältnismäßige Zwangsanwendung“ nicht zu erkennen. Der Sachverhalt werde aber „weiterhin umfänglich auch auf ein mögliches Fehlverhalten der involvierten Kolleginnen und Kollegen hin überprüft“

Die Polizei habe einen Verdächtigen überprüfen wollen

Auch ein umstehender Mann und eine der beiden Begleiterinnen des Verdächtigen sollen sich eingemischt und versucht haben, den Mann zu befreien. Insgesamt seien vier Personen kurzzeitig festgenommen, sechs Polizeibeamte leicht verletzt worden. Alle Beamt:innen konnten demnach ihren Dienst fortsetzen. Polizeisprecherin Anja Dierschke sagte der „B.Z.“, dass der Vorgang und das Verhalten der Einsatzkräfte „abgeklärt“ werde.

Biplab Basu ist Mitbegründer der Opferberatungsstelle ReachOut und engagiert sich seit Jahrzehnten gegen rassistische Gewalt, auch von Behörden. Er hat mit mehreren der Betroffenen und einigen Zeug:innen des Vorfalls am Kottbusser Tor gesprochen. Alle hätten die Abläufe gleich geschildert. „Für mich sehr wichtig ist: Es gab vonseiten der Polizei keine Ansprache, der Verdächtige wurde nicht über seine Rechte belehrt“, sagt er. Allein damit würden schon fundamentale Rechte verletzt.

Ich habe den Eindruck, die Polizei will dort jetzt mit Ach und Krach die Statistik verbessern.

Biplab Basu von der Opferberatungsstelle ReachOut über die Polizeiwache am Kottbusser Tor

Dazu komme dann die Brutalität, die für Menschen mit Migrationsgeschichte alltäglich sei, sagt Basu. Laut seiner Schilderung sollen die Beamt:innen auch einen Mann, der Zeuge war und nur fragen wollte, was eigentlich los sei, schwer am Arm verletzt haben.

Für Basu ist der Vorfall emblematisch für die aktuellen Vorgänge rund um das Kottbusser Tor. Seit dort die Polizeiwache eingerichtet wurde, hätten sich bei ihm bereits Menschen wegen dreier ähnlicher Vorfälle wie jenes am vergangenen Wochenende gemeldet. „Ich habe den Eindruck, die Polizei will dort jetzt mit Ach und Krach die Statistik verbessern“, sagt er.

Es komme aber auch überall sonst in Berlin sehr häufig vor, dass Menschen mit (vermeintlichem) Migrationshintergrund anlasslos kontrolliert und auch festgenommen würden, sagt Basu. „Das ist Alltag.“ Er fordert daher ein Ende der sogenannten anlasslosen, verdachtsunabhängigen Kontrollen. „Von diesem scheinheiligen Vorgehen müssen sie wegkommen und wieder originäre Polizeiarbeit machen: erst verdächtigen, dann handeln“, fordert er.

Polizeipräsidentin Barbara Slowik hatte kürzlich im Interview mit dem Tagesspiegel eine positive erste Bilanz der sogenannten Kotti-Wache gezogen und dabei auch darauf verwiesen, dass die Kriminalität im Umfeld zurzeit leicht rückläufig sei. Im vergangenen Jahr hatte eine Studie der Technischen Universität im Auftrag des Senats insbesondere bei Polizeikontrollen im Görlitzer Park keine Belege für Racial Profiling gefunden. Allerdings müsse die Polizei sensibler für Rassismus werden, schlussfolgerten die Autor:innen.

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