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Raus aus dem Winterschlaf!: Berlins schwarz-rote Koalition muss an Tempo zulegen
Während die Weltordnung zerbröselt und der Klimawandel voranschreitet, verbleibt Berlins Landespolitik in einem nahezu gemütlichen Arbeitsalltag. Das schadet auf Dauer der Stadt.

Stand:
„Wer langsamer wird als die Welt um ihn herum“, werde irrelevant, sagte Finanzsenator und Bürgermeister Stefan Evers (CDU) am Donnerstag im Berliner Abgeordnetenhaus. Ein kluger, ein richtiger Satz. Evers spielte damit auf das wahnwitzige Tempo an, mit dem sich die Weltpolitik in den vergangenen Jahren änderte. Corona, Klimawandel, Ukraine-Krieg, Trump. Jedes Ereignis für sich genommen war und ist ein Epochenbruch, der politische Entscheidungen in Dimensionen verlangt, die beispiellos sind.
In einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel forderte Evers jüngst auch deshalb nicht mehr und nicht weniger als eine „Staatsreform“, damit das Land in diesen Zeiten überhaupt handlungsfähig bleibt.
Leider steht diese Erkenntnis des Finanzsenators in einem auffälligen Missverhältnis zur Arbeit des Senats, dessen Teil er ist, und der ihn tragenden Koalition. Beispiele davon finden sich zuhauf. Für die wöchentlichen Pressekonferenzen, auf denen eigentlich jeweils die wichtigsten Entscheidungen der Berliner Regierung vorgestellt werden sollen, hat der Senat offensichtlich Probleme, geeignete Themen zu finden. Zuweilen ist es dem Presseteam der Regierung selbst peinlich, was sie Journalisten vorab als Tagesordnung verkaufen müssen.
So ging es in den vergangenen Wochen mal um einen Bericht zum Abfallwirtschaftsgesetz, mal um einen Bericht zur Tourismusförderung in den Bezirken. Die Bundestagswahl nutzte der Senat, um anschließend über die gute Wahlorganisation zu sprechen – was man in Berlin ja immerhin als Erfolg verkaufen kann.
Fragt man Koalitionspolitiker, welche großen Themen Schwarz-Rot noch angehen will in den kommenden Monaten, kommen viele ins Schlingern. Klar, die Verwaltungsreform. Aber sonst?
Nun kann Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner persönlich weder die NATO retten noch den Klimawandel stoppen. Wenn man sich aber anschaut, mit welch atemberaubend langsamen Tempo die schwarz-rote Koalition selbst die Dinge angeht, auf die sie Einfluss hat, muss man feststellen: Das reicht nicht!
Im April und Mai tagt das Parlament nur zweimal
Der Entwurf zum Kleingartensicherungsgesetz entpuppt sich nach über einem halben Jahr Verhandlungen, in denen es nur noch um Details gehen sollte, als Luftnummer. Die Erhöhung der Parkgebühren, die angeblich alle wollen, kommt frühestens Ende des Jahres. Man arbeite an einem „Gesamtkonzept“, heißt es. Und apropos Gesamtkonzept: Wo bleibt eigentlich die versprochene Reform des Mobilitätsgesetzes?
Der Eindruck der Berliner Gemütlichkeit wird verstärkt durch den Terminkalender. Im April und Mai tagt das Plenum im Abgeordnetenhaus – in der Theorie ein Vollzeit-Parlament – ganze zweimal. Osterferien und ein Feiertag sorgen für entsprechende Ausfälle. Wat willste machen?
Zur Fairness muss man an dieser Stelle sagen: Erschwert wird die politische Arbeit in Berlin durch den milliardenschweren Konsolidierungsdruck. Wer sparen muss, ist häufig zum Abwickeln, statt zum Aufbauen verdammt. Im Hintergrund wird zudem müsahm darum gerungen, wie die Finanzierung der Bezirke in Zukunft nachhaltiger aufgestellt werden kann.
Doch einerseits verschleppte Schwarz-Rot auch die Konsolidierung über Monate und teilweise noch bis heute. Andererseits entschuldigt das auch nicht die Bräsigkeit, mit der diese Koalition andere Themen bearbeitet.
Die Regierung von Kai Wegner hat noch rund ein dreiviertel Jahr Zeit, einen Gang hochzuschalten. Dann beginnt in Berlin schon wieder der Wahlkampf für die kommende Abgeordnetenhauswahl. Leider deutet im Moment wenig daraufhin, dass Berlins Politik bis dahin das Tempo erreicht, was die Welt drumherum diktiert.
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