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Francesca Albanese, UN-Sonderberichterstatterin für Palästina.

© dpa/Mick Tsikas

Update

Umstrittener Vortrag zu „Gaza-Genozid“: Francesca Albanese darf nicht an die Freie Universität Berlin kommen

Die umstrittene UN-Berichterstatterin Francesca Albanese darf nicht an die Freie Universität Berlin kommen. Das hat die Unileitung nun entschieden. Online darf die Veranstaltung jedoch stattfinden.

Stand:

Der umstrittene Vortrag von Francesca Albanese, UN-Sonderberichterstatterin für die palästinensischen Gebiete, an der Freien Universität Berlin (FU) darf nicht in Präsenz stattfinden. Das hat FU-Präsident Günter M. Ziegler am Mittwochnachmittag im Akademischen Senat angekündigt. Stattdessen darf die Veranstaltung digital stattfinden.

Eine Gruppe von Professor:innen hatte Albanese für kommenden Mittwoch zu einem Vortrag an der Uni eingeladen. Daran gab es von Politikern und Verbänden heftige Kritik.

Sicherheit kann nicht garantiert werden

Die FU zog nun die Reißleine. Uni-Präsident Ziegler verwies im Akademischen Senat auf die „umfassende Kontroverse“ im Vorfeld, weshalb der Vortrag nicht im geplanten Format stattfinden könne. Stattdessen sollen die Organisatoren eine wissenschaftliche Veranstaltung mit Albanese „im digitalen Raum“ machen dürfen. Der Grund dafür sei, dass man die Sicherheit aller nicht mehr garantieren könne.

„Es besteht die akute Gefahr, dass es angesichts der aufgeheizten Stimmung zu der Veranstaltung selbst gar nicht mehr kommt, sondern stattdessen einen großen Konflikt in den Saal trägt“, sagte Ziegler. Die Veranstaltung sei zudem von verschiedenen Aktivisten-Gruppen beworben wurden. Gemeint ist damit wohl auch die „Student Coalition“, die diverse pro-palästinensische Aktionen in Berlin organisiert. Bislang kam es dort immer wieder zu israelfeindlichen und antisemitischen Vorfällen.

Die Vorlesung mit anschließender Diskussion hatten Professor:innen aus verschiedenen Bereichen unter dem Titel „Lebensbedingungen, die auf Zerstörung angelegt sind. Rechtliche und forensische Perspektiven auf den laufenden Gaza-Genozid“ für Mittwoch, den 19. Februar geplant.

Seit der Ankündigung drängen mehrere Akteure auf Absage. Die jüdische Werteinitiative schrieb einen alarmierten offenen Brief an den FU-Präsidenten; auch der israelische Botschafter sendete eine E-Mail mit scharfen Vorwürfen angesichts der Albanese-Einladung an Ziegler. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) forderte ebenfalls eine Absage.

Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra.

© Alix Faßmann

Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) sei schon, bevor die Empörung laut wurde, mit der Uni im Austausch gewesen, teilte ihre Senatsverwaltung dem Tagesspiegel mit. Auch wenn die Senatorin keine rechtliche Handhabe hat, sind die Signale klar. In einem Statement vom Dienstag sagte Czyborra, aus ihrer Sicht erfüllten die Äußerungen von Frau Albanese alle Kriterien des Antisemitismus.

„Begriff des Genozids muss akademisch diskutierbar sein“

Die Organisatoren der Veranstaltung bezogen am Mittwoch vor der Entscheidung des FU-Präsidiums auf Anfrage schriftlich Stellung. Der Titel sei von den geladenen Gästen vorgeschlagen, sie hielten daran fest. „Dies ist ein in der Wissenschaft übliches Vorgehen und wir haben keine Gründe gesehen, in diesem Fall von diesem Verfahren abzuweichen.“

Für den Genozid-Vorwurf beziehen sie sich auf eine Einschätzung des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag. Sie weisen darauf hin, dass er den Vorwurf im Januar 2024 als plausibel bezeichnet hat. Auch habe der Internationale Strafgerichtshof Haftbefehle gegen den israelischen Premierminister und den Verteidigungsminister erlassen. Organisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch und Forscher wie Omer Bartov und Amos Goldberg hätten sich dazu ähnlich geäußert. „In diesem Kontext muss der Begriff des Genozids akademisch diskutierbar sein und auch in einem Titel erscheinen können, ohne einfach als Provokation abgetan zu werden“, schreibt das Team.

Der Haftbefehl gegen Netanjahu ist diskutabel, manche kritisieren ihn als unverhältnismäßig und wenden ein, er gründe auf einer Voreingenommenheit vieler Länder gegenüber Israel.

Nach den Vorträgen ist laut dem Orga-Team eine ausführliche Fragerunde geplant. Jeder könne ohne Voranmeldung teilnehmen und kritische Rückfragen stellen. Albanese hätte an einer ganzen Reihe renommierter Unis dazu gesprochen, zuletzt in Wien und Amsterdam, diese Woche in Rotterdam und Utrecht: „In Berlin sollte das auch möglich sein.“

Nach der Entscheidung der FU teilten die FU-Professor:innen jedoch mit: „Wir wissen noch nicht, ob es zu einer digitalen Veranstaltung kommt und wie diese dann ausgestaltet wird.“ Man müsse sich erst mit den Gästen abstimmen.

Neben Albanese, die neben der Kritik international auch für ihren Einsatz für Menschenrechte anerkannt ist, wurde Eyal Weizman nach Berlin eingeladen, Professor an der University of London. Der Israeli hat „Forensic Architecture“ gegründet, eine Rechercheagentur, die zum Beispiel mit technischen Analysen und Simulationen versucht, Menschenrechtsverletzungen aufzuklären. 

Umstrittene Völkerrechtlerin

Die FU stand unter Druck, den Vortrag abzusagen, weil verschiedene Äußerungen der Völkerrechtlerin in der Vergangenheit von Kritikern als antisemitisch und terrorrelativierend eingeordnet wurden. An der LMU München war Albanese, die dort auf Einladung einer politischen Studierendengruppe über „Kolonialismus, Menschenrechte und Internationales Recht“ sprechen sollte, wieder ausgeladen worden. Auch an der Ausladung gab es Kritik, Studierende setzten eine Petition auf und warnten vor einem „gefährlichen Präzedenzfall für Universitäten“. Unter den Unterzeichnern waren auch Michael Barenboim, Konzertmeister des West-Eastern Divan Orchestra und Leiter der Barenboim-Said-Akademie in Berlin.

Antisemitische Vorfälle haben in Deutschland seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 sprunghaft zugenommen: Dazu zählen nicht nur Fälle etwa von körperlicher Gewalt, die angezeigt werden, sondern auch Beschimpfungen oder abfällige Bemerkungen, die den Betroffenen psychisch zusetzen.

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