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© AFP/ODD ANDERSEN

Vergesellschaftung, Verkehr, Gesellschaft: Was CDU und SPD in Berlin eint – und was sie trennt

Berlin steuert auf eine schwarz-rote Koalition zu. Inhaltlich gibt es zwischen den beiden Partnern nur wenig Dissens. Zu Konflikten könnte die angespannte Haushaltslage führen.

Rund sechseinhalb Jahre nach dem Ende der letzten großen Koalition in Berlin steht die Stadt erneut vor einem schwarz-roten Bündnis – diesmal unter CDU-Führung. Kai Wegner begründete dies am Mittwoch nach der offiziellen Entscheidung seines Landesverbandes damit, dass es „deutlich mehr Schnittmengen“ mit der SPD gebe. Auch die SPD-Vorsitzende Franziska Giffey sagte, dass die „Aussichten auf Umsetzung“ wichtiger Themen wie Wohnungsbau, innere Sicherheit und Verkehrspolitik mit der CDU besser seien. Wo sind sich CDU und SPD nah – und wo gibt es Differenzen? Eine Auswahl.


Vergesellschaftung

Als größte Überraschung dürfte die Einigung der beiden Parteien auf ein Vergesellschaftungsrahmengesetz gelten. Sowohl Giffey als auch Wegner lehnten die Umsetzung des Volksentscheids zur Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne vor der Wahl ab.

Ausweg soll nun ein allgemeines Vergesellschaftungsgesetz bieten, das dann vom Bundesverfassungsgericht geprüft werden soll. Das wird dauern, eine Umsetzung des Volksentscheids noch in dieser Legislatur dürfte damit ausgeschlossen sein – was sowohl Giffey als auch Wegner entgegenkommen sollte. In einem Papier der CDU-Sondierungsgruppe heißt es: „Eine willkürliche Enteignung großer Wohnungsunternehmen lehnen wir ab.“


Wohnungspolitik

Wegner und Giffey halten den Volksentscheid für einen „Ausdruck der Sorgen der Berlinerinnen und Berliner“ (Zitat Wegner) hinsichtlich des angespannten Miet- und Wohnungsmarkts. Statt zu vergesellschaften, hat man sich daher in den Sondierungen darauf verständigt, den kommunalen Wohnungsbestand deutlich zu erhöhen. Im Gespräch ist die Einrichtung eines Sondervermögens zu diesem Zweck. Das Neubauziel von 20.000 Wohnungen pro Jahr dürfte beibehalten werden. Auch ein Mietkataster wollen SPD und CDU einführen.

Das schwarz-rote Bündnis könnte die Debatte um eine Randbebauung des Tempelhofer Feldes wieder anfachen. Wegner kündigte vor der Wahl an, die Berlinerinnen und Berliner dazu erneut befragen zu wollen. Auch die SPD steht der Bebauung „auf ausgewählten Randflächen des Tempelhofer Feldes offen gegenüber“.


Verkehr

Das dauerhafte Angebot eines 29-Euro-Tickets für Bus und Bahn war eines der großen Streitthemen zwischen SPD und Grünen. Letztere hatten sich auch in den Sondierungen gegen eine Insel-Lösung für das Land Berlin ausgesprochen. Mit der CDU steht der Fortführung nichts im Wege: Das 29-Euro-Ticket entspricht der CDU-Forderung nach einem „365-Euro-Jahresticket“.

Spannend wird, wie die voraussichtliche Koalition mit dem Weiterbau der A100 umgeht. In den Sondierungen ist dazu bisher keine Einigung erfolgt. Die CDU spricht sich für die Umsetzung des 17. Bauabschnitts aus. Die SPD ist in der Frage unentschieden. Im Wahlprogramm der Partei heißt dazu lediglich: „Eine Weiterführung der A100 mit einem 17. Bauabschnitt wollen wir im Rahmen einer ergebnisoffenen gesamtstädtischen Bürger:innenbeteiligung diskutieren und entscheiden.“ Ob sich die SPD an dieser Stelle verkämpfen wird, ist fraglich.


Gesellschaftspolitik

Hier tun sich erste Gräben zwischen SPD und CDU auf. Franziska Giffey sagte jüngst im Tagesspiegel-Interview, sie erwarte, dass sich die CDU bei der Vornamen-Abfrage von Verdächtigen der Silvesterkrawalle „klar öffentlich anders positioniert“. Wegner tat das Gegenteil und verteidigte die Abfrage am Freitag im RBB. „Nur wenn ich Probleme benenne, kann ich sie auch richtig lösen“, sagte er.

Wir erwarten von der CDU, dass sie sich da klar öffentlich anders positioniert.

Franziska Giffey über die Vornamen-Abfrage der CDU

Auch das Landesantidiskriminierungsgesetz könnte zum Streit führen. Laut SPD-Sondierungsgruppe bleibt es erhalten. Allerdings dürfte der Widerstand konservativer CDU-Abgeordneter groß werden. In einem Papier der Partei zur inneren Sicherheit heißt es, das Gesetz sei „ein Misstrauensbeweis gegen alle Berliner Polizisten“. Am Freitag kündigte der innerparteilich mächtige SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh an, die Verhandlungsgruppe zum Thema Vielfalt selbst leiten zu wollen. Ein Signal, dass die SPD hier nur zu wenigen Abstrichen bereit sein wird.


Finanzen

Die vielen inhaltlichen Überschneidungen zwischen SPD und CDU sind offenkundig. Zu einem der größten Konflikte einer schwarz-roten Koalition könnten daher nicht die Dinge werden, die man umsetzen will, sondern die, die man nicht umsetzen kann. Die CDU setzt sich für die Einhaltung der Schuldenbremse und eine ausgeglichene Haushaltspolitik ein. Zwar spült die Inflation mehr Geld in die Staatskasse. Sie belastet aber, genau wie die steigenden Zinsen, auch die Ausgabenseite.

Viele in der CDU stören sich außerdem an den zahlreichen kostenlosen Angeboten wie dem Schulessen oder dem kostenlosen Schülerticket. Rückabwickeln werden sich diese Maßnahmen mit der SPD aber kaum lassen.

Sollte Schwarz-Rot es darüber hinaus wirklich ernst meinen mit teuren Projekten wie dem 29-Euro-Ticket, der Stärkung von Polizei und Feuerwehr und dem Ankauf von Wohnungen, dann dürfte in einem ausgeglichenen Haushalt nur noch wenig Spielraum für Lieblingsprojekte der jeweiligen Parteien sein.

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