
© Marie Staggat für den Tagesspiegel
Wahlparty im „Borchardt“ in Berlin: Applaus für die Wahlbeteiligung
Der gemeinsamen Einladung von Tagesspiegel, Zeit, Handelsblatt und Wirtschaftswoche sind viele Prominente gefolgt. Gemeinsam fiebert es sich leichter.
Stand:
Schicksalhafte Stunden will man nicht allein verbringen. Kein Wunder also, dass die gemeinsame Wahlparty von Tagesspiegel, Zeit, Handelsblatt und Wirtschaftswoche so viel Zuspruch findet.
Rund 300 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Kultur können die Gastgeber, Rainer Esser, Vorstandsvorsitzender der Zeit-Gruppe, Andrea Wasmuth als Geschäftsführerin der Handelsblatt Media Group und Tagesspiegel-Geschäftsführer Nicolas Köhn bereits am späten Sonntagnachmittag im Restaurant Borchardt begrüßen.

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So aufgeregt sei er vor einer Wahl noch nie gewesen, verrät Verleger Florian Langenscheidt. Fast sei es so, als habe man einen Arzttermin mit einer alles entscheidenden Diagnose vor sich. Er hat Partnerin Andrea Bury und seine drei Töchter mitgebracht, von denen erst eine wählen durfte. Sie sollen bei der Party auch erleben, wie wichtig es ist, aktiv an der Demokratie teilzuhaben.
Unsere Generation ist auf eine Epochenwende nicht vorbereitet.
Moritz Rinke, Schriftsteller
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An den kaum zu stoppenden Gesprächen im rasch gut gefüllten Restaurant merkt man, wie sehr diese Wahl bewegt. „Unsere Generation ist auf eine Epochenwende nicht vorbereitet“, sagt Schriftsteller Moritz Rinke, der mit seiner Frau Eylem da ist und am Morgen den kleinen Sohn mit zum Wahllokal genommen hat.

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Als die ersten Wahlergebnisse durchgegeben werden, erklingt ein Gong und Moderatorin Laura Himmelreich, stellvertretende Chefredakteurin des Tagesspiegel, bittet um Stille. Alles starrt gebannt auf die Bildschirme. Für die hohe Wahlbeteiligung gibt es spontanen Applaus im Raum. Gegen Extremismus helfe sie aber offensichtlich auch nicht, gibt Christian Sommer zu bedenken. Der Repräsentant der Motion Picture Association (MPA) hat gerade seine anstrengendste Berlinale hinter sich gebracht. „Emotional empört“ ist der frühere SPD-Staatssekretär André Schmitz, da seine Partei doch seit 160 Jahren für die Demokratie kämpfe. Auch Kunstanwalt Peter Raue spricht von der größten Katastrophe für die SPD: „Sie hätten nicht den falschen Spitzenkandidaten nehmen dürfen.“
„Es ist wie beim Boxkampf, mal gewinnen die einen, mal die anderen“, reagiert Moderator Cherno Jobatey gelassen. VBKI-Präsident Markus Voigt, der nach dem Ball der Wirtschaft erst am frühen Morgen zu Hause war, bestellt sich erstmal einen Kaffee. Für ihn sind stabile Verhältnisse am wichtigsten. Er wünsche sich mehr Politiker, die das Land vor ihre persönlichen Interessen stellen.
Hass im Netz und Empörungsgesellschaft
„Wer tut sich das heute noch an, Politiker zu werden?“, fragt Medienanwalt Christian Schertz, der auch diese Klientel betreut. Die Rahmenbedingungen seien doch: Hass im Netz, Medien ohne Gnade und die Empörungsgesellschaft. Die große Sehnsucht nach Persönlichkeiten in der Politik, wie man sie von früher in der Erinnerung hat, ist allgegenwärtig.
„Warum ist die Personaldecke so dünn geworden in den Parteien?“, fragt Giovanni di Lorenzo den langjährigen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU), der trotz eines Glätteunfalls sogar mit Krücke gekommen ist. Der Bundestag sei viel repräsentativer für die Gesellschaft, als viele annähmen, antwortet ihm der derzeitige Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung auf dem Podium. Er erkenne Profile und Typen, die gesellschaftliche Veränderungen repräsentierten.
Ich habe nie Phantomschmerz empfunden.
Norbert Lammert (CDU), ehemaliger Präsident des Bundestags
Vor dem Hintergrund der anstehenden Wahlen in Hamburg lautet seine Empfehlung für die Koalitionsverhandlungen: „Eine Woche durchatmen.“ Die Regierungsbildung werde nicht so schnell gehen, wie es beinahe alle für notwendig hielten. Auf seinen Abschied vom Bundestag angesprochen, meint er: „Ich habe nie Phantomschmerz empfunden.“
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sagt im Gespräch mit Tagesspiegel-Editor-at-Large, Stephan-Andreas Casdorff, dass die Parteispitze sich nun Gedanken machen müsse, um den Generationenwechsel voranzutreiben, „den wir in den Ländern schon geschafft haben“.
Alle sehen, wie schwer es im Osten ist.
Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern
Ihre wichtigste Aufgabe sieht sie darin, bei den Landtagswahlen im nächsten Jahr gut abzuschneiden, damit das Land nicht an die AfD fällt. „Alle sehen, wie schwer es im Osten ist. Ich habe da eine Verantwortung.“ Auch Europa- und Kulturministerin Bettina Martin (SPD) ist aus Schwerin angereist.

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Werner und Susanne Bahlsen, Düzen Tekkal, Astrid Frohloff, Cansel Kiziltepe, Staatssekretärin Esther Uleer, Unternehmerin Verena Pausder, Heike und August von Joest, Friedbert Pflüger, Schauspielerin Christiane Paul, Caren Miosga und Tagesspiegel-Herausgeber Lorenz Maroldt tauschen sich ebenfalls aus. Der Sänger Dirk Michaelis ist von der Atmosphäre „elektrisiert“.
Eckart von Hirschhausen hofft auf die Bewahrung der Schöpfung
Während die Kellner Tabletts mit den berühmten Schnitzelchen durch die Menge balancieren, werden auch nicht ganz ernst gemeinte Spekulationen laut: Ob Merkel wohl dem Merz gratuliert?
Auch Hoffnung liegt in der Luft. Eckart von Hirschhausen wünscht sich, dass eine konservative Regierung sich „der Bewahrung der Schöpfung“ widmet. Publizist Michel Friedman (ehemals CDU) zeigt sich beunruhigt, dass die AfD zur stärksten Oppositionspartei wird und so in die Mitte und in den Alltag eindringt. Die Parteien müssten die Themen Migration und Asyl anpacken, das sei bitter nötig: „Dabei darf aber nicht, wie es die AfD tut, Migration mit Hass und Hetze verbunden werden.“

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Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) glaubt, dass man nun genau analysieren müsse, wie Die Linke es geschafft hat, sich in kurzer Zeit so stark zu verbessern: „Sind deren Themen von anderen vernachlässigt worden?“
Christian Tretbar befragt Jörg Kukies zur Schuldenbremse
Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter, wünscht sich im Gespräch mit dem Chefredakteur der WirtschaftsWoche, Horst von Buttlar, unter anderem die Abschaffung des Lieferkettengesetzes: „Kann man einfach machen, kostet nichts“.
Tagesspiegel-Chefredakteur Christian Tretbar befragt am späteren Abend Finanzminister Jörg Kukies (SPD) nach seinen Plänen. Für Prognosen ist es ihm zu früh. Eine sinnvolle Reform der Schuldenbremse hält er angesichts der anstehenden Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur aber für richtig. Wachstumsförderung sei wichtig. Den Kanzler habe er zuletzt sehr kämpferisch erlebt, und er habe sich auf ehrenvolle und würdige Art zum Ergebnis geäußert.
Wie Esser es versprochen hat, wird am späten Abend „im Epizentrum der Berliner Republik“ Currywurst serviert. Das Berliner Nationalgericht und der Wein helfen, wie manche finden, die Ergebnisse erstmal zu verdauen.
Denn bei allen lebhaften Diskussionen und Begegnungen, ist im Gewusel die „Sorge und Ratlosigkeit“, die di Lorenzo im Gespräch mit Lammert erwähnt hat, eben auch präsent. Warum dieser Abend gerade auch deshalb eine so gute Institution ist, erwähnt Langenscheidt en passant beim Abschied vor Mitternacht. „Das war sehr hilfreich, an so einem Abend nicht zu Hause auf dem Sofa sitzen zu müssen.“
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