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Weil Kontrolleure für Ekelbäcker fehlen: Berlins Justizsenatorin will das Saubere-Küchen-Gesetz in die Tonne werfen
Trotz Kritik führten die Grünen 2023 in Berlin ein Gesetz ein, das Verbraucher vor Ekelrestaurants warnen sollte. Nur umsetzen lässt es sich nicht. Die CDU will es nun streichen.
Stand:
Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) will die strengen Berliner Vorgaben zur Transparenz von Hygienekontrollen in Restaurants wieder zurücknehmen. Es handelt es sich um eines der Lieblingsprojekte von Ex-Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) mit dem Namensungetüm: Lebensmittelüberwachungstransparenzgesetz.
„Wir planen, dem Senat die Aufhebung des Gesetzes vorzuschlagen“, sagte Justizstaatssekretärin Esther Uleer am Mittwoch im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses. „Die Grundlagen für das Gesetz sind nicht vorhanden.“
Das sogenannte „Saubere-Küchen-Gesetz“ trat Anfang 2023 in Kraft. Es schreibt nach skandinavischem Vorbild vor, das die Bezirksämter die Ergebnisse der Kontrollen veröffentlichen. Bunte Transparenzbarometer sollten an Restaurants und Imbissen ausgehängt werden.
Rot-Rot-Grün hatte das Gesetz im September 2021 kurz vor der damaligen Abgeordnetenhauswahl im Parlament durchgesetzt. Behrendt hatte damals gesagt: „Weil der Bund bislang untätig blieb, hat Berlin nun sein eigenes Gesetz.“

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Doch das Problem an dem Gesetz: Es will mehr als andere Bundesländer und die Bundespolitik. Und es fordert auch mehr, als machbar ist. So sieht es nicht nur die Justizverwaltung. Auch die Bezirksämter sehen sich nicht in der Lage dazu, sie hatten Rot-Rot-Grün sogar eindrücklich gewarnt und die Pläne abgelehnt.
Ende 2022 hatte Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) vor einem Scheitern des Gesetzes gewarnt: Der damalige Senat habe seine Hausaufgaben nicht gemacht – neue Stellen versprochen, aber nicht finanziert. Trotz der strengeren Vorgaben hatte die alte Koalition von SPD, Grünen und Linken kein zusätzliches Personal für den Mehraufwand zugebilligt, hieß es damals aus Pankow.
Außerdem ist Berlin mit dem Gesetz allein. Andere Bundesländer hätten derlei nicht, heißt es in einem Schreiben von Justizstaatssekretärin Uleer an das Abgeordnetenhaus. Und die Veterinär- und Lebensmittelämter der Bezirke können wegen erheblichen Personalmangels ohnehin nicht leisten, was das Gesetz von ihnen verlangt. Daher favorisiert die Justizverwaltung „Absenkungen von landesrechtlichen Fachstandards“, die über EU- und Bundesrecht hinausgehen.
„Wir sehen es als unsere Aufgabe als Senat, einen handlungsfähigen Staat und handlungsfähige Behörden sicherzustellen und Behörden und Betriebe vor überbordender Bürokratie zu entlasten“, sagte Staatssekretärin Uleer am Mittwoch. „Wir müssen uns auf die staatliche Daseinsvorsorge konzentrieren. Nur so können wir garantieren, dass die Bezirke effektiv arbeiten und Verbraucher schützen können.“
Die Personalausstattung im Bereich Verbraucherschutz ist gegenüber den vorgegebenen Aufgaben defizitär.
Senatsjustizverwaltung in Berlin
Gebracht hat das Gesetz bislang wenig: „In der Praxis sind nach dem Inkrafttreten des Gesetzes, und das sagt alles, bis auf eine Ausnahme noch keine Transparenzbarometer für den Verbraucher veröffentlicht worden“, sagte Uleer am Mittwoch. Würden die Bezirke das Gesetz umsetzen, würde das zu Problemen bei den Kernaufgaben führen.
In den Ämtern fehlt Personal
Selbst bei den normalen, per Gesetz vorgeschriebenen Kontrollen kämen die Bezirke nicht hinterher. 2023 seien in einigen Bezirken nur sieben Prozent der geplanten Kontrollen durchgeführt worden. „Für zusätzliche Aufgaben bleibt wenig, also gar kein Raum“, sagte Uleer.
Außerdem verstoße das „Saubere-Küchen-Gesetz“ aus Sicht der Bezirke gegen geltendes EU-Recht. Denn das sehe Nachfolgekontrollen vor, doch nach EU-Recht müssen die Kontrollen unangekündigt erfolgen.
Vertreter von Grünen und Linken kritisierten die Abkehr vom „Saubere-Küchen-Gesetz“: Das sei für die Verbraucher keine Lösung, es müsse mehr Personal zur Verfügung gestellt werden. Im Schreiben der Justizverwaltung heißt es dagegen: Selbst, um nur die Gesetzesvorgaben von Europäischer Union und Bund einzuhalten, wäre „der Personalbestand der Veterinär- und Lebensmittelaufsicht der Bezirke stark zu erhöhen“. Die Personalausstattung sei „gegenüber den vorgegebenen Aufgaben defizitär“. Auch geringere Standards würden „wegen des aktuellen Personaldefizites lediglich zu einer geringfügigen Reduzierung der Unterausstattung führen“.
Foodwatch nannte Gesetz „krachend gescheitert“
Die Verbraucherschutzorganisation „Foodwatch“ kam bereits vor einem Jahr zu dem Ergebnis: Das Saubere-Küchen-Gesetz sei „krachend gescheitert“. Unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) hatte Foodwatch bei allen Bezirken nachgefragt, wie viele Barometer sie an die Betriebe im Jahr 2023 ausgehändigt haben.
Sieben der zwölf Bezirke gaben demnach an, im vergangenen Jahr kein einziges Barometer ausgestellt zu haben. Die anderen fünf Bezirke bezogen keine Stellung. Als Begründung führten mehrere Bezirksämter, darunter Charlottenburg-Wilmersdorf und Pankow, den für sie nicht zu stemmenden Personal- und Ressourcenaufwand an.
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